# taz.de -- Neues antifeministisches Buch: Prügel für Strohpuppen | |
> Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling erfinden und bekämpfen die | |
> „Tussikratie“. Dumm nur, dass es ihre Gegnerinnen gar nicht gibt. | |
Bild: Ist sie Teil eines diskriminierten Kollektivs? | |
Tussis, das sind diese „oberflächlichen eingebildeten Dummchen“, so | |
jedenfalls definiert sie Wikipedia. Zwei junge Autorinnen, die sicher | |
selbst nicht als Tussis gelten wollen, haben den Begriff nun einfach | |
gewendet: Für sie haben verbohrte Feministinnen, die die Welt in böse | |
Männer und gute Frauen aufteilen, eine Tussikratie in Deutschland | |
errichtet: Eine moralische Herrschaft der Feministinnen, in der Frauen | |
nichts falsch und Männer angeblich nichts richtig machen können. Provokant. | |
Aber wo war nochmal die Gegnerin? | |
Hier, so behaupten Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling, zwei junge | |
Journalistinnen aus dem Neon-Umfeld: Die Genderaktivistin, „die zwar auf | |
schmerzhaft wirkliche Probleme reagiert, dabei aber oft Maximen ausruft, | |
die wir in unserer Wirklichkeit nicht leben können oder wollen.“ | |
Diese unbekannte Feministin quält unsere Heldinnen zum Beispiel mit | |
Folgendem: Du bist unwiderruflich benachteiligt und trägst dieses Schicksal | |
aller Frauen auf dem Buckel mit dir herum. Du musst dich freikämpfen. Dazu | |
musst du auf der Karriereleiter ganz nach oben klettern. Männer | |
diskriminieren dich, also geh lieber in einen Frauenzirkel, wo alle | |
solidarisch mit dir sind. Alle Frauen werden diskriminiert, deshalb | |
brauchen wir eine Quote. | |
Das alles stimme vorne und hinten nicht mehr, schreiben die Autorinnen. Die | |
Lage der Frauen sei derart ausdifferenziert, dass sie in einigen Bereichen, | |
etwa der prekären Beschäftigung, eher mit Männern kooperieren müssten als | |
mit ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen, die vielleicht selbst Chefinnen | |
sind und prekäre Arbeit rechtfertigen. | |
## Die nächste Welle Postfeminismus | |
Also: Es gebe sinnvollere Interessengruppen als Geschlechtsgemeinschaften. | |
Weil es kein kollektives Schicksal mehr gebe, seien auch kollektive | |
Lösungen falsch, folgern die zwei. Die Quote lehnen sie deshalb ab, | |
Exfrauenministerin Kristina Schröder wird für sie zu einem Opfer der | |
Feministinnen, pardon: der „Tussikratie“, weil sie angeblich wegen ihrer | |
Kritik an festen Quoten den Posten verlor. | |
Also: individualistische Kritik am Kollektivsubjekt. Woher kannte man das | |
noch? Ah ja, Postfeminismus. Hier kommt die nächste Welle. Töchter von | |
Feministinnen, die zu Hause zu viel über das böse Männergeschlecht und die | |
heroischen, immer benachteiligten Frauen gehört haben. Und nun gegen das | |
ihnen vermittelte Bild aufbegehren. Dass sie keine „Tussis“ persönlich | |
zitieren, ist ein unaufhebbares Manko: So dämlich, wie die zwei glauben, | |
argumentieren Feministinnen meistens nicht. Stattdessen legen die beiden | |
den „Tussis“ Sätze in den Mund, die allenfalls das Unverdaute beinhalten, | |
das sie minderjährig am heimatlichen Küchentisch aufgeschnappt haben | |
müssen. „Einschlagen auf Strohpuppen“, kommentierte jemand auf Twitter –… | |
Recht. | |
Aber hat nicht jeder Jugendprotest einen wahren Kern? Hat er. Es gibt | |
natürlich ein Kollektivierungsproblem im Feminismus. Ein Reduktionismus | |
aufs Geschlecht. Allerdings gibt es auch eine lange und elaborierte Debatte | |
über dieses Problem in der Antidiskriminierungsarbeit: Die Gefahr der | |
Selbststigmatisierung ist natürlich immer vorhanden, wenn man sich als Teil | |
eines diskriminierten Kollektivs kennzeichnet. Ebenso die Gefahr, nur noch | |
Identitätspolitik zu betreiben: Wo Frau, da gut, wo Mann, da schlecht. | |
Viele Aktivistinnen sehen diese Gefahren allerdings ziemlich klar, deshalb | |
haben die beiden Autorinnen ja auch ein Beweisproblem bei ihren | |
Anschuldigungen. Und wenn die Alternative zum Kollektivieren lediglich | |
Individualisieren heißt, dann klingt das eher nach Problem als nach Lösung. | |
18 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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