Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar EU-Streit um Juncker: Das Ende von Merkiavelli
> Eine Sternstunde der Demokratie sollte die Europawahl sein. Die
> Streitereien jetzt machen das kaputt. Doch die Politik der Hinterzimmer
> ist vorbei.
Bild: Hält unbedingt zu Cameron: Angela Merkel
Gerade mal eine Woche ist es her, dass die Europäer ein neues EU-Parlament
gewählt haben. Eine Sternstunde der Demokratie sollte es werden, zum ersten
Mal sollten die Bürger den nächsten Kommissionspräsidenten bestimmen. Doch
was seitdem passierte, hat nicht nur den Wahlsieger Jean-Claude Juncker
beschädigt. Es hat auch das ohnehin schwache Vertrauen in die EU weiter
demoliert.
Schuld daran sind die Staats- und Regierungschefs, die sich am vergangenen
Dienstag zu einem völlig nutzlosen, ja kontraproduktiven EU-Gipfel in
Brüssel getroffen haben. Statt dem Wahlsieger Juncker zu gratulieren und
ihn zum nächsten Kommissionschef zu küren – wie es im Wahlkampf versprochen
worden war – ließen sie ihn auflaufen.
Eine besonders üble Rolle kam dabei – folgt man mehreren Medienberichten –
Kanzlerin Merkel zu. Sie stellte sich nicht nur an die Seite des britischen
Premiers Cameron, der Juncker um jeden Preis verhindern will. Merkel
verhinderte offenbar eine Abstimmung (die Juncker bestätigt hätte) und
drohte ihrerseits mit einem Veto.
Dahinter steht nicht nur die Angst vor einem britischen EU-Austritt.
Dahinter steht auch eine neue deutsch-britische Achse, die die EU bereits
seit Jahren in Geiselhaft hält. Beim EU-Budget, beim Freihandelsabkommen
TTIP und bei den Spionageaffären sorgten Cameron und Merkel dafür, dass ihr
neoliberaler Kurs obsiegt - gegen das EU-Parlament.
## Macht ist ihr wichtiger als die Bürger
Dasselbe wiederholt sich nun nach der Wahl. Merkel lässt es zu, dass die
Stimmen für die britische Anti-EU-Partei UKIP mehr zählen als die Stimmen
aus 27 EU-Ländern für Juncker. Damit beschädigt sie die noch junge und
schwache europäische Demokratie. Die Macht im Ministerrat ist ihr offenbar
wichtiger als das Votum der Bürger.
Klar, beim Katholikentag hat sich Merkel öffentlich zu Juncker bekannt.
Doch das kam zu spät und war zu vage. Statt offensiv für ihren Kandidaten
zu kämpfen, ließ sie sich ein Hintertürchen offen: Sie strebe einen Konsens
an — was ja nichts anderes heißt, als dass sie weiter auf Cameron Rücksicht
nimmt. Und dessen Nein steht fest.
„Merkiavelli“ hat der Soziologe Ulrich Beck die Kanzlerin während der
Eurokrise getauft. Kühl lächelnd spielt sie alle Schachfiguren
gegeneinander aus, um am Ende als strahlende Siegerin vom Feld zu gehen.
Möglich war dies allerdings nur, weil alle wichtigen Entscheidungen im
Hinterzimmer ausgekungelt wurden. Doch das ist vorbei.
Merkiavelli steht unter dem Druck des Europaparlaments und einer neuen,
wachsamen Öffentlichkeit. Jede Windung und Wendung wird genau beobachtet.
Merkels übles Spiel mit Cameron ist schon aufgeflogen. Nun gilt es, den
Machtanspruch des Rates zu brechen – und der europäischen Demokratie
endlich zum Durchbruch zu helfen.
2 Jun 2014
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
EU-Kommission
Jean-Claude Juncker
David Cameron
EU-Parlament
EU-Kommission
Großbritannien
Europawahl 2014
David Cameron
Europäische Union
Schwerpunkt Angela Merkel
EVP
Europawahl 2014
Jean-Claude Juncker
EU-Kommission
## ARTIKEL ZUM THEMA
Merkel gegen Juncker: Die Kunst des Weglächelns
Ein machtpolitisches Lehrstück: Angela Merkel arbeitet daran, Jean-Claude
Juncker als Chef der EU-Kommission zu verhindern.
Debatte Großbritannien und die EU: Haut doch ab!
Die spinnen, die Briten: Niemand braucht ihr Essen, ihre Musik und ihr
endloses Genörgel. Und das in Wembley war verdammt nochmal ein Tor.
Grüner über EU-Kommissionspräsidenten: „Sollen die Briten eben austreten“
Daniel Cohn-Bendit legt dem britischen Premier David Cameron nahe, endlich
ein Referendum über den EU-Austritt abzuhalten.
David Cameron auf Konfrontationskurs: Juncker? Nie gehört!
Die EU-Wahl hat die britische Regierung geschwächt. Jetzt setzt sie auf
Streit mit Brüssel. Die Kür des Präsidenten ist nur ein Kampf unter vielen.
Kommentar Camerons EU-Strategie: Blendende Isolation
Cameron will einen deregulierten EU-Markt, so dass jedes Land sich das
herausnehmen kann, was es möchte. Mit Juncker ist das nicht zu machen.
Streit um Spitzenkandidat Juncker: SPD will ein klares „Ja“ von Merkel
Die SPD will, dass sich dir Kanzlerin eindeutig auf Juncker festlegt. Nach
Drohungen Camerons kontert CSU-Politiker Uhl: Die EU funktioniere auch ohne
Großbritannien.
Gezerre um EU-Kommissionschef: Juncker warnt vor Erpressung
Der britische Premier erwägt aus der EU auszutreten, sollte Wahlsieger
Jean-Claude Juncker Kommissionspräsident werden. Dieser gibt sich weiter
siegesgewiss.
Wahl des EU-Kommissionschefs: Cohn-Bendit rät zu Juncker
Der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit rät den Grünen, den
konservativen Kandidaten Juncker zu wählen. Die Partei selbst will sich
noch nicht festlegen.
Merkel über EU-Spitzenkandidat Juncker: Jetzt will sie ihn doch
Im Gerangel um den konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker hat
Kanzlerin Merkel eingelenkt. Nun soll er doch Kommissionspräsident werden.
Kommentar Wahl EU-Kommissionschef: Rückständiger Rebellionsversuch
Wie früher per Kungelei oder doch gemäß des Wahlergebnisses? Die Art der
Entscheidung über den neuen EU-Kommissionschef ist wichtig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.