| # taz.de -- Medialer Umgang mit der NPD: Keine Märtyrer schaffen | |
| > Bei der Sachsen-Wahl blieb ein Eklat in Interviews mit NPD-Vertretern | |
| > aus. Das war nicht immer so. Doch die Journalisten haben gelernt. | |
| Bild: Zwischen kritisch beäugt und ignoriert: Sachsens NPD-Spitzenkandidat Hol… | |
| BERLIN taz | „Seien sie bitte still! Seien sie bitte still!“ Am Abend der | |
| sächsischen Landtagswahl 2004 endete ein ZDF-Interview mit dem | |
| NPD-Spitzenkandidaten Holger Apfel im Eklat. Moderatorin Bettina Schausten | |
| wirkte sichtbar überfordert angesichts der Tiraden, die Apfel im Wahlstudio | |
| von sich gab. Auch die Vertreter der anderen Parteien hatten der | |
| Provokation nichts Inhaltliches mehr entgegenzusetzen, sie hatten die Runde | |
| bereits verlassen. | |
| Am vergangenen Sonntag, zehn Jahre später, blieben solcherlei Skandale aus. | |
| „Parteien und Medien sind im Umgang mit der NPD souveräner und | |
| professioneller geworden“, sagt MDR-Chefredakteuer Stefan Raue, der am | |
| Wahlabend den ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten Jürgen Gansel und den | |
| Spitzenkandidaten Holger Szymanski interviewte ([1][zu sehen auf einem | |
| Youtube-Kanal der NPD]). | |
| Doch auch in dem Gespräch mit Gansel kam es zu einer kritischen Situation. | |
| Als der nun Arbeitslose mit erhobener Stimme über „Asylantenflut“, | |
| „Islamisierung“ und „westdeutsche Überfremdungszustände“ schwadronier… | |
| die anderen Politiker der Runde bereits zu murren begannen, unterbrach ihn | |
| Raue mit dem Hinweis: „Wir machen hier keinen Wahlkampf“. Das trug dazu | |
| bei, die Runde „sauber und ohne Eklat zu Ende zu kriegen“, wie Raue es | |
| ausdrückt. | |
| Während Raue, der einen äußerst sachlichen Eindruck vermittelte, großen | |
| Wert darauf legt, dass sich Reporter im Umgang mit NPD-Vertretern | |
| „disziplinieren, nicht provozieren lassen und professionell Fragen | |
| stellen“, verschärfte seine MDR-Kollegin Uta Deckow in ihrem Interview mit | |
| dem letzten NPD-Fraktionsvorsitzenden Johannes Müller die Gangart. | |
| Ihre Eingangsfrage leitete sie mit dem Hinweis ein: „Den Dank an die Wähler | |
| schicken sie garantiert auch voraus, sie sagen garantiert auch, dass ihre | |
| Wahlplakate zerstört worden sind – das können wir uns jetzt vielleicht an | |
| der Stelle sparen.“ Auf die dann folgende Frage, was seine Fraktion denn | |
| nun im Landtag „mit dem Wählervotum konstruktiv anfangen“ wolle, reagierte | |
| Müller geradezu eingeschüchtert. Das mag daran liegen, dass Müller nicht zu | |
| den größten Haudraufs seiner Partei zählt, andererseits schien es auch so, | |
| dass Müller schon in dieser Frage erkannt hatte, dass ihm hier Grenzen | |
| aufgezeigt werden. | |
| ## „Gerichtsfeste Begründung“ notwendig | |
| Beide Strategien, die nüchterne wie die etwas forschere, führten dazu, dass | |
| sich die NPDler, die zu dem Zeitpunkt der Gespräche noch mit ihrem | |
| Landtagseinzug rechnen konnten, nicht über Gebühr produzieren konnten. | |
| Gleichzeitig nahmen sie ihnen die Möglichkeit, sich hernach als Opfer der | |
| „Propagandamedien“ zu inszenieren. Märtyrer schaffen, weil man die | |
| Gesprächspartner von Rechtsaußen gar nicht zu Wort kommen lässt oder allzu | |
| brüsk unterbricht, möchte man nicht. | |
| Nach den anfänglich so negativen Erfahrungen in Live-Interviews mit | |
| Vertretern der Nazi-Partei, setzte der „große Kater“ ein, wie es Raue | |
| nennt, und man begann, sich beim MDR intensive Gedanken über die richtige | |
| Strategie zu machen. Seit einiger Zeit bündelt der Mitteldeutsche Rundfunk | |
| diese Arbeit in einer AG Rechtsextremismus. Dort kommen in regelmäßigen | |
| Abständen Journalisten der drei Landesfunkhäuser aus Sachsen, | |
| Sachsen-Anhalt und Thüringen zusammen. Immer wieder trifft man sich zu | |
| Seminaren, in denen etwa der richtige Umgang in Gesprächen mit Nazi-Kadern | |
| erprobt wird. | |
| Dass ein Sender um die Gespräche herumkommen könnte, glaubt Raue nicht. | |
| Wenn eine Partei zu einer Sendung nicht eingeladen wird, klagt sie vor | |
| Gericht, und dann braucht es eine „gerichtsfeste Begründung“. Es sei „ni… | |
| ausreichend zu sagen, die passen mir nicht“. Fernsehanstalten sind auf der | |
| sicheren Seite, wenn sie jene Parteien in die Runden holen, die | |
| voraussichtlich in Parlamenten politisch wirksam werden. „Hätte die NPD in | |
| der ersten Hochrechnung bei vier Prozent gelegen, hätten wir sie nicht | |
| eingeladen“, so Raue. Für die kommende Landtagswahl in anderthalb Wochen in | |
| Thüringen wäre das das Wunschszenario. | |
| 2 Sep 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.youtube.com/watch?v=lrWElwpnycc | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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