# taz.de -- Pädophilie-Aufarbeitung der Grünen: Opfer-Hotline wird doch freig… | |
> Lange lehnten die Grünen eine eigene telefonische Anlaufstelle für Opfer | |
> sexueller Gewalt ab. Nun steuert die Partei überraschend um. | |
Bild: Grünen-Chefin Simone Peter will „die Geschichten“ der Betroffenen h�… | |
BERLIN taz | Immer wieder wiesen prominente Grüne diese Forderung zurück: | |
eine eigene Anlaufstelle für Opfer sexueller Gewalt? Davon wollte die | |
Parteispitze nichts wissen, als sie sich im Bundestagswahlkampf 2013 der | |
Debatte über pädophile Verirrungen in der Grünen-Geschichte stellen musste. | |
Knapp ein Jahr später richten die Grünen nun doch eine solche | |
Telefonhotline in der Parteizentrale ein. Das beschloss die von der neuen | |
Parteichefin Simone Peter geleitete „AG Aufarbeitung“, die seit vergangenem | |
Dezember in eigener Sache den Pädophilie-Verstrickungen der Grünen | |
nachgeht. Die Hotline soll ab sofort jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr | |
unter der Telefonnummer 030-28442197 erreichbar sein. Sie richtet sich an | |
alle, die im Zusammenhang mit der grünen Pädophilie-Debatte der 1980er | |
Jahre von sexueller Gewalt betroffen waren. | |
Nach Angaben der Partei nimmt eine fachkundige Psychologin die Anrufe | |
entgegen. Sie arbeitete zuvor für das Hilfetelefon des | |
Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung. Die Grünen wollten | |
„konsequent“ ihre Parteigeschichte aufarbeiten, versicherte Parteichefin | |
Peter: „Wir suchen weiter das Gespräch mit Zeitzeugen und Betroffenen, denn | |
wir wollen ihre Geschichten hören.“ | |
Die telefonische Ansprechstelle sei „eine zusätzliche Möglichkeit, mit uns | |
Kontakt aufzunehmen“. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen | |
im Bundestag, Katja Dörner, selbst Mitglied der AG Aufarbeitung, nennt den | |
Schritt „notwendig und sinnvoll“. Den Grünen sei es wichtig gewesen, „bei | |
diesem Thema nichts aus der Hüfte Geschossenes zu machen“, sagte sie in | |
Hinblick auf den Zeitpunkt, „sondern die Hotline auch fachkundig zu | |
besetzen“. | |
## Spät und überraschend | |
Der Kurswechsel der Grünen kommt ebenso spät wie überraschend. Fachleute | |
wie der Missbrauchsbeauftragte der Regierung Johannes-Wilhelm Rörig hatten | |
schon vor einem Jahr für die Einrichtung einer solchen Anlaufstelle | |
plädiert. Doch die damalige Führungscrew der Grünen aber sah keinen Bedarf. | |
Die frühere Grünen-Chefin Claudia Roth etwa argumentierte, ihre Partei | |
dürfe nicht die Instanz sein, „die definiert, wer ein Opfer ist und wer | |
nicht“. | |
Betroffene wollte Roth lieber an den Göttinger Politologen Franz Walter | |
weiterreichen, den die Partei mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung ihrer | |
Pädophilie-Verstrickungen beauftragt hatte. Walter allerdings ließ wissen, | |
sein Team sei „fachlich nicht qualifiziert“, sich um die Opfer zu kümmern. | |
Auch im Einsetzungsbeschluss für die 16-köpfige grüne AG Aufarbeitung war | |
von einem Opfertelefon noch keine Rede. Stattdessen wurde für Betroffene | |
und Zeitzeugen die E-Mail-Adresse [1][[email protected]] eingerichtet. | |
Doch dort gingen in den vergangenen neun Monaten offenbar nur wenige Mails | |
ein, vor allem solche von Zeitzeugen. | |
Fachleute erstaunt das nicht. Auch bei ihnen gingen grundsätzlich mehr | |
Anrufe ein als E-Mails, sagt Jörg Schuh von der Berliner | |
Opferberatungsstelle „Tauwetter“. Zumal die Betroffenen bei einer | |
professionell besetzten Hotline sicher sein könnten, mit einer unabhängigen | |
Person zu reden. Das sei wichtig. | |
## Nicht leicht genug auffindbar | |
„Für viele Betroffene ist es leichter, einen ersten Kontakt telefonisch und | |
anonym herzustellen und nicht per Brief oder Mail“, sagt auch der | |
Missbrauchsbeauftragte der Regierung. Außerdem sei die von den Grünen | |
geschaltete Mailadresse vermutlich nicht leicht genug auffindbar gewesen. | |
„Wir haben die Erfahrung gemacht, wenn Hilfeangebote gut bekannt gemacht | |
werden, werden sie auch genutzt.“ | |
Rörig weist zudem auf eine weiteres Hindernis hin: Wahrscheinlich sei es | |
für einige Betroffene schwer, „sich überhaupt als Betroffene zu sehen“. S… | |
müssten lange zurückliegende Erlebnisse umdeuten, „die im Zuge des | |
Zeitgeists als sexuelle Erfahrungen codiert waren, aber eigentlich | |
Gewalterfahrungen waren“, erläutert er. Eine Hotline könne deshalb „neben | |
Hilfe und Beratung auch eine wichtige Orientierung“ in solchen Fällen | |
geben. | |
Die neue telefonische Anlaufstelle der Grünen wertet Rörig als „ein | |
wichtiges Signal an Betroffene, Politik und Gesellschaft“. Leider starte | |
das Angebot aber zu spät, um die Auswertungen noch in den Abschlussbericht | |
der Göttinger Wissenschaftler aufzunehmen. Das Team um Franz Walter will | |
seine Ergebnisse im November veröffentlichen, die Grünen-Arbeitsgruppe erst | |
Mitte 2015. | |
20 Aug 2014 | |
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## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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