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# taz.de -- Verfassungsschutz-Film im WDR: Banale Observanten
> Falsche Bärte, Perücken und Brillen: In „Spitzel und Spione“ zeigen sich
> Verfassungsschützer als Menschen – und Beamte.
Bild: Ein bisschen Agentenromantik.
So viele Verfassungsschützer in einer Fernsehsendung, das gab es wohl noch
nie. Für den Film „Spitzel und Spione“ wurden vierzig
Verfassungsschutzbeamte befragt, darunter auch ein Dutzend „Geheimagenten“.
Geheimagenten beim Verfassungsschutz?
Na ja, es geht um banale Observanten, die Staatsfeinde beobachten und meist
nur warten, dass überhaupt etwas passiert. Wenn es ganz aufregend wird,
fahren sie mal mit Tempo 200 auf der Autobahn – oder brechen sogar
Verkehrsregeln. Im Film tragen sie falsche Bärte, Perücken und Brillen. Das
war die Bedingung für ihre Beteiligung, schließlich können
Verfassungsschützer nicht einfach so im Fernsehen auftreten. Die
Filmemacher Holger Schmidt und Egmont R. Koch haben der Maskerade
vermutlich gerne zugestimmt, denn sie gibt den vielen Interview-Schnipseln
optischen Pep und verbreitet zugleich ein bisschen Agentenromantik.
Und was sind das nun für Typen, die Observanten, V-Mann-Führer und
Auswerter? Der eine war vor allem am Beamtenstatus interessiert, der andere
fand es am Anfang spannend, mehrere Identitäten zu haben und einen
Panzerschrank im Büro. Manche finden den NSA-Whistleblower Ed Snowden gut,
andere schimpfen auf den Geheimnisverrat. Einer Beamtin aus Sachsen-Anhalt
fällt es schwer zu lügen, und die Ehe einer Auswerterin aus
Baden-Württemberg ging kaputt, weil sie abends so oft weg musste. Kurz: Es
sind recht normale und ganz unterschiedliche Menschen, die sich da
präsentieren. Weil man so etwas selten sieht, ist der Film durchaus ein
Dokument.
Ein bisschen erfährt man auch über die Arbeit der Nachrichtendienstler: So
bezahlt ein V-Mann-Führer seinen Zuträgern nicht nur Spitzellohn, sondern
hilft auch bei Problemen, notfalls sogar mitten in der Nacht. V-Mann-Führer
und Spitzel duzen sich sogar. Der eine V-Mann-Führer würde merken, wenn ihn
seine Spitzel anlügen, der andere findet das vermessen.
## Gute Bube, böser Maaßen
Eigentlicher Anlass für den Film war natürlich die Frage: Warum hat der
Verfassungsschutz bei den NSU-Morden so versagt? Antworten gibt es hierzu
keine – nur Kopfschütteln und Scham. Verfassungsschützer in Brandenburg
wollten sich sogar bei den Opfern entschuldigen, doch Vorgesetzte waren
dagegen.
Immer wieder wird der Exverfassungsschützer und heutige Kritiker Winfried
Ridder eingeblendet, der einen „grundlegenden Umbau“ der
Überwachungsbehörden fordert. Letztlich will er vor allem die Spitzel aus
der Szene durch beamtete „verdeckte Ermittler“ ersetzen. Die aktiven
Verfassungsschützer lehnen das jedoch ab: Zu gefährlich sei das für die
Beamten und zu aufwendig, bis eine glaubwürdige Legende steht. Viel ändern
würde es wohl auch nicht.
Am spannendsten ist der Film dann, wenn er seinen eigenen
Entstehungsprozess thematisiert. Als Erste erlaubte die
baden-württembergische Amtschefin Beate Bube dem Filmteam Gespräche mit
ihren Mitarbeitern. Das Team quartierte sich daraufhin eine Woche im Keller
der Stuttgarter Behörde ein. Später folgten andere Landesbehörden.
Das Bundesamt in Köln sagte jedoch erst nach einem halben Jahr zu, und
sprang dann bald wieder ab. Hans-Georg Maaßen, der Präsident des
Bundesamts, werde in keinem Film mitwirken, in dem auch der Kritiker Ridder
zu Wort komme.
Bube ist also gut, Maaßen ist böse. Die Kooperation mit dem Fernsehteam
wird von diesem dramaturgisch zum Test überhöht, ob beim Verfassungsschutz
überhaupt Reformbereitschaft besteht.
13 Oct 2014
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Verfassungsschutz
Spielfilm
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BND
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Verdeckte Ermittler
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Grüne
NSU-Prozess
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Corelli
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