| # taz.de -- Anhörung von Jean-Claude Juncker: Zückerchen für alle | |
| > Weg mit der Troika, mehr Demokratie: Der designierte Kommissionschef | |
| > Juncker redet allen Parteien nach dem Mund. Besonders den Grünen. | |
| Bild: Juncker darf Platz nehmen – und jedem erzählen, was er hören will | |
| BRÜSSEL taz | Schluss mit der umstrittenen Troika in den Eurokrisenländern, | |
| keine privaten Schiedsgerichte beim Freihandel mit den USA: Bei einer | |
| Anhörung der Grünen im Europaparlament hat sich der designierte | |
| EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker weit aus dem Fenster gelehnt. Eine | |
| grundlegende Wende in der Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU lehnt er | |
| allerdings ab. | |
| „Die Troika sollte durch ein neues Organ ersetzt werden, das die Demokratie | |
| respektiert“, sagte Juncker. Der Internationale Währungsfonds, der die | |
| Troika gemeinsam mit EU-Kommission und Europäischer Zentralbank bildet, | |
| soll ausscheiden. Stattdessen soll die Eurogruppe, die Juncker jahrelang | |
| selbst geleitet hatte, bei der Überwachung von Krisenländern eine größere | |
| Rolle spielen. | |
| Juncker folgt damit einer zentralen Forderung des Europaparlaments. Es | |
| hatte sich nach einer eingehenden Untersuchung der Troika-Politik für die | |
| Abschaffung der „Men in Black“ ausgesprochen. Allerdings arbeitet die | |
| Troika bisher trotzdem weiter wie bisher. Erst gestern traf sie wieder zu | |
| einer Kontrolle in Athen ein. Vor allem die Bundesregierung hält an den | |
| verhassten Inspektionen fest. | |
| ## Verbale Piroutten für größtmögliche Unterstützung | |
| Weit entgegen kam Juncker auch den Kritikern des geplanten | |
| Freihandelsabkommens TTIP. Er sei gegen private Schiedsgerichte, die | |
| Streitigkeiten zwischen Investoren, meist Großkonzernen, und Staaten | |
| schlichten sollen. Die USA und die EU hätten funktionierende Rechtssysteme | |
| und bräuchten daher keine Extragerichte. Auch das ist eine zentrale | |
| Forderung der Grünen und Linken im EU-Parlament. | |
| Vor den Grünen hatte Juncker bereits den Sozialdemokraten und den Liberalen | |
| Rede und Antwort gestanden. Die Anhörungen bereiten die endgültige Wahl zum | |
| Kommissionspräsidenten vor, die am kommenden Mittwoch geplant ist. Häufig | |
| reden die Kandidaten dabei den Parteien nach dem Mund, um sich eine | |
| möglichst große Mehrheit im Europaparlament zu sichern. | |
| Juncker macht da keine Ausnahme – ganz im Gegenteil. Der für seine | |
| Schlagfertigkeit bekannte Luxemburger drehte verbale Pirouetten, um es | |
| allen recht zu machen und eine ganz große Koalition zu sichern, die von | |
| Christdemokraten und Liberalen bis hin zu Sozialdemokraten und Grünen | |
| reicht. Und die Grünen empfingen ihn mit offenen Armen. | |
| „Lieber Jean-Claude, wir freuen uns sehr, dich hier zu haben“: Von Rebecca | |
| Harms bis Sven Giegold herrschte ein freundlicher, teilweise kumpelhafter | |
| Ton vor. Juncker präsentierte sich als modern denkender Politiker, für den | |
| weder die Finanzsteuer noch der Kampf gegen die Steuerflucht tabu sind – | |
| dabei galt seine Heimat Luxemburg noch vor Kurzem als Steuerparadies. | |
| ## Liberale haben nichts zu lachen | |
| Demgegenüber gab er bei den Liberalen den Hardliner. Am Stabilitätspakt | |
| werde nicht gerüttelt, auch die Austeritätspolitik werde fortgesetzt. „Ich | |
| bin es leid, dass Konservative, Christdemokraten und Liberale die Einzigen | |
| sind, die Stabilitätspolitik in Europa zu verteidigen haben“, sagte er. | |
| „Ich hätte gerne, dass andere an dem Genuss teilnehmen. | |
| Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht.“ | |
| Auch für die Sozialdemokraten hatte er ein Zückerchen: Sie sollen den | |
| Posten des Währungskommissars bekommen, der mit Olli Rehn bisher für die | |
| Liberalen reserviert war. Junckers Wahl dürfte auf den früheren | |
| französischen Finanzminister Pierre Moscovici fallen, der sich in Brüssel | |
| bereits für den neuen Job warmläuft. Moscovici müsste dann dafür sorgen, | |
| dass Frankreich und Italien die Spar- und Reformvorgaben aus Brüssel | |
| einhalten. | |
| Im Gegenzug dürfte es ein Quäntchen mehr Flexibilität – mehr Zeit zur | |
| Erfüllung der Vorgaben – geben. Das hatten SPD-Chef Sigmar Gabriel und | |
| Frankreichs Staatspräsident François Hollande gefordert. Bleibt nur zu | |
| klären, was die Konservativen bekommen. Sie haben Juncker schließlich – | |
| wenn auch widerwillig – zum Spitzenkandidaten gemacht und möchten nun den | |
| großen Preis einfahren. | |
| 9 Jul 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
| ## TAGS | |
| Europawahl 2014 | |
| Schwerpunkt TTIP | |
| EU-Kommission | |
| Jean-Claude Juncker | |
| Troika | |
| Jean-Claude Juncker | |
| EU-Politik | |
| Europawahl 2014 | |
| Europa | |
| Europäische Bürgerinitiative | |
| EU-Politik | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Europawahl 2014 | |
| Jean-Claude Juncker | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Europawahl | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jean-Claude Juncker in Athen: Zeichen für Griechenland | |
| Mit großen Erwartungen wird der künftige Chef der EU-Kommission empfangen. | |
| Die wichtigen Entscheidungen fallen aber erst im nächsten Monat. | |
| Debatte Jean-Claude Juncker: Sieg für das Parlament | |
| Von dem Konservativen Jean-Claude Juncker sind keine guten Entscheidungen | |
| zu erwarten. Trotzdem ist seine Wahl eine Sensation. | |
| Kommentar Wahl Jean-Claude Juncker: Steuerdieb regiert Europa | |
| Der neue Kommissionspräsident hat Europa massiv geschadet. Als Luxemburger | |
| Premier hat er sein Land zum Vorreiter der Steueroasen gemacht. | |
| Juncker ist EU-Kommissionschef: Glatt durch | |
| Vollendet: Das EU-Parlament wählt Luxemburgs Ex-Premier zum Präsidenten der | |
| Kommission. In der neuen Rolle klingt der fast ein wenig gelangweilt. | |
| Widerständler formieren sich europaweit: Vereint TTIP stoppen | |
| Eine neue Bürgerinitiative will das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA | |
| zu Fall bringen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. | |
| Kommentar EU-Kommissionspräsident: Wie viel Macht hat Juncker? | |
| Der designierte EU-Kommissionspräsident sammelt mit seinen Versprechen | |
| viele Sympathiepunkte. Dass er sie einlösen kann, ist zu bezweifeln. | |
| Kommentar EU-Kommission: Nur eine halbe Revolution | |
| Erstmals haben die Abgeordneten im EU-Parlament mit Jean-Claude Juncker | |
| ihren Kandidaten durchgesetzt. Ein voller Erfolg ist es dennoch nicht. | |
| Entscheidung über EU-Kommissionschef: Habemus Juncker | |
| Sieg für das Europaparlament, Niederlage für Großbritanniens Premier | |
| Cameron: Jean-Claude Juncker ist als neuer Kommissionschef nominiert. | |
| EU-Gipfel in Brüssel: Es geht um mehr als um Juncker | |
| Europas Staats- und Regierungschefs wollen am Freitag ihren Kandidaten für | |
| den Kommissionschef benennen. Das könnte länger dauern. | |
| Personaltableau Europas: Alle haben was abgekriegt | |
| Eine Lösung in der Personalfrage der EU-Spitzenjobs scheint in Sicht. Wer | |
| am Ende das Gesicht wahren kann, ist noch nicht ausgemacht. | |
| Streit um EU-Spitzenposten: SPD verzichtet auf Kommissar | |
| Das ist Politik: Sigmar Gabriel gibt bekannt, dass die SPD keinen Anspruch | |
| mehr auf einen EU-Kommissarposten erhebt. Allerdings stellt er Bedingungen. |