# taz.de -- Miley Cyrus in Köln: Schöne Bilder, öde Musik | |
> Bunter war's bei den Beatles auch nicht: Miley Cyrus bietet in Köln viele | |
> Eindrücke. Und das Glück der anwesenden Teenies tröstet über den Rest | |
> hinweg. | |
Bild: Toll für Grundschülerinnen: Miley Cyrus' Bühnenshow in Köln. | |
KÖLN taz | Im Vergleich zu anderen Journalisten haben wir Popschreiber ja | |
ein vergleichsweise leichtes Leben. Wir schauen uns ein Video an, zum | |
Beispiel von Miley Cyrus und schreiben einen schlau klingenden Text | |
darüber. Wenn wir besonders schlau wirken wollen, lesen wir ein paar | |
Facebook-Kommentare zu eben diesem Text, schreiben dann einen neuen Text | |
darüber und nennen das „Popdiskurs“. Das einzige Problem bei der ganzen | |
Sache: Wir müssen mit dem leichten Unwohlsein leben, das vielleicht alles | |
doch ganz anders ist, als es sich vorm Laptop sitzend darstellt. | |
In solchen Fällen gehen wir zur Klärung des Sachverhalts auf ein Konzert, | |
zum Beispiel zu Miley Cyrus in Köln. | |
Als ich an der Lanxess-Arena ankomme, brummt der Bass schon über die Gänge, | |
unterbrochen vom Kreischen aus Teenager-Kehlen. „Muss voll sein“, denke | |
ich, betrete die Halle und bin enttäuscht. Gut ein Drittel der Sitze ist | |
frei, selbst vor der Bühne wäre noch ein wenig Platz gewesen. | |
Auf der Bühne ist die Party dagegen in vollem Gange. Hinten tanzen ein paar | |
Teddy-Bären, auf der Leinwand sind Cartoons zu sehen. Die hat der Schöpfer | |
der tollen Zeichentrickserie „Ren und Stimpy“ gezeichnet. Und zwischen all | |
dem tanzt und singt sie: Miley. Die Haare zum kurzen Bob geschnitten, die | |
Klamotten zum kurzen Pofreien geschneidert. | |
## Feminismus oder Ausbeutung? | |
Gleich zu Beginn praktiziert sie ihren Signature-Move: Den linken Arm über | |
den Kopf strecken, die Beine auseinander und dann zielgenau mit der Hand da | |
hinlangen, wo sich eigentlich nur Männer auf der Bühne anfassen dürfen. Und | |
bei jedem dieser Moves kreischt die Halle das schönste Pubertätskreischen. | |
Die Frage, die wir Schreiber immer aufwerfen, ob Mileys Sexualität jetzt | |
selbstbewusst feministisch oder eine neue Stufe der biopolitischen | |
Ausbeutung ist, beantworten Mileys Fans mit einem klaren „feministisch“ – | |
ohne es so zu formulieren, versteht sich. | |
Bei „Adore You“ fordert Miley ihre Fans auf, sich zu küssen – „mit Zun… | |
Die Kamera zeigt ins Publikum und auf der Leinwand knutschen beste | |
Freundinnen, schwule Pärchen und selbstverständlich ein paar Heteros. Und | |
einige beabsichtigte Zungenküsse enden halt dann doch nur als Wangenkuss. | |
Den Rest der Zeit ist Miley damit beschäftigt, meinen Kopf mit Bildern zu | |
füllen: Rapper mit Riesenköpfen, ein zwanzig Meter hoher Huskie mit | |
Laseraugen, Miley als Photoshop-Collage, Miley als Computeravatar, Miley | |
reitend auf einem gigantischen Hot Dog in Richtung Hallendecke – bunter | |
war's im gelben Unterseeboot der Beatles auch nicht. | |
Aber je schöner die Bilder, desto öder die Musik. Mileys Songs sind | |
letzlich verdichtete Bravo-Hits-Compilations. Alles, was irgendwie | |
zeitgenössisch ist, wird untergebracht: Wobblebässe, Trapbeats, ein wenig | |
Autotune. In den besten Momenten gelingt es ihr, über einen | |
saloongeeigneten Country-Rhythmus zu rappen, in den schlimmsten massakriert | |
ihre Reibeisenstimme einen Song von The Smiths. Und klar, „Wrecking Ball“ | |
spielt sie auch. | |
Ganz alleine steht sie auf der Bühne, ohne Abrisskugel und mit ziemlich | |
viel Stoff am Körper. Und alle singen mit. Die Grundschülerin ein paar | |
Meter weiter singt wunderbar schief, neben mir ruft ein Mädchen ihre | |
Freundin an, damit diese mithören kann. Gegen soviel Teenie-Glück kann man | |
einfach nichts haben, selbst wenn der Abend manchmal ein wenig an einen | |
Junggesellinenabschied in der Kölner Altstadt erinnerte. Bei so was war ich | |
übrigens auch noch nicht. Wird demnächst nachgeholt, versprochen. Aber erst | |
muss jemand einen Text darüber schreiben. | |
27 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
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