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# taz.de -- Inszenierte Wahl in Syrien: Knapp 100 Prozent Zustimmung
> Bislang ließ sich der Assad-Clan per Referendum bestätigen. Jetzt soll
> eine sogenannte Wahl stattfinden. Die Opposition hat keine Chance.
Bild: Die Assads regieren in Syrien seit 40 Jahren – und daran wird sich auch…
BERLIN taz | Seit dem ersten Amtsantritt von Präsident Hafis al-Assad,
Baschars Vater, im Jahr 1971 hat in Syrien keine einzige demokratische Wahl
stattgefunden. Das setzt sich auch unter seinem Sohn fort, der seit 2000 an
der Macht ist und sich am 3. Juni zum dritten Mal zum Staatschef küren
lassen wird. Das gesamte politische System Syriens ist rund um die
Assad-Familie zementiert – und daran wird sich auch jetzt nichts ändern.
Bislang wurde die siebenjährige Amtsperiode jeweils per Referendum – eine
Ja-/Nein-Abstimmung ohne Gegenkandidaten – verlängert; mit Ergebnissen
knapp unter der 100-Prozent-Marke. Jetzt soll erstmals eine sogenannte Wahl
stattfinden, doch die zahlreichen Einschränkungen und die Tatsache, dass
sie während eines Bürgerkriegs stattfindet, führt diesen Begriff ad
absurdum. Gewählt wird ohnehin nur in den vom Regime kontrollierten
Gebieten.
Schon die beiden zugelassenen „Gegenkandidaten“ belegen, dass es keine
Chance auf einen politischen Wandel gibt. Sowohl der Abgeordnete Maher
Hadschar als auch der ehemalige Staatsminister und Geschäftsmann Hassan
al-Nuri sind kaum bekannt. Hadschar gehört einer kommunistischen Partei an,
die seit Jahrzehnten mit der herrschenden Baath-Partei verbündet ist.
Nuri unterstützt die Politik von Assad und sieht sich als Vertreter einer
„schweigenden Mehrheit“. Milde Kritik übt er lediglich an den
Wirtschaftsexperten in der Regierung. In einer seiner jüngsten Interviews
deutete Nuri an, er hoffe, so viele Stimmen zu bekommen, dass Assad ihm die
Verantwortung für wirtschaftliche, politische und soziale Reformen
überträgt. So ist es wenig überraschend, dass drei vom Regime tolerierte
Oppositionsbündnisse in Damaskus sowie die Auslandsopposition die Wahl
ablehnen.
Vertreter der Auslandsopposition können ohnehin nicht antreten, denn gemäß
der neuen Verfassung muss ein Kandidat seit zehn Jahren ununterbrochen in
Syrien gelebt haben. Außerdem dürfen Kandidaten keine Ordnungswidrigkeit
oder Straftat begangen haben. Zur Exilopposition gehören jedoch zahlreiche
Personen, die zum Teil mehrfach unter Hafis und Baschar al-Assad im
Gefängnis gesessen haben; eine nicht bekannte Zahl von Oppositionellen
sitzt auch heute hinter Gittern.
## Es gibt keine Wahllisten
Das Regime hat zudem eine ganze Reihe von Maßnahmen verfügt, die
Oppositionelle im Exil von der Wahl ausschließt. Beispielsweise können
Auslandssyrer in Botschaften in befreundeten Ländern wählen – aber nur,
wenn sie in ihrem Pass einen Ausreisestempel haben. Diesen gibt es
ausschließlich an einem der wenigen Grenzübergänge, die noch vom Regime
kontrolliert werden. Doch die meisten der rund drei Millionen Syrer, die
ins Ausland geflohen sind, gingen über inoffizielle Übergänge oder die
grüne Grenze. Die etwa 6,5 Millionen Inlandsflüchtlinge in den vom Regime
kontrollierten Gebieten können ihre Stimme in jedem Wahllokal abgeben.
Wählerlisten gibt es nicht.
Gewählt wird vornehmlich in Zentralsyrien und in der Küstenprovinz Latakia.
Dies entspricht etwa dreißig bis vierzig Prozent des Staatsgebiets.
Schätzungen zufolge können über die Hälfte der 23 Millionen Syrer ihre
Stimme nicht abgeben. Doch die politische Botschaft des Regimes ist klar:
Wo Assad die Kontrolle ausübt, herrscht so etwas wie Normalität, die
Institutionen funktionieren und der Terror der Dschihadisten ist, von
Anschlägen abgesehen, weit weg.
So sind die Wahlen, wie zuvor die Teilnahme an den Genfer Verhandlungen
Anfang des Jahres, Teil der Augenwischerei, mit denen das Regime das
Ausland über die Lage zu täuschen versucht, während es Fassbomben auf die
Zivilbevölkerung wirft und Menschen aushungert. Zugleich hat Assad zuletzt
noch einmal deutlich gemacht, dass er jedwede Verhandlungslösung ablehnt.
3 Jun 2014
## AUTOREN
Beate Seel
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Bürgerkrieg
Wahl
Opposition
Baschar al-Assad
Diktatur
D-Day
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Flüchtlinge
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