| # taz.de -- CSU-Politikerin über Familie und Karriere: „Barbie ist doch erfo… | |
| > 36 Jahre alt, drei Kinder, Staatssekretärin. Dorothee Bär hat sich in der | |
| > bayerischen Macho-Partei durchgesetzt. Wie war das möglich? | |
| Bild: Dorothee Bär, ganz in pink, umgeben von wichtigen Männern. | |
| taz: Auf vielen Pressebildern und in Ihrem Twitter-Account, Frau Bär, sind | |
| Sie fast immer in Pink. Tragen Sie Pink auch noch in zehn Jahren? | |
| Dorothea Bär: Auf jeden Fall. Pink ist eine Lebenseinstellung. Pink geht | |
| immer. | |
| Stört es Sie, wenn man Sie deshalb CSU-Barbie nennt? | |
| Das ist mir total egal. Es gibt so viel Schlimmeres. Hauptsache, es wird | |
| über einen gesprochen. Von den 680 Abgeordneten gibt es viele, die gar | |
| niemand kennt. | |
| Außerdem nennen Parteifreunde Sie „Twitter-Tussi“. Macht Sie das nicht | |
| lächerlich? | |
| Barbie ist doch schon seit so vielen Jahrzehnten erfolgreich – und pink ist | |
| sie auch meistens. Und die Twitter-Tussi ist doch eine Auszeichnung! Ich | |
| hab sogar ein T-Shirt von meinen Mitarbeitern geschenkt bekommen, auf dem | |
| das steht. Aber abgesehen davon: Man braucht in der Politik ein breites | |
| Kreuz. | |
| Sie müssen sich doch mal darüber geärgert haben. | |
| Ein einziges Mal, über einen Artikel in der Lokalzeitung. Damals habe ich | |
| als Sprecherin für Familienpolitik einen meiner besten Vorträge gehalten. | |
| Alles hat gepasst, die Stimmung in der Halle war großartig. Am nächsten Tag | |
| stand in der Zeitung: „Die Absätze zu hoch, der Rock zu kurz“ – kein | |
| einziges Wort zum Inhalt. | |
| Ist gutes Aussehen hinderlich, um Karriere zu machen? | |
| Wenn eine Frau sehr gut aussieht, ist es schon schwieriger. Denn wer nicht | |
| dem Mainstream-Schönheitsbild entspricht, dem wird letztlich oftmals mehr | |
| zugetraut. Man denkt: Na, die muss wenigstens inhaltlich gut sein, sonst | |
| hätte sie es nicht hierher geschafft. | |
| Der Frauenteil in Führungspositionen in der CSU ist … | |
| … ausbaufähig … | |
| Auch in den Führungsetagen vieler Unternehmen bleiben Männer unter sich. | |
| Sind Frauen nicht durchsetzungsfähig? | |
| Frauen müssen Dinge einfordern, sie müssen mutig voranschreiten. Als | |
| Abgeordnete bin ich auch Chefin. Meine weiblichen Mitarbeiter haben bei | |
| Einstellungsgesprächen keine Gehaltsansagen gemacht, die Männer sehr wohl. | |
| Das ist der große Unterschied. Frauen fordern wesentlich weniger von dem | |
| ein, was sie wirklich wert sind. | |
| Woran liegt das? | |
| Ein Grund sind oft Selbstzweifel. Das merke ich, wenn es um Posten in der | |
| Politik geht. Angenommen, man braucht dafür zehn Merkmale. Eine Frau sagt: | |
| „Ich kann mich nicht bewerben, mir fehlen zwei Kriterien.“ Wenn der Mann | |
| vier mitbringt, sagt der: „Mach ich! Die hätten mich schon zehn Jahre | |
| früher fragen können.“ Das klingt sehr pauschal, entspricht aber meiner | |
| Erfahrung. | |
| Sie haben sehr früh Karriere gemacht. Wenn die junge Frau Bär im Wahlkampf | |
| zu den alten Herren kam … | |
| … nee, ich war da nicht die junge Frau. Ich war eher das „Madla“, das man | |
| mal kommen lässt. | |
| Wie haben Sie darauf reagiert? | |
| Ich fand’s nie schlimm, unterschätzt zu werden. Es ist mir immer lieber, | |
| die Erwartungen sind gering und ich kann überzeugen. | |
| Haben Sie es so auch mit 24 Jahren in den Bundestag geschafft? Am Anfang | |
| bin ich über die Landesliste in den Bundestag gekommen. Ich habe es nicht | |
| zuletzt Edmund Stoiber und Michael Glos zu verdanken, dass ich aufgestellt | |
| wurde. Ich war nach 35 Jahren die erste weibliche Vorsitzende der | |
| Studentenvereinigung RCDS. Da hat Stoiber gesagt: „Die brauchen wir.“ | |
| Braucht jede Frau Hilfe von einem mächtigen Mann, um Karriere zu machen? | |
| Das gilt für jeden Beruf: Alleine schafft man’s nicht, der Mensch ist ein | |
| Gemeinschaftstier. In der Politik zum Beispiel braucht man Mehrheiten. Als | |
| ich mich für den Bundestag aufstellen lassen wollte, stand plötzlich ein | |
| mittelalter Herr auf und ist gegen mich angetreten. Außer bei meinen | |
| Direktkandidaturen für die Bundestagswahl habe ich mir nur dieses | |
| Wahlergebnis gemerkt: 181 zu 7. Das war nur möglich, weil andere davon | |
| überzeugt waren, dass ich die bessere Wahl bin. | |
| Sie sind seit 2002 im Bundestag. Haben Sie sich verändert? | |
| Wenn ich die Bilder von früher mit heute vergleiche, sind meine | |
| Gesichtszüge härter geworden. Ich habe am Anfang schon ein extrem weiches | |
| Gesicht gehabt. Vielleicht liegt es aber auch einfach am höheren Alter. | |
| Angenommen, man bietet Ihnen nach der nächsten Wahl einen Job als | |
| Ministerin an: Was sagen Sie? | |
| Ich würde zumindest nicht gleich in Euphorie ausbrechen, weil man als | |
| Ministerin sehr stark in der Öffentlichkeit steht. So ein Amt ist keine | |
| One-Woman-Show, das müsste ich mit meiner Familie und besonders mit meinem | |
| Mann besprechen. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder. Mit dem | |
| höheren Posten richtet sich auch der Fokus der Öffentlichkeit stärker auf | |
| die eigene Familie. Meine Kinder sind noch ziemlich klein. Für mich stellt | |
| sich die Frage, wie behütet sie aufwachsen könnten und wie viel | |
| Privatsphäre wir noch hätten. Mein Vater war Bürgermeister, deshalb kenne | |
| ich das Gefühl, im Dorf immer unter Beobachtung zu stehen. | |
| Wie fühlte sich das damals an? | |
| Für meinen Bruder und mich war das teilweise schon nervig, wenn wir uns auf | |
| Festen immer benehmen mussten. Und ich mach gern Party. | |
| Hätten Sie ohne Kinder schneller Karriere gemacht? | |
| Ich glaube, dass ich ohne Kinder noch mehr machen könnte, ja. Auf der | |
| anderen Seite weiß ich nicht, ob ich ohne Kinder eine so gefestigte | |
| Persönlichkeit hätte. Vier Jahre vor der Geburt meiner ersten Tochter war | |
| ich schon im Bundestag. Wenn ich das mit heute vergleiche, bin ich durch | |
| meine Kinder eine bessere Politikerin geworden. Eigentlich stehe ich sehr | |
| unter Strom, die Kinder haben mich ruhiger und gelassener gemacht. | |
| Wann haben Sie sich das letzte Mal überfordert gefühlt? | |
| Ständig (lacht). Aber es ist wirklich so, dass ich oft das Gefühl habe, | |
| nicht allem so gerecht zu werden, wie ich das gerne hätte. Am meisten hasse | |
| ich es, wenn ich ständig getrieben bin und meinen Terminen zeitlich | |
| hinterherhinke. | |
| Bleiben Sie Ihr Leben lang Politikerin? | |
| Nur, wenn wir an der Regierung sind. Wenn mir jetzt jemand sagen würde: „Du | |
| machst jetzt 20 Jahre Opposition“ – da würde ich sagen: „No way!“ | |
| Das heißt: Politik kommt für Sie nur in Frage, wenn Sie an der Macht sind? | |
| Als Oppositionspolitiker arbeitet man einfach sehr viel für den Papierkorb. | |
| Ich hätte das Gefühl, nicht mehr gestalten zu können. Dann ist Politik nur | |
| noch Arbeit ohne Ergebnis. Das will ich nicht. | |
| Was wäre denn Ihr Plan B, wenn Sie dauerhaft in die Opposition müssten? | |
| An dem Job finde ich sehr schade, dass man nicht für längere Zeit ins | |
| Ausland gehen kann. Ich war während meiner Schulzeit ein Jahr in den USA | |
| und ich habe immer gedacht, dass ich das nochmal für ein Jahr mache. Aber | |
| leider gibt es keine Austauschprogramme zwischen Parlamenten, dass man dort | |
| mal eine Zeit lang regiert. Im Ausland arbeiten, das wäre schön. Aber | |
| Hausfrau und Mutter ist ja auch spannend. | |
| 4 Aug 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Timo Steppat | |
| Anna Schughart | |
| ## TAGS | |
| Dorothee Bär | |
| CSU | |
| Quote | |
| Edmund Stoiber | |
| Dorothee Bär | |
| Feminismus | |
| Hochschule | |
| Schach | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| CSU-Vorzeigefrau Dorothee Bär: Wie man zu sein hat | |
| In Dorothee Bärs Brust wohnen, ach, zwei Seelen. Es täte ihr und der CSU | |
| gut, wenn sie dem Rebellischen mehr öffentlichen Raum gäbe. | |
| Frauenbewegung in Deutschland: Die frühen Riot Grrrls | |
| Sie wollten kein Heimchen am Herd sein: Zetkin, Fürth und Salomon. Barbara | |
| Beuys porträtiert die Frauen der ersten Feminismus-Welle. | |
| Mathematik-Professorin im Interview: „Man hat mir zugehört“ | |
| Angela Schwenk hat sich in einem traditionell von Männern dominierten Beruf | |
| durchgesetzt. Als Frau, sagt sie, habe sie es dabei mitunter sogar leichter | |
| gehabt. | |
| Judit Polgar über Schach: „Frauen glauben nicht an sich“ | |
| Bei der Europameisterschaft hat Judit Polgar keine Chance mehr auf einen | |
| vorderen Platz. Sie bleibt aber die Nummer eins im Frauenschach. |