# taz.de -- Buch „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“: Feminismus? Fuck, yeah! | |
> Anne Wizorek initiierte die #Aufschrei-Kampagne. Jetzt liefert sie eine | |
> selbstbewusste Anleitung für ihren Twitter-Feminismus. | |
Bild: Die Sprache ist deutlich bis derb bei Anne Wizorek. | |
Jede Generation erfindet sich ihren eigenen Feminismus. In letzter Zeit | |
aber beschleunigt sich das Ganze unglaublich: Gerade watschte Thea Dorns | |
neue „F-Klasse“ im Jahr 2006 noch die vermeintlichen | |
„Siebziger-Jahre-Feministinnen“ ab, da bogen schon 2008 die Alphamädchen | |
mit ihrem [1][Gruppenblog „Mädchenmannschaft“] um die Ecke, besangen die | |
Schönheit des Feminismus und köderten ihre Altersgenossinnen mit dem | |
Versprechen „Feministinnen haben besseren Sex“. | |
Das war die Kohorte der Bloggerinnen. Und schon ist die nächste Riege am | |
Start: Twitter-Feminismus. Anne Wizorek hat nun das dazugehörige Buch | |
vorgelegt: „Weil ein #Aufschrei nicht reicht – für einen Feminismus von | |
heute". | |
Anne Wizorek ist die Medienberaterin, die eines Nachts über den Tweet einer | |
Kollegin stolpert, die erzählt, wie der Arzt ihren Hintern tätschelt, als | |
sie wegen eines Selbstmordversuchs im Krankenhaus liegt. Anne Wizorek | |
schlägt vor, unter #Aufschrei Tweets zum Thema zu sammeln. Das Ganze | |
explodiert in kürzester Zeit zu einer allgemeinen Sexismusdebatte mit | |
Brüderle-Effekt. | |
Was ist neu am Twitter-Feminismus à la Wizorek? Vor allem natürlich: | |
Twitter. Das bedeutet: direkten, schnellen Austausch in der Community: | |
Minute für Minute werden sexistische Aussprüche und Bilder gepostet und | |
kommentiert, feministische Aktionen verbreitet, Texte verlinkt. Wer dem | |
richtigen Dutzend FeministInnen folgt, verpasst keine News mehr. | |
Wizoreks Buch ist eine Kurzanleitung in Sachen Feminismus für Netzaffine. | |
Es ist direkter und härter als die verspielten Alphamädchen. Die Frage, ob | |
Feministinnen Lippenstift tragen oder Pornos gucken dürfen, stellt sich | |
nicht mehr. Und nenne ich mich nun Feministin oder nicht? Wird langsam mal | |
Zeit, so Wizorek: „Feminismus? Fuck, yeah!“ Das ist der Ton. | |
Abgrenzungsrituale gegenüber den feministischen Müttern sind nicht mehr | |
notwendig, ihre Themen werden einfach zeitgemäß wieder aufbereitet. Und ja, | |
diese Themen sind wieder da: Sexismus, Abwertung von Frauen, | |
Objektifizierung, Körperpolitik: Warum noch mal sollen Frauen sich immer | |
hässlich und verbesserungswürdig fühlen? Wizorek hantiert mit einschlägigen | |
Studien: „Im Schnitt checkt eine Frau alle 30 Sekunden, wie sie aussieht, | |
ob sie richtig sitzt, wie sie auf andere wirken könnte.“ | |
## Fickbar bleiben | |
Die Sprache ist deutlich bis derb: Junge Frauen tun alles, um sexy zu | |
wirken: Immer schön fickbar bleiben in den Augen der Männer, nennt Wizorek | |
das. Aus den Charakterisierungen Angela Merkels in den Medien als „Mutti“ | |
kann man dann herauslesen, was für die Macht geopfert werden muss: „Muttis | |
mit Macht sind gleich doppelt unfickbar.“ | |
Der Social-Media-Feminismus ist mehr als Meckern, postuliert Wizorek: „Mit | |
Tools wie Blogs und Social Media lässt sich heute eine Gegenöffentlichkeit | |
und Aufmerksamkeit für Themen schaffen, die der Mainstream übersieht oder | |
falsch darstellt. Unsere Smartphones und Laptops sind sozusagen die | |
Demoschilder von heute.“ | |
Wizorek wirbt nicht mehr, wie einst die Alphamädchen, die Männern | |
klarmachen wollten, dass Feminismus für sie auch „schön“ ist. Wizorek | |
dagegen fordert, dass die Jungs mal ihre eigenen Privilegien erkennen | |
sollten. Sie profitieren, obwohl sie selbst meinen, sie würden Frauen | |
niemals abwerten. „Was es heißt, ein guter Verbündeter zu sein“, nennt sie | |
ein Kapitel und dekretiert: „Hör zu. Und zwar richtig.“ – „Setz Dich m… | |
Deiner eigenen Schuld auseinander.“ – „Ändere Dein Verhalten.“ | |
Uff. Schuld? Persönliche Schuld? Kleiner Rückfall in die Achtziger, Frau | |
Wizorek? Hatten wir es nicht gerade von männlichen Privilegien durch ganz | |
unbewusste Strukturen? Das ist schon noch ein Unterschied zu persönlicher | |
Schuld. Sympathischerweise nimmt Wizorek ausdrücklich für sich das Recht in | |
Anspruch, auch mal danebenzuliegen. | |
Ihr „Lehrplan für die Zukunft“ jedenfalls klingt dann wieder verdaulicher: | |
Er bestehe aus einer „Willst du auch?-Kultur und darin, Empathie von allen | |
einzufordern“. Wizorek tut das – sehr ausdrücklich. Und hat damit der | |
privaten Unzufriedenheit der vielen Einzelnen im Netz einen politischen | |
Rahmen gegeben. | |
3 Oct 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://maedchenmannschaft.net/ | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
## TAGS | |
Feminismus | |
Anne Wizorek | |
#Aufschrei | |
Feminismus | |
Feminismus | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Feminismus | |
Feminismus | |
Feminismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Feminismus-Debatte: Wir brauchen keinen Zumba-Jesus | |
Unwitzig, für Männer abschreckend und ohne weise Führung? So leicht lässt | |
sich der neue Feminismus nicht abwatschen. Eine Replik. | |
Hommage an die Emanzipation: Eine freie Radikale | |
Die Schriftstellerin Louise Aston war eine hochmoderne Feministin und | |
Vorkämpferin von 1848. Sie wandte sich gegen Patriarchat, Ehe und Religion. | |
Youtube-Video „Anmachsprüche“: Versteckter Rassismus? | |
Frauen werden minütlich im öffentlichen Raum angemacht. Das zeigt ein Video | |
aus New York. Doch beim Betrachten bleibt ein fader Beigeschmack. | |
Demo der Abtreibungsgegner: „Kritik an modernen Lebensentwürfen“ | |
Am Samstag veranstalten Abtreibungsgegner den „Marsch für das Leben“. Autor | |
Ulli Jentsch über die Sprengkraft dieser Bewegung. | |
Feminismus der 70er Jahre: Existenzielle Einsamkeit | |
Die neue Ausgabe der Zeitschrift „Mittelweg 36“ erkundet das Vermächtnis | |
der wegweisenden Feministin Shulamith Firestone. | |
Frauenbewegung in Deutschland: Die frühen Riot Grrrls | |
Sie wollten kein Heimchen am Herd sein: Zetkin, Fürth und Salomon. Barbara | |
Beuys porträtiert die Frauen der ersten Feminismus-Welle. | |
Feministische Plattform: Saufen statt Bascha Mika | |
Grüne Frauen haben jetzt ihre eigene Netzplattform. Man hofft auf Debatten | |
von außen. Männer und Nicht-Grüne dürfen auch mitmachen. | |
Teufelsmösen und Feminismus: Meine Pussy ist die Macht | |
In Brasilien nähte sich eine junge Aktivistin öffentlich die Schamlippen zu | |
– aus Protest gegen Ausbeutung und Unterdrückung. |