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# taz.de -- 70. Jahrestag D-Day: Das Jubiläum hat Priorität
> Im Zentrum der Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der alliierten Landung
> stehen zivile Opfer und Veteranen. Die Ukraine-Krise bleibt eine
> Randnotiz.
Bild: Die Normandie Anfang Juni 2014: Geschichtsfans fahren in original US-Army…
BRÜSSEL/GENF/PARIS taz | Am Freitag ist D-Day an Frankreichs Atlantikküste.
Noch nie wurde der alliierten Landung vom 6. Juni 1944 mit so viel Aufwand,
so vielen internationalen Gästen gedacht. Dem entsprechend fällt Gastgeber
François Hollande für die Innenpolitik in der zweiten Wochenhälfte aus: Der
Präsident muss Hof halten und als Zeremonienmeister Staatsbesucher
begrüßen. Angesichts seines tiefen Sturzes in der Gunst seiner Mitbürger
wird ihm das Rampenlicht gut tun.
Hollande ist Regisseur des Jubiläumsevents, das im Gedenken an den Krieg
vor 70 Jahren der aktuellen friedlichen Völkerverständigung dienen soll.
Seit Längerem schon ist es bei solchen Feiern Usus, dass ehemalige Feinde –
wie Kohl und Mitterrand 1984 in Verdun – Hand in Hand gemeinsam der Opfer
gedenken und das Versprechen „Nie wieder!“ erneuern.
Darum steht selbstverständlich auch Angela Merkel auf der Liste der
prominenten Teilnehmer der D-Day-Feier. Es wäre aber gelogen, zu sagen,
dass es hinter der Kulisse oder sogar auf der Ehrentribüne der geladenen
Gäste nicht wegen heutiger Konflikte auch Spannung existiert.
Neben Barack Obama und Angela Merkel hat auch Wladimir Putin sein Kommen
angesagt. Hollande, der den Russen trotz der Meinungsverschiedenheiten
wegen der Annexion der Krim nicht wieder ausladen konnte, spielt
diplomatisch mit dem Feuer: In letzter Minute hat der Franzose auch den
neuen ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko eingeladen. Will der
französische Präsident am Rande der Kriegsfeier etwa direkte
Friedensgespräche einfädeln?
Für einen versöhnlichen Händedruck vor laufenden Kameras wird es wohl nicht
reichen. Dennoch wird zumindest Merkel den russischen Präsidenten in der
Normandie treffen. Das bestätigen sowohl Moskau als auch Berliner
Regierungskreise. Letztere fügen kleinlaut hinzu, dies sei kein Zeichen
einer Annäherung in der Ukrainekrise. Vielmehr gehe es darum, eine
historische Tatsache zu würdigen.
## Kein vertrauliches „tête-à-tête“
Merkel hatte sich für eine Einladung Putins ausgesprochen, weil Russland im
2. Weltkrieg die meisten Opfer gebracht hat. Hollande will den Russen sogar
im Élysée-Palast empfangen. Merkel hingegen ist die leibhaftige Begegnung
offenbar unangenehm – dabei rühmt sie sich sonst, mehr mit Putin zu
telefonieren als jeder andere westliche Staats- und Regierungschef.
Der US-Präsident hat mitteilen lassen, er wünsche kein vertrauliches
„tête-à-tête“ mit Putin. Im Programm – vor 14.30 Uhr, wenn sich alle G…
in Ouistreham (1944 „Sword Beach“) treffen – separate Anlässe mit den
einzelnen Staatsoberhäuptern der an der Landung beteiligten Alliierten
vorgesehen. Dabei ließen sich bestimmt rein „zufällige“ Begegnungen
arrangieren, bei denen nicht nur über das Wetter und die Vergangenheit
gesprochen wird. Schon ein freundlicher Blick zwischen Putin und
Poroschenko würde als Symbol und Auftakt eines Dialogs verstanden werden.
Jubiläen wie der D-Day bieten zumindest theoretisch größere Möglichkeiten
zu informellen Gesprächen und Diplomatie als offizielle Staatsbesuche oder
multilaterale Verhandlungen, bei denen Ort, Teilnehmer, Ablauf ,
Sitzordnung und Protokoll lange vorher festgelegt werden. Auch Hochzeiten
und Krönungen königlicher Häupter wurden in der Vergangenheit gerne für
diese Zwecke genutzt – besonders zu Zeiten, als für die Kommunikation
zwischen Regierungen statt E-Mail, Telefon, Post oder Telegraph nur
reitende Boten zur Verfügung standen.
Am besten eignen sich allerdings Staatsbegräbnisse oder Trauerfeiern. Und
das selbst zwischen Akteuren, die offiziell keine diplomatischen
Beziehungen unterhalten. Denn bei Begräbnissen ist die „Vorwarnzeit“ am
kürzesten und der zeitliche Spielraum für einschränkende Planungen und
protokollarische Festlegungen am geringsten. Auch kann – anders als bei
Jubiläen oder blaublütigen Zeremonien – niemand von der Teilnahme
ausgeschlossen werden.
## Eine wichtige symbolische Geste
Der jüngste Akt von Begräbnisdiplomatie fand im Dezember letzten Jahres in
Südafrika statt: Bei der Trauerfeier für Nelson Mandela begrüßte Obama auf
dem Gang zum Mikrofon neben vielen anderen Staats-und Regierungsungschefs
aus aller Welt auch seinen kubanischen Amtskollegen Raoul Castro mit
Handschlag. Beide wechselten ein paar Begrüßungsworte. Eine wichtige
symbolische Geste.
Zu konkreten, nachhaltigen Ergebnissen kam es während des Kalten Krieges:
Bei den Beisetzungen des jugoslawischen Präsidenten Josip Broz Tito 1980
sowie der drei sowjetischen Staatschefs Breschnew (1982), Andropow (1985)
und Tschernenko (1985) warben vor allem die Delegationen aus Bonn und
Ostberlin intensiv und mit Erfolg für Entspannungspolitik in Europa.
Die Teilnahme einer nordkoreanischen Delegation an der Beerdigung des
südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung 2009 führte vorübergehend zu einem
Tauwetter in den Beziehungen. Von historischer Bedeutung war die Begegnung
zwischen Algeriens Präsident Bouteflika und Israels Premier Barak bei der
Beerdigung des marokkanischen Königs Hassan II. 1999.
## Deutsch-französische Allianz
Begräbnisdiplomatie wurde in der Vergangenheit aber nicht nur zum Abbau von
Konflikten genutzt – sondern auch, um Bündnisse zu schmieden und Kriege
vorzubereiten. Anlässlich der Beerdigung des englischen Königs Eduard VII.
1910 in London nahm der deutsche Kaiser Wilhelm II. den französischen
Außenminister Stephen Pichon beim Abendessen im Buckingham Palast beiseite
und schlug ihm eine deutsch-französische Allianz gegen England vor.
In der Normandie werden die letzten Tribünen und Absperrungen aufgebaut,
Mikrofone getestet und die Pläne für die enormen Sicherheitsvorkehrungen
durchgegangen. Für die lokale Bevölkerung stehen in den zahlreichen Orten,
wo offizielle Veranstaltungen vorgesehen sind, alle Räder still. Das
Jubiläum hat Priorität. Die Bevölkerung hat Verständnis: Der D-Day von 1944
ist hier seit Langem die wichtigste Tourismusattraktion.
Entlang der einstigen Operationszonen mit den Codenamen Utah, Omaha, Gold,
Juno und Sword Beach gibt noch ein paar Bunker und diverse Museen mit
zurückgelassenen Militärfahrzeugen und Waffen zu besichtigen. Sie ziehen
nicht nur Nostalgiker, sondern auch die mit Orden behängten Veteranen an.
## Zahlreiche Soldatenfriedhöfe
Die stehen mit gutem Grund offiziell im Zentrum der 70-Jahr-Feier: Wer
weiß, wie viele von ihnen in zehn Jahren noch als Augenzeugen da sein
werden. Bleibende Zeugnisse sind dagegen die zahlreichen Soldatenfriedhöfe.
Sie geben von der Landung ein ganz anderes Bild als romantisch verklärte
Kriegsfilme wie „Der längste Tag“. Auf Tausenden von Grabsteinen ist mit
grausamer Knappheit zu lesen, wie jung hier auf beiden Seiten das Leben
junger Männer endete: Viele wurden nicht älter als 20.
Natürlich hat man in diesem Teil Frankreichs auch zwei Generationen später
nicht vergessen, dass auch die Bevölkerung 1944 einen hohen Blutzoll für
die Befreiung zu zahlen hatte. Rund 2.500 Zivilisten kamen am ersten Tag
der alliierten Landung ums Leben. Ihnen gilt die erste Gedenkfeier am
Freitag.
4 Jun 2014
## AUTOREN
Eric Bonse
Andreas Zumach
Rudolf Balmer
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