# taz.de -- Judit Polgar über Schach: „Frauen glauben nicht an sich“ | |
> Bei der Europameisterschaft hat Judit Polgar keine Chance mehr auf einen | |
> vorderen Platz. Sie bleibt aber die Nummer eins im Frauenschach. | |
Bild: Die stärkste Figur im Spiel – die Dame. | |
taz: Frau Polgar, der neue Weltmeister Magnus Carlsen war noch gar nicht | |
geboren, als Sie Ihre Karriere als Wunderkind starteten. Ein erschreckender | |
Gedanke? | |
Judit Polgar: Mir kam das schon vor Jahren plötzlich in den Sinn, dass ich | |
schon zweimal die Olympiade mit meinen Schwestern gewonnen hatte, bevor | |
Magnus auf die Welt kam. Es ist offensichtlich: Die neue Generation steht | |
bereits an der Spitze. Ich bin aber glücklich, mich noch gelegentlich mit | |
den besten Spielern messen zu können. | |
Im Jahr 2011 belegten Sie Platz drei bei der Europameisterschaft der | |
Männer. Damit wird es jetzt wohl nichts mehr, denn nach einer Niederlage | |
sind Sie auf Platz 52 bei der EM in Eriwan abgerutscht. | |
Ich habe ohne große Erwartungen teilgenommen. Ich will ein paar schöne | |
Partien spielen, um gutes Material für mein nächstes Buch zu haben (lacht). | |
Ist es nicht merkwürdig, dass Sie die Frauen-Weltrangliste seit Urzeiten | |
anführen, obwohl Sie die Frauenturniere bis auf wenige Ausnahmen in | |
Jugendzeiten gemieden haben? | |
Ich spielte nur drei Frauen-Wettbewerbe als Kind mit. Ich habe Schach stets | |
als einen Sport für alle, unabhängig vom Geschlecht, betrachtet. Deshalb | |
bestand mein Ziel stets darin, einfach besser zu werden im Schach. Das ist | |
der Grund, warum ich solch einen riesigen Rating-Vorsprung errang. | |
Sind Sie enttäuscht, niemals Weltmeisterin geworden zu sein, obwohl Sie | |
auch in den Top Ten der Männer standen? | |
Nein, ich bin nicht unglücklich darüber, nie Weltmeister geworden zu sein. | |
Ich war wirklich glücklich darüber, als ich es in die Top Ten der Herren | |
schaffte. In meinem besten Jahr anno 2003 fühlte ich mich sehr stark. | |
Haben Sie es jemals bedauert, nicht doch in den für Sie „langweiligen“ | |
Frauen-Turnieren mitzumischen? Sie könnten auch schon 25 Jahre | |
Weltmeisterin bei den Frauen sein. | |
Nein, mir ging es wirklich immer nur darum, mein Schach zu verbessern. | |
Warum sind Frauen beim Schach schlechter als Männer? Fehlt ihnen der | |
Ehrgeiz oder die Passion? | |
Frauen glauben nicht daran, dass sie es schaffen können. | |
Wie lange trauen Sie sich zu, die Nummer eins der Damen zu sein? | |
Wenn ich weiter spiele und an mehr Turnieren teilnehme, um in Form zu | |
bleiben, sehe ich gute Chancen für einige zusätzliche Jahre. Ich hoffe | |
aber, dass andere Mädchen kommen und „absoluter“ Weltmeister werden wollen | |
und nicht nur den Frauen-Titel holen wollen. Je höher die Ziele, je länger | |
braucht man dafür! | |
Was macht Ihr Kinderschachprojekt in Ungarn? | |
Ich habe vor zwei Jahren eine Stiftung gegründet, die es in kurzer Zeit | |
schaffte, Schach ins nationale Bildungsprogramm und in den | |
Grundschullehrplan aufzunehmen. Wir haben ein komplettes Programm | |
ausgearbeitet, um die Kinder durch Schach in vielen Bereichen wie | |
Mathematik zu fördern. | |
Ihr Vater behauptete stets, Genies seien formbar. Ist Arbeit oder Talent | |
wichtiger im Schach? | |
Arbeit! Aber Talent hilft sehr viel (lacht). | |
Was halten Sie von dem neuen Weltmeister? | |
Magnus Carlsen spielt wirklich erfrischend. Er geht ans Brett, ignoriert | |
die Eröffnungsvorbereitung mit Computern – und gewinnt trotzdem. Er erkennt | |
Nuancen ganz besonders. Aber seine größte Stärke ist, dass er mit enormer | |
Begeisterung Stellungen spielt, die andere Großmeister schon längst als | |
Remis abgehakt haben und sich friedlich trennen, anstatt Energie zu | |
verschwenden. Er genießt es natürlich auch, weil er so erfolgreich damit | |
ist. Ich finde Magnus wirklich sehr beeindruckend. Ich mag seinen Stil | |
nicht übermäßig, aber sein Können und seine professionelle Einstellung sind | |
bewundernswert. | |
13 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Hartmut Metz | |
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