# taz.de -- Kolumne Der rote Faden: D-Day und Damenangst | |
> Durch die Woche gesurft: Präsidenten essen zu Abend, Veteranen ziehen | |
> Ausgehuniformen an, und die Wirtschaftswoche bekommt eine Chefin. | |
Bild: Es ist D-Day. Die Monarchie liest. | |
Putin und Obama haben nicht gemeinsam zu Abend gegessen, sondern jeder | |
einzeln mit dem kleinen Kollegen aus Frankreich gespeist, der angesichts | |
der immer größer werdenden Le Pen das Ausländerwahlrecht in die Tonne | |
tritt, so schnell kann man gar nicht schauen. Die gern als allzu akademisch | |
abgetane Einschätzung, dass weniger die rechten Parteien als die sich ihnen | |
andienenden bürgerlichen Politiker rechte Tendenzen in den Gesellschaften | |
dauerhaft verankern – sie bekommt dieser Tage viel frische Unterfütterung. | |
Derweil geht die Ukrainekrise weiter, und die Sparweltmeisterin Merkel | |
trifft den milliardenschweren designierten ukrainischen Präsidenten | |
Poroschenko gleichfalls zur einvernehmlichen Nahrungsaufnahme nach | |
Sonnenuntergang. Er – dank krasser Korruption zu dem geworden, was er ist, | |
nämlich Oligarch – will nun den ein oder anderen Schmiergeldhahn zudrehen | |
und hofft dabei und deswegen auf deutsche Hilfe. | |
Und die Weltwirtschaftsgemeinde? Sie hält ein G-Treffen ohne den als | |
Taschen-Stalin geschmähten russischen Querulanten ab und ist beglückt über | |
den eigenen Mut. Doch die Staatssekretäre und Unterhändler, also die, die | |
die Arbeit machen, dürfte die Symbolhuberei ihrer Chefs nicht weiter | |
stören. Wahrscheinlich waren sie froh, dass auch am Freitag PR-Politik für | |
die Massen deren Kräfte band. | |
Das Bad in der Geschichte ließ sich natürlich keiner von den Oberen | |
entgehen: Es war D-Day, und Veteranen zogen ihre Ausgehuniform an. Wie gut, | |
dass wir es haben, das letzte Jahrhundert mit seinen beiden großen Kriegen. | |
Da war die Welt noch übersichtlich und der Frontverlauf klar – zumindest im | |
Rückblick. | |
Aber auch in anderen Teilen der Welt feiert man Spektakel, mit dem kleinen | |
Unterschied, dass das Massensterben dort keine Historie ist, sondern | |
tägliche Gegenwart. Sei’s drum, es war Wahlwoche, und die von der | |
Arabellion ehemals aufgeschreckten Diktatoren zeigten sich ausnahmsweise | |
von ihrer fleißigen Seite. Ihr wolltet Brot und Würde? Liebe Landsleute, | |
daraus wird nichts, aber Wahlen, also Wahllokale, könnt ihr haben. Assad | |
ließ ganze 9.600 einrichten – er, der Syrien zusammenbomben lässt, als ob | |
er zu viele Filme über den Zweiten Weltkrieg gesehen hätte. Gleichzeitig | |
bewies er auch Zeitgeistaffinität und führte die „Blutwahlen“ im Zeichen | |
modernster Telekommunikation durch. | |
So musste man gar nicht persönlich zu Stimmabgabe vorbeikommen, im Krieg | |
ist das ja gelegentlich schwierig. Man konnte ihn auch per Handy wählen. | |
Ein Foto des Ausweises reichte aus – und wer immer es wollte, konnte dieses | |
dann per WhatsApp auf die Mobiltelefone der Wahlhelfer schicken. | |
## Vagina als Gleitmittel | |
Eindeutiger vermag ein Diktator seine Botschaft nun wirklich nicht zu | |
formulieren: Liebe Untertanen, ihr müsst noch nicht mal am Leben sein, um | |
an meiner Wahl teilzunehmen – es reicht, wenn eure ID die Bomben | |
überstanden hat. Den Amerikanern ist’s recht. Einmal mehr wird verlautbart, | |
dass sie sich mit Assad einrichten werden. Genauso einverstanden scheinen | |
sie mit General Sisi zu sein. Der heftete sich bei seiner Wahlparty am Nil | |
96,9 Prozent an die Brust. | |
Aber auch die unteren Chargen lieferten sich diese Woche Schlachten. Der | |
Skandal: Ein Chefredakteur eines mäßig wichtigen Wirtschaftsmagazins wird | |
abgelöst. Das allein macht natürlich kein Kraut fett, da braucht es schon | |
eine Vagina als Gleitmittel für eine Titelstory über die Wirtschaftswoche: | |
„Warum Tichy gefeuert wurde, obwohl Meckel nichts kann“. | |
Roland Tichy wurde von einer Frau, ja einer vergleichsweise jungen Frau | |
abgelöst, die auch noch akademische Meriten vorzuweisen hat! „Tichys größte | |
Kränkung war vielleicht nicht die Abberufung selbst, sondern die Tatsache, | |
dass er durch die St. Galler Professorin Miriam Meckel (46) ersetzt wird, | |
die über keinen Leistungsnachweis in der Wirtschaftspresse oder im | |
Magazin-Journalismus verfügt“, heißt es im Fachblättchen | |
Wirtschaftsjournalist. Brauchen Chefs jetzt plötzlich Leistungsnachweise? | |
Brauchen sie nicht, keine Sorge, nur Chefinnen brauchen so etwas. | |
In die Vorabdemontage von Konkurrentinnen wird viel Energie gesteckt. Der | |
Schützengraben verläuft dabei zwischen der stets ehrgeizigen Frau und den | |
stets verdienten Männern, denen ob der weiblichen Machenschaften ihre | |
Kompetenz nichts mehr nützt. Diese Umschrift von Konkurrenz aufs | |
Geschlechterduell ist ein wirksames Mittel des massiven Widerstands gegen | |
Frauen in Führungspositionen. | |
Zumal viele Chefinnen auf die harte Ablehnung ihrer gekränkten Mitarbeiter | |
nicht vorbereitet sind. Die emanzipierte Frau will ja über dem dumpfen | |
Geschlechterkampf stehen. Theoretisch ist das richtig, doch praktisch | |
steckt sie bis zum Hals in der Scheiße. Ob Meckel dafür gewappnet ist? | |
6 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
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