| # taz.de -- Straftaten verdeckter Ermittler: Legal, illegal, ... | |
| > Das Innenministerium will eine rechtliche Grundlage für verdeckt | |
| > arbeitende Mitarbeiter schaffen. Polizeibehörden nutzen bereits | |
| > spitzelnde Beamte. | |
| Bild: Möglicherweise sind auf diesem Bild zwei Beamte zu sehen. | |
| BERLIN taz | Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll bald die | |
| ausdrückliche Befugnis bekommen, verdeckte Ermittler in extremistische | |
| Szenen einzuschleusen. Das sieht ein Referentenentwurf des | |
| Bundesinnenministeriums vor. | |
| Das Ministerium will mit der Neuregelung vor allem einen Freibrief für | |
| bestimmte Straftaten einführen. V-Leute und verdeckte Mitarbeiter sollen | |
| straffrei bleiben, wenn sie sich kriminellen oder terroristischen | |
| Organisationen anschließen oder wenn sie milieuspezifische Straftaten | |
| begehen, etwa den Hitlergruß zeigen. Da das Verfassungsschutzgesetz des | |
| Bundes die verdeckten Mitarbeiter bisher aber noch gar nicht erwähnte, muss | |
| ihre Existenz jetzt erstmals ausdrücklich legalisiert werden. | |
| Verdeckte Ermittler sind Beamte oder Angestellte der Sicherheitsbehörden, | |
| die sich unter einer Legende für längere Zeit in linke, rechte oder | |
| islamistische Szenen begeben. Beim Verfassungsschutz werden sie „verdeckte | |
| Mitarbeiter“ genannt. Die Alternative zu verdeckten Ermittlern sind | |
| V-Leute. Die „Vertrauensleute“ sind selbst Extremisten, die gegen | |
| Spitzelhonorare ihre Gesinnungsgenossen verraten. | |
| Bisher hieß es im Gesetz nur, das Bundesamt darf Methoden zur heimlichen | |
| Informationsbeschaffung nutzen – „wie den Einsatz von Vertrauensleuten“. | |
| V-Leute wurden also genannt, nicht aber verdeckte Mitarbeiter. Eine | |
| vollständige Liste der zulässigen Methoden findet sich in einer | |
| Dienstvorschrift, die der Bundesinnenminister absegnen musste. Dort sind | |
| wohl auch „verdeckte Mitarbeiter“ aufgeführt. Im Bundestag kennen nur die | |
| Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums diese Dienstvorschrift. | |
| ## Widersprüchliche Informationen | |
| Ob das Bundesamt bereits jetzt schon Mitarbeiter in vermeintlich | |
| extremistische Szenen einschleust, ist unklar. Die Informationen aus dem | |
| Amt sind widersprüchlich. Mal heißt es, der Bundesverfassungsschutz nutze | |
| auch dieses Instrument; mal wird behauptet, verdeckte Mitarbeiter spielten | |
| überhaupt keine Rolle. | |
| Nur wenige Fälle sind bekannt. So bespitzelte von 1998 bis 2001 eine | |
| „Kirsti Weiß“ genannte Mitarbeiterin des Bundesamts die linke Szene in | |
| Hannover, insbesondere den Widerstand gegen die Expo 2000. Sie wurde sogar | |
| Pressereferentin des AStA, offenbarte sich im Sommer 2002 aber einer | |
| Freundin. | |
| Noch älter ist der Fall eines verdeckten Mitarbeiters, der sich „Lutz“ | |
| nannte und 1983 antiimperialistische Gruppen in Frankfurt ausforschen | |
| sollte. Er fand zwar Zugang, verbrachte die Wochenenden aber immer in | |
| seiner Privatwohnung in Köln – was in der Szene Misstrauen erregte. Der | |
| Mann wurde deshalb von Vermummten 16 Stunden an einen Stuhl gefesselt, | |
| bekam nichts zu essen, nichts zu trinken und durfte nicht aufs Klo. Er | |
| wurde sogar mit dem Tod bedroht, damit er alles über den ihm vom | |
| Verfassungsschutz erteilten Auftrag erzählte. | |
| ## Gefährlich und aufwendig | |
| Wegen solcher Risiken lehnen viele Landesämter den Einsatz verdeckter | |
| Mitarbeiter generell ab. Er sei für die Beamten zu gefährlich, auch sei der | |
| Aufbau einer glaubwürdigen Legende zu aufwendig. Nach dem | |
| NSU-Ermittlungsdesaster gab es aber auch Stimmen, die einen vermehrten | |
| Einsatz verdeckter Mitarbeiter forderten, da diese zuverlässiger seien als | |
| zwielichtige V-Leute. So argumentierten etwa Holger Stahlknecht, der | |
| CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt, und der Buchautor Winfried Ridder, | |
| ehemals Referatsleiter für Linksextremismus im Bundesverfassungsschutz. | |
| Die Polizei setzt verdeckte Ermittler dagegen regelmäßig vor allem gegen | |
| die organisierte Kriminalität ein – etwa im Drogenhandel –, aber auch im | |
| Staatsschutz. Hier gibt es auch eindeutige Rechtsgrundlagen in der | |
| Strafprozessordnung und in vielen Landespolizeigesetzen. | |
| Zuletzt wurde der Einsatz einer verdeckten Ermittlerin namens „Iris | |
| Schneider“ bekannt, die das Landeskriminalamt (LKA) Hamburg von 2000 bis | |
| 2006 auf das autonome Kulturzentrum Rote Flora angesetzt hatte. Im Jahr | |
| 2010 flog „Simon Brenner“ auf, den das LKA Stuttgart in die | |
| studentisch-linke Szene von Heidelberg eingeschleust hatte. | |
| 5 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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