# taz.de -- Flüchtlinge in der Ukraine: Der Kampf um die Wohnungen | |
> Bis zu 400.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet sind in andere Landesteile | |
> geflohen. Sie suchen eine Bleibe und stehen vor einer ungewissen Zukunft. | |
Bild: Lager in Lugansk: Flüchtlinge, die bei Verwandten untergekommen sind, we… | |
KIEW taz | „Sie sind nicht zufällig aus Donezk?“ Wer heute in der Ukraine | |
eine Wohnung sucht, muss sich diese Frage anhören. Und wenn er sie bejaht, | |
hat er schlechte Karten. Niemand vermietet gern an einen Bewohner, der in | |
Donezk oder Lugansk gemeldet ist. Viele Vermieter fürchten, dass aus einer | |
scheinbar alleinstehenden Frau aus dem Osten wenig später eine Großfamilie | |
werden könnte. Da junge Familien aus dem Osten per Gesetz nicht aus einer | |
einmal angemieteten Wohnung geräumt werden dürfen, sind Vermieter sehr | |
vorsichtig. | |
Nach Angaben der ukrainischen Migrationsbehörden haben sich mindestens | |
250.000 Bewohner der umkämpften Gebiete in der Ostukraine auf die Suche | |
nach einer neuen Bleibe innerhalb des Landes gemacht. Flüchtlinge, die bei | |
Verwandten untergekommen sind, werden aber in keiner Statistik erfasst. | |
Sozialministerin Ljudmilla Denisowa geht von 400.000 Binnenflüchtlingen | |
aus. | |
Vor diesem Hintergrund sind die Kiewer Mieten in der jüngsten Zeit um 20 | |
bis 30 Prozent gestiegen, in Dnepropetrowsk und Tscherkassy gar um 150 bis | |
200 Prozent. Während man in Vorkriegszeiten am Stadtrand von Kiew eine | |
kleine Wohnung für 150 Euro im Monat bekam, in kleineren Provinzstädten | |
sogar für 50 bis 80, liegen die Preise nun bei 170 bis 250 Euro am | |
Stadtrand von Kiew und 100 bis 150 Euro in einer Provinzstadt. | |
Für viele Leute sind solche Mieten ein Monatslohn. „Ich arbeite in einem | |
Geschäft für Autoersatzteile, meine Frau ist Krankenschwester in einer | |
privaten Klinik. Insgesamt kommen wir auf ein monatliches Einkommen von | |
10.000 Griwen (560 Euro)“, empört sich der 32-jährige Andrej. „Angesichts | |
der neuen Mieterhöhungen müssen wir unseren halben Monatslohn für die Miete | |
aufwenden. Wovon sollen wir jetzt leben? Gut, dass wir keine Kinder haben.“ | |
Andrej weiß, wer die Schuldigen dieser Misere sind: die Binnenflüchtlinge | |
und die Regierung. | |
## Ersparnisse gehen zur Neige | |
Die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt sorgt für Spannungen zwischen | |
Binnenflüchtlingen und Kiewer Bevölkerung. Während Flüchtlinge oftmals | |
bereit sind, jeden Preis zu bezahlen, in der Hoffnung, sie könnten bereits | |
nach wenigen Monaten wieder in ihre Häuser im Donbass zurückkehren, sehen | |
sich viele Kiewer außerstande, mit den neuen Preisen mitzuhalten. Und weil | |
die Rückkehr in den Donbass sich nun doch nicht so schnell einstellt, gehen | |
unter den Flüchtlingen mittlerweile die Ersparnisse zur Neige. | |
Denis und Alina hatten vor dem Krieg ein gut gehendes Lebensmittelgeschäft | |
in Donezk. Das Paar konnte sich sogar ein paar Filialen aufbauen. Als der | |
Krieg kam, mussten sie ihre Geschäfte schließen, weil weder Lieferungen | |
noch Kunden kamen. Und so hatten sich Denis und Alina auf den Weg nach Kiew | |
gemacht, wo sie mit Mühe eine Wohnung fanden. | |
„Lange reichen unsere Ersparnisse nicht mehr“, klagt Alina. „Und da wir d… | |
Miete nicht mehr bezahlen können, wird man uns wohl früher oder später aus | |
der Wohnung werfen. Und dann bleibt uns nur noch die Rückkehr nach Donezk.“ | |
Alina weiß, wie gefährlich das wäre. Sie weiß von den regelmäßigen | |
Schusswechseln, denen immer wieder Zivilisten zum Opfer fallen. | |
Alinas Familie muss sich entscheiden: entweder die Rückkehr in den Krieg – | |
oder die offizielle Anmeldung als Binnenflüchtling. In letzterem Fall wird | |
sie mit dem zufrieden sein müssen, was die Behörden anbieten: Unterkünfte | |
in ehemaligen Touristenwohnungen am Stadtrand, ausgelegt für Sommergäste. | |
17 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Andrej Nesterko | |
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