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# taz.de -- Krieg in der Ukraine: „Ein Konflikt wie die Kubakrise“
> Trotz Waffenruhe: Moskau könnte versucht sein, im Kampf um die Ostukraine
> auch Atomwaffen einzusetzen, meint Historiker Dmitri Trenin.
Bild: Überzeugt, das Ausland wolle sich über Russland hermachen: Präsident W…
taz: Herr Trenin, hat die Waffenruhe eine Chance?
Dmitri Trenin: Es ist die Frage wie lange sie hält. Nach jetzigem Stand
erhielten die Rebellen die Möglichkeit, ein zweites Transnistrien
[abtrünnige Republik von Moldawien; Anm. d. Red.] zu schaffen. Das wäre
weder für Kiew noch für den Westen akzeptabel.
Hat Kiew eine Alternative?
Armee und Finanzen sind ausgeblutet. Dennoch setzt man in und außerhalb der
Ukraine auf Eskalation, damit sich Russland dort nicht festsetzt.
Sie nannten Deutschland kürzlich einen der letzten Friedensbroker …
Dass die Kanzlerin beim Treffen der Kontaktgruppe in Minsk im August dabei
war, war sicher kein Zufall. Für einen Erfolg müssten Berlin und Moskau eng
kooperieren. Das ist für viele in der Ukraine und im Westen nicht
hinnehmbar.
Liefe das nicht auf eine neue Sicherheitsarchitektur hinaus?
Die USA sollten die Aufgabe einer neuen europäischen Sicherheitsordnung
Berlin übertragen. Jede Kooperation mit Putin wird im Westen zurzeit wegen
der feindseligen Atmosphäre abgelehnt. Von Russland erwartet man, dass es
die Rolle spielt, die man Moskau vorschreibt: Rückzug und Kapitulation.
Das angeschlagene Verhältnis zu den Amerikanern bietet für eine tragende
Rolle Berlins sicher nicht die nötige Basis.
Trotz aller Unstimmigkeiten gibt es ein Einverständnis in wesentlichen
Grundfragen. Die USA müssten die neue Rolle, in die Deutschland nach dem
Kalten Krieg als Führungsmacht in Europa hineingewachsen ist, anerkennen
und Berlin wie einen annähernd gleichwertigen Partner behandeln. Noch
sträubt sich Washington. Aber auch Gesellschaft und Politik in Deutschland
sind noch nicht dazu bereit.
Würde sich Moskau dann beruhigen?
Ich denke, schon. Auch wenn eine neue Rolle Deutschlands eine härtere
Gangart gegenüber Russland bedeuten würde.
Wie müsste eine Zusammenarbeit mit Moskau aussehen?
Wiederaufbau der Ukraine und die wirtschaftliche Einbindung Kiews seitens
Berlin könnten für eine Neutralisierung der Ukraine sorgen. Daraus könnte
ein Modus vivendi zwischen Europa und Russland entstehen.
Wie verändert der Ukrainekonflikt die Weltordnung?
Niemand weiß, wie sich der Ukrainekonflikt noch entwickeln wird. Was
passiert, wenn der Waffenstillstand gebrochen wird oder wenn der Westen der
Ukraine militärisch hilft und die prorussischen Kräfte aus dem Südosten
vertrieben werden. Dann folgt Putin der Eskalationsspirale. Aus einem
hybriden würde ein vollwertiger Krieg. Eine nukleare Dimension in dieser
Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen. Dann hätten wir einen Konflikt
wie die Kubakrise Anfang der 60er. Nur könnte dieser schlimmer enden.
Einen präventiven Nuklearschlag sieht die Militärdoktrin wegen der
konventionellen Schwächen schon vor …
Wenn der Konflikt für den Kreml einen bestimmten Grad der Bedrohung
erreicht, könnte Moskau seine Entschlossenheit durch den Einsatz von
Atomwaffen beweisen wollen. Die Situation ist gefährlicher als im Kalten
Krieg. Damals konnten sich die USA und die UdSSR wie gleichberechtigte
militärische Kontrahenten verständigen. Heute ist Moskau für die USA kein
ebenbürtiger Gegner. Ein Land, mit dem Washington weder Gespräche führen
kann noch will.
Hinterlässt der Westen nicht den Eindruck, im Umgang mit Russland hilflos
zu sein?
Der Westen nimmt die Ukraine und Russland – trotz Atomwaffen – als
Nebenkriegsschauplatz wahr. Der Westen will sich zwar mit Russland nicht
anlegen, ist aber auch nicht bereit, sich auf für Moskau annehmbare
Bedingungen zu einigen. Außerdem ermutigt er die Ukraine, ohne ihr eine
klare Perspektive zu bieten. Denn an der Ukraine ist der Westen auch nicht
wirklich interessiert. Was wichtiger ist: Russland soll seinen imperialen
Anspruch aufgeben. Den USA ist das sogar unangenehm. Sich mit Russland
beschäftigen zu müssen, gehört der Vergangenheit an.
Dieser Mangel an Zuwendung ist es, die Russland wütend macht.
Es wird so getan, als würden Sanktionen die Probleme lösen. Tatsächlich
fehlt eine Strategie. Dennoch können die USA Russland in der Ukraine nicht
machen lassen, was es will. Washingtons Führungsanspruch würde dadurch
infrage gestellt.
Vergisst Moskau nicht über diesem Liebesentzug, sich mit dem Westen
drängenderen Problemen zuzuwenden: der Gefahr des Islamismus, der
dominanten Rolle Chinas …
China ist Russlands einziger seriöser Partner, und dies wohl auf lange
Zeit. Langfristig bedeutet das, Russland wird sich in Abhängigkeit von
Peking begeben. Viele sind in Russland dagegen, weil die Chinesen weitaus
mehr profitieren würden.
Kämpfen in der Ukraine zwei Zivilisationsmodelle?
Im Unterschied zur Ukraine stellt in Russland der Staat den größten Wert
dar. Wir sind eine Autokratie, die sich auf den Zuspruch der Bevölkerung
stützt. Nun ist auch die Ukraine noch keine Demokratie, selbst wenn es dort
pluraler zugeht. Moskau brauchte die Ukraine als Pufferzone eigentlich
nicht mehr. Für Russland hat der Konflikt auch eine innenpolitische
Dimension. Die Angst vor dem Maidan. Der engere Zirkel um Präsident Putin
glaubt, die USA hätten einen Geheimplan, sie wollten den Präsidenten
stürzen. Ihre Antwort wird kompromisslos ausfallen.
Wird die Gefahr durch die Nato nicht aufgebauscht?
Das ist stark übertrieben, wie alle vermeintlichen Bedrohungen der letzten
Jahre, sei es durch die Zivilgesellschaft oder die farbigen Revolutionen.
Aber es zeigt, wie unsicher der Kreml ist. Putin ist überzeugt, das Ausland
wolle sich über Russland hermachen und sich dessen Ressourcen aneignen.
Diese Wahrnehmung regiert die russische Politik.
6 Sep 2014
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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