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# taz.de -- Braunkohle in Brandenburg: Zwischen Hoffnung und Wut
> Nach dem Votum der Landesregierung für den neuen Tagebau fürchten die
> Menschen im Dorf Proschim um ihre Heimat.
Bild: Die ersten Häuser in Proschim sind schon aufgegeben – mit Gruß an Vat…
DRESDEN taz | Ins einsame Herzberg weit im Süden hatte die brandenburgische
Landesregierung die Kabinettssitzung am Dienstag verlegt, um unter anderem
über den Braunkohlenplan für die Erweiterung des Lausitzer Tagebaus Welzow
zu entscheiden. Doch einige hundert Tagebaugegner und Regionalvertreter
waren auch hierher angereist, um zu protestieren. Den „letzten
verzweifelten Versuch, einen schlechten Plan noch zu retten“, nennt
beispielsweise Hagen Rönsch vom Firmenverbund Proschim den
Kabinettsbeschluss für den Tagebau.
Proschim ist neben Teilen von Welzow eines der vom Kohlebagger bedrohten
Dörfer. Das benachbarte Haidemühl gleicht bereits einem Geisterdorf, die
Gemeinde wurde 2006 formell aufgelöst. Ersatzweise ist etwa sechs Kilometer
entfernt am Rande von Spremberg das nicht gerade anheimelnde Neu-Haidemühl
entstanden.
Mit dem Ende der DDR glaubte man sich in Proschim zunächst sicher vor
weiterem Landschaftsfraß. Die Brandenburger Landesregierung nährte in den
neunziger Jahren solche Hoffnungen. Doch der Koalitionsvertrag von 2009
zwischen der SPD und der Linken spricht von der Braunkohleverstromung als
notwendiger „Brückentechnologie“, und Ministerpräsident Dietmar Woidke von
der SPD als treibender Kraft bekennt sich zu neuen Tagebauen.
Nicht alle Lausitzer sind gegen solche Neuaufschlüsse. Noch immer wirkt in
den Köpfen der Braunkohle-Aufstieg der Region in der DDR nach, auch wenn
Vattenfall in Tagebauen und Kraftwerken Brandenburgs jetzt nur noch maximal
5.000 Arbeitsplätze sichert. Aber Langzeitfolgen wie unberechenbare
Rutschungen, Grundwasserabsenkung und -anstieg oder die Verockerung der
Spree bewirken mehr Nachdenklichkeit.
## Gefährdete Landbrücke
Schon jetzt ist beim laufenden Tagebau Welzow I der Grundwassertrichter ein
großes Problem, das mit einer riesigen Dichtwand gelöst werden soll. Die
Erweiterung um Welzow II würde nur noch eine gefährdete Landbrücke stehen
lassen, denn im Süden schließen sich bald die gefluteten ehemaligen
Tagebaue des heutigen Lausitzer Seenlands an.
Gegen die Abbaggerung und die Umsiedlung von insgesamt mindestens 800
Menschen kämpft unter anderem der Firmenverbund Proschim. Zu ihm gehören
mehrere von der Familie Rösche geführte Unternehmen aus den Bereichen
Landwirtschaft und alternative Energieerzeugung, die knapp 100 Mitarbeiter
beschäftigen. „Was in Herzberg beschlossen worden ist, hat für uns
keinerlei Relevanz“, erklärt Hagen Rösch. „Wir werden mit niemandem
verhandeln!“
Schon gegen den laufenden Tagebau Welzow-Süd I klagt der Firmenverbund,
weil er bereits massiv Arbeitsplätze vernichtet hat. Gegen den nun
beschlossenen Braunkohlenplan der Landesregierung wird auch der
Umweltverband BUND klagen.
„Die Linken müssen sich entscheiden, auf welcher Seite sie stehen“, hält
Energieexperte Karsten Smid von Greenpeace trotz der Zustimmung im Kabinett
immer noch ein Türchen für den Dialog offen. Bezeichnenderweise hatte
Umweltministerin Anita Tack 2013 ein Gutachten des DIW vorgestellt, das
eine Tagebauerweiterung im Lichte der Energiewende für „nicht erforderlich“
hält. Ihr Genosse Wirtschaftsminister Ralf Christoffers hielt mit einem
eigenen Gutachten dagegen.
„Mit diesem Bruch ihrer Wahlversprechen ist die Linke in Brandenburg nicht
mehr wählbar“, kommentiert nun der Linken-Renegat und ehemalige
Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic. Im September wird der Landtag in
Potsdam neu gewählt. „Vermeintlicher Koalitionsfrieden rechtfertig weder
klimapolitische Irrfahrten noch Zwangsenteignung“, sagt auch die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock.
Linken-Minister wie Helmuth Markov schwächten die Tragweite ihrer
Zustimmung am Dienstag mit dem Hinweis auf das förmliche Verfahren ab. Das
liegt beim Landesbergamt und kann sich noch lange hinziehen, sodass der
Kabinettsbeschluss tatsächlich noch keine Abbaugenehmigung bedeutet. Auch
der Firmenverbund Proschim gibt sich deshalb optimistisch. Hagen Rösch
spekuliert auf einen Rückzug Vattenfalls aus der Region.
4 Jun 2014
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Energie
Braunkohle
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Brandenburg
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