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# taz.de -- Snowden-Leaks: „Er wird lange in Russland bleiben“
> Ewen MacAskill, einer der ersten Reporter, die Edward Snowden traf, über
> Privatsphäre, Massenüberwachung und die US-Verfassung.
Bild: Wie lange muss Edward Snowdens Bett noch in Russland stehen? Aktivisten v…
taz: Mr. MacAskill, vor einem Jahr, trafen Sie Edward Snowden in seinem
Hotelzimmer in London. Sie waren als Verteidigungsexperte des Guardian der
dritte Mann – neben dem Guardian-Kolumnisten Glenn Greenwald und der
Dokumentarfilmerin Laura Poitras. Wie haben Sie Snowden damals erlebt?
Ewen MacAskill: Am wohlsten hat er sich immer gefühlt, wenn er über
IT-Fragen sprach, über Computer, über NSA-Programme. Diese Welt
interessiert ihn. In dieser Welt lebt er. Sobald es um Politik oder
persönliche, private Dinge ging, war ihm das deutlich weniger angenehm.
Der Guardian hatte Sie Greenwald und Poitras als eine Art Aufpasser zur
Seite gestellt, um die Identität dieses Whistleblowers zu überprüfen, der
sich da anonym mit all den Dokumenten gemeldet hatte. Greenwald und Poitras
hatten Angst, Ihre Anwesenheit würde die Quelle verschrecken.
Ich erschien am Flughafen in Washington und sie waren ziemlich kühl, so
wenig höflich wie nur möglich. Erst als wir nach dem Flug mit dem Taxi nach
Hongkong hinein fuhren, erzählte ich Laura von meiner Arbeit, was ich bis
dahin gemacht hatte. Da taute sie ein wenig auf. Wir waren dann bald ein
Team. Heute lachen wir über das alles.
Wie vorsichtig waren Sie, als erfuhren, wer die Quelle ist?
Wir haben den Namen Edward Snowden nie gegoogelt. Wir wussten, dass das
gefährlich sein würde.
Snowden schien die Übergabe des Materials akribisch vorbereitet zu haben.
Schon die erste Ladung von Dokumenten, die er Glen und Laura vor dem
Treffen gab, war extrem gut organisiert. Er hatte sich überlegt, was die
Storys sein könnten und hat sie danach in unterschiedlichen Dateien
geordnet. Verizon, Prism, Cybersicherheit. Das Verhältnis von NSA und
Internetfirmen.
Er hat offenbar versucht, zu denken wie ein Journalist.
Als er im Mira Hotel ankam, hatte er vier Laptops dabei, aber die meisten
Dokumente waren schon auf Sticks kopiert. Damals hat mich das mit den vier
Laptops gewundert. Jetzt arbeite ich selbst mit dreien. Einer war nie im
Internet. Einer für verschlüsselte Chats. Und ein normaler.
Seltsam, oder: Da sitzt ein Typ in einem Hotel in Hongkong, der über streng
geheime Informationen verfügt, die er veröffentlichen könnte. Und keiner
der US-Geheimdienste versucht etwas dagegen zu tun.
Das ist für mich eines der größten Mysterien der ganzen Affäre. Leute vom
Geheimdienst haben vor der Veröffentlichung der ersten Story Snowdens
Freundin auf Hawaii besucht. Sie hätten auch nachverfolgen können, wo er
hinflog. Er hatte ja im Mira Hotel unter seinem eigenen Namen eingecheckt.
Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie nicht wussten, dass er in Hongkong
war. Und dass Laura und Glenn und ich dort waren. Warum haben sie nichts
unternommen, um uns zu stoppen? Vielleicht wollten sie keinen
diplomatischen Zwischenfall auf chinesischem Boden. Allerdings hat die CIA
schon in ganz anderen Ländern Leute entführt. Wenn sie nun abgewogen hätten
zwischen der Größe dieses Leaks und einem solchen diplomatischen Eklat,
wäre die Entscheidung eigentlich klar gewesen.
Die Ausmaße waren zu dem Zeitpunkt nicht ganz abzusehen.
Womöglich haben sie gedacht, es sind nur ein paar Folien. Ich verstehe es
jedenfalls nicht. Vielleicht muss ich zehn oder zwanzig Jahre warten, bis
irgendein Insider ein Buch darüber schreibt.
Im Hotel haben Sie Snowden dann mehrere Stunden interviewt.
Er war unglaublich ruhig. Er hat sich nie aufgeregt. Alle Antworten waren
extrem durchdacht. Daneben gab es diese Paranoia, dass CIA oder die
Hongkonger Polizei ihn entführen könnten, was ja keine Paranoia war,
sondern eine ziemlich realistische Einschätzung. Einmal klingelte das
Telefon und er wusste nicht, wer dran war. Deshalb überlegte er gleich, ob
es ein Versuch sein könnte, das Zimmer abzuhören. Was sie ja ohnehin hätten
tun können, wenn sie gewollt hätten. Dann gab es einen Feueralarm. Für mich
war es einfach nur ein Feueralarm. Aber er fragte sich, ob es ein Trick
war.
Sie haben auch an den Wikileaks-Enthüllungen des Guardian mitgearbeitet.
Was unterscheidet Snowden von Wikileaks-Gründer Julian Assange?
Seine Politik ist eine andere als die Assanges. Seine Philosophie ist eine
andere als die Assanges. Das Material einfach so als Riesenhaufen
abzuladen, wie das Chelsea Manning bei Wikileaks tat, das hätte Snowden
wohl entsetzlich gefunden. Er gab das Material Journalisten, damit die
entscheiden konnten, was eine Geschichte war, auch damit die
Veröffentlichung die Nationale Sicherheit nicht gefährdete. Ein ganz
anderer Ansatz als der von Julian Assange.
Was treibt Snowden an?
Ich habe drei Söhne, einer ist so alt wie er. Seine Mutter und sein Vater
taten mir wirklich leid. Er würde für den Rest seines Lebens ins Gefängnis
gehen. Warum opferte er sein Leben? Ich habe ihn das immer wieder gefragt,
warum ihm die Freiheit des Internets so wichtig war. Und er hat ganz
geduldig versucht, mir das zu erklären. Immer und immer wieder. Er hat
meist mit der Verfassung argumentiert. Mit dem Recht auf Privatsphäre. In
den USA ist der Glaube an die Verfassung so unglaublich stark verankert.
Während der Revolution stürmten die Briten Häuser, ohne
Durchsuchungsbefehl, ohne offizielle Genehmigung. Amerikaner betrachten
ihre eigene Geschichte und werden dabei sehr emotional. Das Recht auf
Privatsphäre, besonders im Mittleren Westen ist das ganz tief verwurzelt.
Eine Abneigung gegen Autorität, gegen Big Government.
Haben Sie ihn irgendwann verstanden?
Würde jemand zu mir sagen: Die Russen wollen Großbritannien einnehmen. Dann
empfände ich eine patriotische Pflicht, mich dem entgegenzustellen. Aber er
redete von seiner Welt, die von der Massenüberwachung der NSA gefährdet
war. Ich hab das damals nicht kapiert. Ich kapiere es jetzt.
Massenüberwachung ist unsichtbar.
Sie hatten auch nicht geahnt, dass es Beziehungen zwischen
Onlineunternehmen und der NSA gab?
Ich wusste überhaupt nichts von dieser Verbindung. Ich wusste nicht, dass
diese Firmen Material an die NSA weitergaben. Vielleicht war ich naiv. Ich
halte das für eine der größten Enthüllungen, die wir gemacht haben. Diese
Unternehmen haben ihr Verhalten daraufhin geändert.
Sie haben die Verbindung aber erst einmal dementiert.
Die Dokumente, die wir in Hongkong sahen, zeigten eine Verbindung zwischen
der NSA und den Internetkonzernen. Die bestritten daraufhin alles. Es gab
also diesen Widerspruch zwischen der NSA-Version und den Statements der
Firmen. Später hat sich herauskristallisiert, dass die Unternehmen vor
allem bestritten, dass sie kooperieren. Ihnen war wichtig zu betonen, dass
sie zur Herausgabe rechtlich gezwungen werden.
Sie stehen immer noch mit Snowden in Kontakt. Gerade laufen
unterschiedlichste Verhandlungen über seine Zukunft. Was wird aus ihm
werden?
Er wird vermutlich sehr lange in Russland bleiben müssen. Es gibt wenige
Orte auf der Welt, die dem Druck der USA standhalten können. Es gab
eigentlich nur China und Russland. Ecuador, Venezuela, Island, all diese
Länder könnten ihn nicht wirklich schützen. Snowden wollte nie nach
Russland, er wäre viel lieber in Westeuropa oder in Deutschland, wo ein
Großteil der Öffentlichkeit ihn unterstützt. Am allerliebsten wäre er
wieder in den USA, als freier Mann.
Angeblich standen seine Anwälte vor Verhandlungen darüber.
Er hat allerdings nichts in der Hand. Sein Material hat er Journalisten
gegeben. Er kann es nicht mehr zurückholen. Und die öffentliche Meinung in
den USA hat sich nicht grundlegend genug gewandelt, auch wenn seine Anwälte
ihm offensichtlich geraten haben, mit seinen Interviews und Auftritten
darauf hinzuwirken.
In der taz.am wochenende vom 14./15. Juni 2014 lesen Sie die
Titelgeschichte über Edward Snowden und Mark Zuckerberg – die zwei
Gesichter des Internets.
14 Jun 2014
## AUTOREN
Johannes Gernert
## TAGS
NSA
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Schwerpunkt Überwachung
Edward Snowden
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