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# taz.de -- Klimapolitik der EU: Weltrettung nur gegen Bares
> Auf dem EU-Gipfel soll das versprochene Klimaziel für 2030 verabschiedet
> werden. Dafür muss vor allem Polen mit viel Geld überzeugt werden.
Bild: Auch in Polen werden vereinzelt erneuerbare Energien genutzt
BERLIN taz | In den letzten Jahren sah die Energie- und Klimapolitik in der
EU oft so aus: Eine große Mehrheit war für mehr Anstrengungen – Polen sagte
Nein. Und weil sich hinter Polen auch Länder wie Ungarn, Tschechien und die
Slowakei versteckten, ging in Sachen Klimaziele sehr wenig.
Nun könnte sich das ändern: Bei der Präsentation der „2030 Klima und
Energiepolitik“ auf dem EU-Gipfel am 23. und 24. Oktober in Brüssel wollen
die Regierungschefs die nächste Blamage vermeiden und endlich das lange
versprochene europäische Angebot für einen internationalen Klimadeal im
Dezember 2015 auf den Tisch legen. Das aber heißt: Polen muss mit ins Boot.
Die Chancen dafür sind schwer zu kalkulieren. Noch eine Woche vor dem
Gipfel waren nur 14 der 28 EU-Staaten bereit, den Vorschlag für neue
Klimaziele zu unterschreiben. In den Hinterzimmern von Brüssel und im
Kanzleramt wurde mit Hochdruck verhandelt.
Andererseits ist die Gelegenheit so günstig wie lange nicht. So sickerte
zehn Tage vor dem Gipfel ein internes Papier der EU-Kommission durch, in
dem davon die Rede war, Polen sei von einem Deal nicht überzeugt, arbeite
aber „in einer Haltung, ein Abkommen nicht zu blockieren“, wenn es
Finanzhilfen bekomme, um seinen Energiesektor zu modernisieren.
## Emissionsrechte neu verhandeln
Außerdem möchte der frisch gebackene EU-Ratspräsident, der ehemalige
polnische Ministerpräsident Donald Tusk, seinen Amtsantritt nicht mit einer
Blockade seines Heimatlandes begleiten. Und schließlich haben die
EU-Staaten einen Hebel in der Hand, um Polen auf einen grüneren Kurs zu
bringen: Auch die Zuteilung der Emissionsrechte, die Polen und die anderen
Ostländer bislang bevorteilt, wird neu verhandelt.
In dem Entwurf für den EU-Beschluss, der der taz vorliegt, werden die
ärmeren Länder weiterhin geschont: Bisher bekommen Staaten, die weniger als
90 Prozent der durchschnittlichen EU-Wirtschaftsleistung erbringen, 10
Prozent aller Verschmutzungsrechte für den Emissionshandel vorab und
kostenlos zugeteilt.
Selbst wenn diese Kriterien künftig schärfer gefasst würden, würden die
Polen weiterhin davon profitieren. Bisher hat diese indirekte Subvention
allein die polnische Kasse jährlich mit etwa 1,5 Milliarden Euro gefüllt.
Zusätzlich wird wie bisher die Last der Emissionsreduzierung
unterschiedlich verteilt: Die reichen Länder müssen mehr reduzieren als die
armen.
Erreichen will der Rat damit ein Paket, mit dem sich die EU auf den
UN-Klimaverhandlungen sehen lassen kann: eine Reduzierung der
CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990; einen EU-weiten
Anteil von 27 Prozent von Ökoenergien am Strom und eine Steigerung der
Energieeffizienz auf 30 Prozent. Ein „ehrgeiziges Ziel“ nennt das die
scheidende Klima-Kommissarin Connie Hedegaard, denn bisher standen diese
Ziele bis 2020 bei jeweils 20 Prozent.
## Subventionen sind der Dreh
Wenn Polen und seine Verbündeten vom Klimaschutz zu überzeugen sind, so das
Kalkül in Berlin und Brüssel, dann mit Geld. So könnten die Subventionen
durch die freie Zuteilung der Emissionsrechte in Zukunft nur noch
zweckgebunden für Sanierungen in Kraftwerken oder innovative Technik
vergeben werden. Vor allem in Polen könnte man damit eine Menge bewirken:
Das Land steht vor dem Problem einer völlig veralteten Infrastruktur im
Energiebereich.
Bis 2030 werden nach Angaben der Vereinigung der europäischen
Stromnetzbetreiber Kohlekraftwerke mit einer Leistung von insgesamt etwa 8
Gigawatt vom Netz gehen, weil sie den Anforderungen an den
Schadstoffausstoß nicht mehr entsprechen oder schlicht zu alt sind. Damit
fiele fast ein Drittel der Kohlekapazitäten weg, Neubaupläne gibt es
bislang nur für die Hälfte dieses Betrags.
Und im augenblicklichen Wahlkampf in Polen machen viele Parteien Front
gegen den Klimaschutz: Bei einer Einigung in Brüssel drohten dem Land bis
zu 80 Prozent höhere Strompreise, warnen sie.
20 Oct 2014
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Polen
Subventionen
EU-Gipfel
Intransparenz
Energieversorgung
CO2-Emissionen
EU
Urteil
Protestcamp
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Atomkraft
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