Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Gleichstellung in der Technik: Nicht mehr allein unter Männern
> Männer dominieren nach wie vor die Podien auf Konferenzen. Die Seite
> speakerinnen.org macht jetzt demonstrativ Expertinnen sicht- und buchbar.
Bild: Weibliche Führungsqualitäten in der Technik - Merkel versucht es jedes …
RightsCon in San Francisco, eine Konferenz rund um das Thema Internet und
Menschenrechte, im März 2014: 68 Prozent der Speaker sind Männer. CeBit
Global Conferences 2014: 94 Prozent Männer. 12. Frankfurter
Medienrechtstage 2014: 89 Prozent Männer. Auch beim taz.lab im April 2013:
66 Prozent Männer.
Die Zahlen, die die feministische Netzaktivistin Anne Roth von
verschiedenen Konferenzen in ihrem Blog „50 Prozent“ sammelt, sind
eindeutig – Frauen sind unterrepräsentiert. Besonders auf technischen
Konferenzen ist die Sichtbarkeit von Expertinnen stark eingeschränkt – was
wiederum zu dem Eindruck führt, es gäbe sie nicht.
Als Rechtfertigung heißt es oft, man hätte ja gerne mehr Frauen auf den
Podien, habe aber leider keine gefunden. Genau dieser Ausrede soll die
Seite [1][speakerinnen.org], die zum Weltfrauentag am 8. März online ging,
den Wind aus den Segeln nehmen: Im Wesentlichen handelt es sich um eine
Datenbank, in der „alle, die sich selbst als Frau verstehen, Profile
anlegen können, um sich, ihre Fachgebiete und bisherige
Konferenzerfahrungen kurz vorzustellen“.
Wer also für seine Veranstaltung ernsthaft anstrebt, Frauen auf den Bühnen
zu haben, soll diese bei speakerinnen.org finden können. Ob das auch
funktioniert? „Wir fragen das so nicht ab und haben deswegen keine Zahlen,
aber es gibt immer wieder vereinzelte Rückmeldungen über Twitter und ich
weiß auch von Leuten, die konkret über die Datenbank nach Speakerinnen
gesucht haben“, sagt Anne Roth.
Obwohl die Seite bewusst für alle Themengebiete angelegt ist, fallen die
Themen mit Internetbezug auf. „Es war ein bisschen Zufall, dass wir zu
Anfang viele Leute hatten, die sich mit Netzfeminismus und Netzpolitik
beschäftigen“, erklärt Anne Roth, „aber das hat natürlich auch damit zu
tun, dass die ersten, die auf Projekte im Netz aufmerksam werden,
diejenigen sind, die sich viel mit Internetthemen beschäftigen.“ Auch Anne
Roth, die als Aktivistin gegen Überwachung aktiv ist, ist als Speakerin vor
allem auf Technikkonferenzen unterwegs. Gerade in diesem Bereich wird es
interessant sein, ob speakerinnen.org als eine von vielen Initiativen etwas
an der Situation von „women in tech“ ändern können.
## Das „Schlumpfine-Syndrom“
Hinter dem englischen Begriff verbirgt sich eine ganz konkrete Problematik:
Die Informatik ist mit 14 Prozent eine von Deutschlands Branchen mit dem
niedrigsten Frauenanteil. Das sind ein paar mehr als in den Vorständen von
DAX-Unternehmen (7,9 Prozent) und der Bundeswehr (9,7 Prozent), aber
weniger als im Journalismus (37 Prozent) oder in der CDU-Fraktion im
Bundestag (24,8 Prozent).
„Ich glaube, alle Programmiererinnen kennen dieses Schlumpfine-Syndrom“,
sagt die Webentwicklerin Daniela Berger. „Ich war fast immer die einzige
Programmiererin in der Firma“. Laut Bitkom, dem Verband der IT- und
Telekommunikationsunternehmen, ist der Anteil der Informatikstudentinnen
auf ein Hoch von 23 Prozent gestiegen, in den Ausbildungsberufen im
IT-Bereich ist der Azubi-Anteil mit 8 Prozent aber immer noch gefährlich
gering. Gerade für die IT-Branche, in der laut Bitkom jedes zweite
Unternehmen unter Fachkräftemangel leidet, wäre es besonders wichtig, auch
mehr IT-Spezialistinnen zu haben.
Helga Hansen, die als Projektleiterin für die Initiative „fiMINT – Frauen
in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik“ arbeitet, warnt
allerdings davor, das Problem nur von diesem Punkt aus anzugehen: Es kommt
in der Politik immer gut an, wenn man neue Programme für Schulen und Unis
zum ’Fachkräftemangel‘ vorschlägt. Viel davon könnte man sich sparen, we…
man einfach GrundschullehrerInnen und KindergärtnerInnen richtig schulen
würde, damit sie zum Beispiel bei den Mädchen nicht nur die schöne
Handschrift loben.“
## Die Kerle und ihr Atari
Das deckt sich auch mit der Erfahrung von Mela Eckenfels, die zehn Jahre
als Systemadministratorin gearbeitet hat: „Ich habe mir mit 23 meinen
ersten Computer gekauft und dann eben selber gelernt, damit umzugehen. Man
merkt natürlich, wie viel Abstand man zu den Kerlen hat, die mit zehn ihren
Atari geschenkt bekamen.“
Nahezu alle Frauen, die im Technikbereich arbeiten (sei es nun als
Webentwicklerin oder im Techniksupport in der Spielentwicklung), haben
genug Anekdoten zu erzählen, wie am Telefon explizit der männliche Kollege
verlangt wurde oder Headhunter für Angebote den Ehemann sprechen wollten.
So wird nicht nur in der Erziehung, sondern auch im Arbeitsalltag immer
wieder deutlich, dass die Gesellschaft keine Frauen (oder zumindest keine
besonders kompetenten) in diesem Bereich erwartet.
Das war nicht immer so: Als allererste Programmiererin wird oft Ada
Lovelace genannt, die den ersten Algorithmus schrieb, bevor es überhaupt
Computer gab. Und als während des Zweiten Weltkriegs im englischen
Bletchley Park Computer genutzt wurden, um die Codes der Deutschen zu
knacken, wurden diese vor allem von Frauen (oft Mathematikerinnen)
programmiert und betreut.
## Von den Männern verdrängt
Damals war man fest davon überzeugt, dass das wirklich Wichtige an einem
Computer die Hardware sei. Das Programmieren wurde als stumpfe Tipparbeit
abgetan, die am besten nebenher von Frauen erledigt werden sollte. Die
Komplexität und Bedeutung dieser Arbeit wurde der Gesellschaft erst nach
und nach bewusst – und schnell wurde die Informatik zu Männerdomäne.
Mit dieser Entwicklung im Hinterkopf versteht man auch, warum der
Frauenanteil unter den Studienanfängern im Fach Informatik bis Anfang der
1980er Jahre auf 22 Prozent stieg, dann aber zu fallen begann. Mit den
jetzt gefeierten 23 Prozent ist man lediglich wieder auf dem Niveau von vor
dreißig Jahren.
Ein anderes Argument, das in Diskussionen über „women in tech“ immer wieder
aufkommt, ist, dass unter Programmierern eine frauenfeindliche Kultur
herrsche. Auch wenn alle Programmiererinnen, die sich für diesen Artikel
geäußert haben, sehr positive Erfahrungen in ihrer Arbeitsumgebung gemacht
haben, werden immer wieder Fälle von Sexismus im IT-Umfeld diskutiert.
## Sexismus in der IT weit verbreitet
Erst im März 2014 hatte Julie Ann Horvath, die als Programmiererin bei dem
bekannten amerikanischen Startup GitHub arbeitete, für Aufsehen gesorgt:
Sie kündigte ihren Job und prangerte in einem Blogeintrag öffentlich die
„respektlosen und sexistischen Verhaltensweisen“ bei GitHub an. Zu einer
angeblich stattgefundenen Untersuchung des Vorfalls schrieb Horvath auf
Twitter, es habe nur Gespräche gegeben, in denen sie weiter beschuldigt
worden sei. Damit entfachte sie eine Diskussion über den Sexismus neu, die
immer wieder hochkocht, oft angestoßen von Witzen oder Verhalten auf
Konferenzen.
Zumindest sorgen diese Fälle dafür, dass die Diskussion nie ganz
einschläft. Und es gibt Konsequenzen: So haben immer mehr Konferenzen einen
„code of conduct“, der Sexismus und andere Diskriminierung verhindern soll.
Natürlich gibt es nicht die eine Antwort auf die Frage, wie man mehr Frauen
für Informatik interessieren könnte. Auch hier werden die Sinnhaftigkeit
von Quoten oder Veranstaltungen nur für Frauen debattiert – viele Aspekte
sind aus anderen Gleichstellungsdiskussionen bekannt.
Dass die Frage von „women in tech“ so viel diskutiert wird, heißt aber noch
lange nicht, dass das eigene Geschlecht Thema sein muss, wenn
Programmiererinnen zusammenkommen. Mela Eckenfels, die mehrmals bei dem
Sommerprogramm „Informatica Feminale“ der Uni Bremen unterrichtete,
beschreibt das Programm so: „Die Leute in meinen Kursen waren immer super
motiviert und überzeugt – einfach gut.“
23 Apr 2014
## LINKS
[1] http://speakerinnen.org
## AUTOREN
Katharin Tai
## TAGS
Quote
Pro Quote
Feminismus
Emanzipation
Frauenrechte
Gleichstellung
Feminismus
Feminismus
Frauenquote
Frauenförderung
Frauen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Computerkurse für Frauen in Berlin: Zwischen Empowerment und Systemkritik
Im Frauen Computer Zentrum vermitteln IT-Trainerinnen den Umgang mit
Rechner, Internet, Social Media und KI. Damit ebnen sie Frauen Wege in den
Beruf.
Internet-Stiftung ohne Frauen: Männerfestspiele, immer noch
Eine neue Stiftung will die deutsche Internetwirtschaft fördern. Im Beirat
sitzt viel Prominenz – nur keine weibliche.
Frauenanteil auf Podien: Wenn Männer die Welt erklären
Wenn öffentlich diskutiert wird, sind die Akteure meist männlich. Darauf
weist das Projekt „50 Prozent“ hin – Alternativen inklusive.
Feministische Plattform: Saufen statt Bascha Mika
Grüne Frauen haben jetzt ihre eigene Netzplattform. Man hofft auf Debatten
von außen. Männer und Nicht-Grüne dürfen auch mitmachen.
Neues antifeministisches Buch: Prügel für Strohpuppen
Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling erfinden und bekämpfen die
„Tussikratie“. Dumm nur, dass es ihre Gegnerinnen gar nicht gibt.
Kommentar zur Frauenquote: Mehr Erfolg, mehr Macht, mehr Geld
Fest oder Flexi? Beides wollen die beiden SPD-MinisterInnen Schwesig und
Maas in ihren „Leitlinien“ für mehr Frauen in Topjobs.
Informatik-Studiengang nur für Frauen: 100 Prozent Quote
Frauen sind in den technischen Fächern gewöhnlich in der Minderheit. Ein
Studiengang an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft ist für
Männer deshalb tabu.
Özkan und Amtsberg über weibliche Politik: „Frauen sind überlegter“
Die grüne Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg und Niedersachsens
Ex-Sozialministerin Aygül Özkan über die Streitkultur von Frauen im
politischen Betrieb.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.