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# taz.de -- Frauenbewegung in Deutschland: Die frühen Riot Grrrls
> Sie wollten kein Heimchen am Herd sein: Zetkin, Fürth und Salomon.
> Barbara Beuys porträtiert die Frauen der ersten Feminismus-Welle.
Bild: Rosa Luxemburg und Clara Zetkin (r.) in den Straßen von Berlin.
Das 19. Jahrhundert war eine Zeit des Umbruchs, der Industriellen
Revolution und der Neuordnung Deutschlands. Die Frauen blieben jedoch
vorerst Menschen zweiter Klasse. Einige begannen, sich gegen diese
Machtlosigkeit zu wehren. Diesen Heldinnen hat Barbara Beuys mit „Die neuen
Frauen – Revolution im Kaiserreich 1900–1914“ nun ein Buch gewidmet.
Die Journalistin und Historikerin Beuys hat bereits zuvor über große Frauen
wie Sophie Scholl oder Annette von Droste-Hülshoff geschrieben. In „Die
neuen Frauen“ porträtiert sie nun Frauen, die Deutschland zu Zeiten Kaiser
Wilhelms II. aufgerüttelt haben.
Anhand der Lebensgeschichten von Alice Salomon, Clara Zetkin, Clara
Immerwahr, Henriette Fürth, Karen Horney, Agnes Bluhm, Gabriele Reuther und
vielen anderen schreibt Beuys eine Chronologie der Ereignisse vor dem
Ersten Weltkrieg.
Frauen hatten kaum bis gar keinen Zugang zu Bildung, ihnen war im Fall der
„höheren Töchter“ höchstens eine Karriere als Schriftstellerin oder
Lehrerin zugedacht – und auch das nur bis zur Heirat. Bis 1908 war es
Frauen untersagt, Vereinen und Parteien beizutreten; das Recht zu wählen
bekamen sie erst nach dem Ersten Weltkrieg 1918.
## Arbeiterfrauen und Bürgertöchter
Die Zusammensetzung der „ersten Welle der Frauenbewegung“ war keineswegs
homogen, wie Barbara Beuys schreibt. Arbeiterfrauen hatten andere
Bedürfnisse als die Töchter der höheren Gesellschaft. Der Bund Deutscher
Frauenvereine (BDF) fasste all die unterschiedlichen Gruppierungen
zusammen.
Der BDF organisierte auch den ersten internationalen Frauenkongress in
Berlin 1904, der in seiner Idee und Ausführung ein wenig an heutige
„Ladyfeste“ erinnert, die Anfang der 1990er-Jahre mit der
Riot-Grrrl-Bewegung in den USA ihren Anfang nahmen. Einiges von dem, was
Beuys beschreibt, mag FeministInnen und HistorikerInnen bereits bekannt
sein.
„Die neuen Frauen“ ist aber ein sehr detailreiches Werk geworden, in dem
niemand auf einen Sockel gestellt und auch Geschichten des vermeintlichen
Scheiterns Raum gewährt wird. So wie zum Beispiel der von Clara Immerwahr,
die zunächst erfolgreiche Chemikerin war und dann am Leben als Haus- und
Ehefrau zerbrach.
Beuys betont zudem die vielen Parallelen zur heutigen feministischen
Debatte. Henriette Fürth, berufstätig und Mutter von acht Kindern, schrieb
1908 über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Bedeutung der
Ausbildung einer Frau. Bis jetzt, hundert Jahre später, wird darüber
ausführlich gestritten.
## Drohung Mutterschaft
Zwei Jahre vor Fürths Ausführungen hatte Marianne Weber, Ehefrau des
Soziologen Max Weber, eine entgegengesetzte Schrift veröffentlicht. Darin
forderte sie, dass eine Frau mit dem Mutterdasein ihren Beruf aufgeben und
sich den Kindern widmen solle.
Gute Kinderbetreuung sei laut Weber eine „Utopie“ und alle ärztlichen
Gutachten gingen davon aus, dass es Kindern nicht guttäte, wenn sie im
Alter von zwei bis drei Jahren nicht in der Familie betreut würden. Beuys
kommentiert dies treffend: „Diese Drohung kommt deutschen Müttern noch im
Jahr 2014 sehr vertraut vor.“
Beuys übt auch Kritik an den Frauen. So widmet sie sich ausführlich der
Zusammenarbeit des „Bunds für Rassenhygiene“ mit dem BDF und auch den
nationalistischen Bewegungen innerhalb des Feminismus. Auch die männlichen
Unterstützer der Frauenbewegung werden erwähnt.
Die Berliner Ärzte Alfred Bernstein und Julius Moses zum Beispiel
veröffentlichten Broschüren zur Verhütung und schlugen den Frauen einen
Gebärstreik als unblutige Protestmethode vor, um einen Kontrast zu den
gewaltsamen Auseinandersetzungen der englischen Suffragetten zu setzen.
So deckt Beuys immer neue Facetten der frühen Frauenbewegung auf und es ist
an vielen Stellen erschreckend, wie hochaktuell die Debatten von damals
noch heute sind. Gerade das macht das Buch besonders lesenswert.
27 Jul 2014
## AUTOREN
Julia Brummert
## TAGS
Feminismus
Frauenbewegung
Gleichberechtigung
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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