| # taz.de -- Diebstahl der Mauertoten-Kreuze: Theater um 14 weiße Kreuze | |
| > Linke Extremisten? Nein: Kunst! Nach dem Diebstahl der Gedenkkreuze soll | |
| > eine Performance entstehen, inklusive Hausdurchsuchung. Der Staatsschutz | |
| > ermittelt. | |
| Bild: So sähe es aus, wenn die Gedenktafeln am 9. November immer noch nicht an… | |
| BERLIN taz | Für Dieter Dombrowski, Vizepräsident des Landtags Brandenburg | |
| und Mitglied der CDU, ist die Sache sonnenklar: Bei den Leuten, die am | |
| Bundestag zunächst unbemerkt 14 weiße Gedenkkreuze [1][zur Erinnerung an | |
| die Mauertoten abmontiert] hatten, handele es sich um „linksradikale | |
| Asylrechtsaktivisten“. Und die Frage ist ja berechtigt: Wer Gedenktafeln | |
| abschraubt, um damit Aufmerksamkeit für die Grenzpolitik der EU zu erzeugen | |
| – kann der etwas anderes sein als radikal? Und links? Und Aktivist? | |
| Am Montag hatte sich eine Gruppe des „Zentrums für politische Schönheit“ … | |
| dessen „künstlerischen Leiter“ Philipp Ruch dazu bekannt, jene weißen | |
| Kreuze am Bundestag abgeschraubt zu haben, die dort an Menschen erinnern | |
| sollten, die beim Versuch, aus der DDR zu entfliehen, an der Grenze | |
| ermordet wurden. | |
| Die Gruppe behauptet, diese Kreuze „zu den Schwestern und Brüdern der | |
| Mauertoten“ gebracht zu haben, „die vor Europas Außenmauer auf ihren Tod | |
| warteten“, und verbreitete Fotos von Flüchtlingen an Europas Außengrenzen, | |
| die Nachbildungen der Kreuze in den Händen hielten. Aus Opferverbänden und | |
| aus Reihen der CDU hatte es darüber massive Empörung gegeben. | |
| Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt Berlin, der für politische Delikte | |
| zuständig ist, ermittelt offenbar intensiv, um die Kreuze bis zu den | |
| offiziellen Gedenkveranstaltungen am Wochenende wieder zu ihrem Ausgangsort | |
| zu bringen. Der politische Druck ist hoch: Wie sähe es aus, wenn die | |
| Gedenktafeln am 9. November nicht an ihrem Ort wären? | |
| Doch was wie ein übliches Ermittlungsverfahren klingt, könnte sich in den | |
| kommenden Tagen zu einer Live-Performance der ganz neuen Art entwickeln: | |
| inklusive Hausdurchsuchungen und Staatsanwaltschaft. Denn die Gruppe, die | |
| mit ihrer Aktion auf die Tausenden Toten [2][an Europas Außengrenzen] | |
| aufmerksam machen will, versteht sich als politische Künstlergruppe – und | |
| treibt das Spiel um die Gedenksymbolik weiter voran. | |
| ## In den Bergen von Gourougou | |
| Dem Vernehmen nach hat die Polizei die Gruppe aufgefordert, die Kreuze | |
| auszuhändigen, doch die – ja, was denn: Künstler? Aktivisten? – geben nic… | |
| klein bei: „Wir sind bereit, Duplikate anzubringen, die besser sind als die | |
| Originale“, sagte Ruch am Dienstag der taz. | |
| Die echten Kreuze, so behauptet die Gruppe, befänden sich derzeit bei | |
| malischen Flüchtlingen in den Bergen von Gourougou. „Den Betroffenen und | |
| Angehörigen der Opfer sei aber versichert, dass sie auf jeden Fall ans | |
| Reichstagsufer zurückkehren werden. Nur den 25. Gedenktag des Mauerfalls | |
| wollen und werden sie nicht in Deutschland feiern.“ | |
| Auch in anderer Hinsicht will die Gruppe die Deutungsmacht über ihre Aktion | |
| behalten: „Wir haben ein Stück geplant, in dem weder der Staatsschutz noch | |
| das SEK auf die Bühne stürmt, aber wir finden auch für sie einen Platz“, | |
| sagt Ruch provokant. Nun überlegt die Künstlergruppe, wie eine etwaige | |
| Hausdurchsuchung öffentlich zu inszenieren wäre – mit Kameras in den | |
| eigenen Arbeitsräumen? | |
| Rückendeckung erhält Ruch von der Intendantin des Berliner Maxim Gorki | |
| Theaters, Shermin Langhoff. Sie sagte der taz: „Seit dem Tod von Christoph | |
| Schlingensief vermisse ich immer wieder eine starke, provozierende Stimme | |
| in der Kunstlandschaft, die politisch interveniert.“ | |
| Deshalb sei sie froh, dass es das Zentrum für Politische Schönheit gebe. | |
| „Die Aktion erzeugt Aufmerksamkeit für die katastrophale Situation der von | |
| Flucht betroffenen Menschen an den EU-Außengrenzen. Sie nimmt die | |
| Vergangenheit als Auftrag ernst.“ | |
| Tatsächlich ist die sogenannte Inszenierung, die Berlins Senatssprecher | |
| Richard Meng als „dumm und geschmacklos“ bewertete, Teil der offiziellen | |
| Eröffnungsaktion des internationalen Festivals „Voicing Resistance“, das am | |
| Freitag am Gorki Theater beginnt. Dann sollen Busse mit Aktivisten | |
| verabschiedet werden, die von dort direkt an die europäischen Außengrenze | |
| fahren, um mit Bolzenschneidern Löcher in den Grenzzaun zu schneiden. Das | |
| Theater – auf dem Weg in den Widerstand? | |
| 4 Nov 2014 | |
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| [1] /Aktionskuenstler-zum-Mauerfall/!148792/ | |
| [2] /Kommentar-Politaktion-zum-Mauerfall/!148841/ | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Kaul | |
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