# taz.de -- Kommentar Prozess um Polizeigewalt: Knüppel-aus-dem-Sack-Politik | |
> Die Gewalt gegen Demonstranten in Stuttgart war ein Schub für das | |
> demokratische Bewusstsein. Zu selten wird Beamten der Prozess gemacht. | |
Bild: Meist hält sich die Empörung bei solchen Szenen in Grenzen – nicht ab… | |
Der schwarze Donnerstag von Stuttgart vor vier Jahren wirkt nach. Es war | |
einer dieser seltenen Tage, der Bilder hervorbrachte, die in den Köpfen | |
hängen bleiben und am Ende eine Gesellschaft reifer machen: Als am 30. | |
September 2010 die Stuttgarter Polizei friedliche Demonstranten gegen das | |
Bahnprojekt Stuttgart 21 mit Wasserwerfern aus dem Schlossgarten fegte, ist | |
auch dem letzten politisch passiven Schwaben aufgegangen: So springt ihr | |
nicht mit uns um. Diese Art von selbstherrlicher Politik wollen wir nicht. | |
Ein Schub fürs demokratische Selbstbewusstsein. | |
Dienstag beginnt in Stuttgart der Prozess gegen zwei | |
Einsatzabschnittsleiter der Polizei, denen fahrlässige Körperverletzung im | |
Amt vorgeworfen wird: Die Wasserwerfer vor vier Jahren waren so hart | |
eingestellt, dass sie mindestens neun Demonstranten verletzten; ein Mann | |
verlor fast seine komplette Sehkraft. Die Beamten sollen Befehle der | |
Polizeispitze, die Wasserwerfer im vergleichsweise harmlosen Regenmodus | |
einzusetzen, nicht weitergeleitet haben. | |
Es ist ein Fall, der ans Licht bringt, was sonst unter der Überschrift | |
„Selbst schuld ihr Chaoten“ die breitere Öffentlichkeit kaum kratzt. Bei | |
aller Tragik angesichts der Verletzten in Stuttgart: Wahrscheinlich gibt es | |
Hunderte von vergleichbaren Fällen, bei denen Polizisten rücksichtslos mit | |
Wasserwerfern auf Menschenmengen halten, knüppeln und Tränengas sprühen. | |
Meist hält sich die Empörung in Grenzen. Selbst schuld, wer auf so eine | |
Demo geht. Waren doch Chaoten dabei. Auch wenn sich am Ende herausstellt, | |
dass die beiden Beamten unschuldig sind: Der Stuttgarter Prozess | |
artikuliert das große, in Deutschland kaum wahrgenommene Problem | |
versteckter Polizeigewalt. Die deutsche Polizei genießt einen so guten Ruf, | |
dass Politiker eher Demonstranten kriminalisieren, als Staatsbeamten | |
überzogene Gewaltanwendung vorzuwerfen. | |
Was der Prozess juristisch nicht aufarbeitet, ist die Frage, ob die | |
damalige Landesregierung unter dem CDU-Politiker Stefan Mappus den Protest | |
mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln schlicht niederschlagen wollte: | |
Erst Polizei hart vorgehen lassen, dann hinterher behaupten, dass es die | |
Chaoten waren. Ob dem so war, klärt gerade der zweite | |
Untersuchungsausschuss im Landtag. Die Zivilgesellschaft jedenfalls hat ihr | |
Immunsystem gegen diese Art von Gesetz-und-Knüppel-Politik gestärkt. | |
24 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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