# taz.de -- Die Streitfrage: DDR – Epoche oder Episode? | |
> War die DDR eine historische Epoche, oder nur eine Episode in der | |
> Geschichte – von Anfang an zum Scheitern verurteilt? | |
Bild: Zwei Reihen Pflastersteine - mehr ist von der Mauer nicht geblieben. | |
41 Jahre DDR: 1949 aus der damaligen sowjetischen Besatzungszone | |
entstanden, wurden die Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) | |
zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) für lange Zeit nahezu unpassierbar für | |
die Bürger und Bürgerinnen des neuen Landes. Wirtschaft und Privateigentum | |
in der DDR wurden verstaatlicht, sämtliche Lebensbereiche von der SED | |
kontrolliert. Wer Widerstand gegen die Partei leistete, dem drohten | |
Verfolgung, Inhaftierung und Überwachung. | |
Die wachsende Unzufriedenheit des Volkes mit dem SED-Regime bewegte viele | |
zur Abwanderung und Massenflucht. Es ging so weit, dass ein Ausbluten der | |
DDR befürchtet wurde. Trotzdem verkündete der ehemalige Generalsekretär der | |
DDR Walter Ulbricht noch kurz vor dem Mauerbau 1961: „Niemand hat die | |
Absicht, eine Mauer zu errichten.“ | |
Nach dem Bau der Mauer - für viele ein Symbol des begrenzten Lebens in der | |
DDR – verstärkte sich das insgeheime Hoffen auf Wiedervereinigung in weiten | |
Teilen der DDR-Bevölkerung im Laufe der folgenden Jahrzehnte immer mehr. | |
Schließlich kam es zur friedlichen Revolution mit der Öffnung der Mauer am | |
9. November 1989 und in der Folge ein Jahr später zur Wiedervereinigung der | |
DDR und der BRD. | |
## Und heute? | |
25 Jahre nach dem Mauerfall und dem Machtzerfall der SED stellt sich die | |
Frage: Hat die Teilung heute noch Relevanz? Gerät diese Zeit, die oft wie | |
eine Lücke aus Geschichtsstunden oder dem Alltag gähnt, bald in | |
Vergessenheit? Wird die DDR als Epoche oder lediglich als Episode | |
begriffen? „Der Staat, der die Berliner Mauer baute, bleibt weltweit als | |
Schande im Gedächtnis. Ein derartiger Staat war nicht nur Episode. Die SED | |
nahm die Teilung einer ganzen Nation hin. Die ungefragt einbezogene | |
Bevölkerung war vier Jahrzehnten der Zumutung eines missglückten | |
sozialistischen Experiments ausgeliefert“, sagt Prof. Dr. Tilman Mayer, | |
Vorsitzender der 1978 gegründeten Gesellschaft für Deutschlandforschung. | |
Die erlebte Unterdrückung während der vier Jahrzehnte DDR lasse sich nicht | |
aus den Köpfen löschen. Trotzdem hält Alexandra Hildebrandt, | |
Geschäftsführende und Direktorin des Mauermuseums am Checkpoint Charlie die | |
DDR eher für eine Episode, die von ihrer Gründung an zum Scheitern | |
verurteilt gewesen sei. Allerdings gibt sie zu bedenken: „Die durch die | |
Grenze entstandenen Narben in den Landschaften sind heute nicht mehr | |
erkennbar. Doch die Narben in den Herzen der Menschen, die unter der | |
DDR-Diktatur jahrzehntelang litten, werden immer schmerzen." | |
Das eigentliche Ziel, den Kapitalismus zu überwinden und eine | |
sozialistische Gesellschaft zu bilden, sei im Laufe der Zeit in der DDR in | |
den Hintergrund gerückt, meint Wolfgang Tiefensee, wirtschaftspolitischer | |
Sprecher der SPD-Fraktion, der in der DDR lebte und im Osten verwurzelt | |
ist. "Die DDR gehört zum kurzen 20. Jahrhundert der zwei Diktaturen, die | |
man nicht gleichsetzen, aber doch vergleichen kann. Ich habe ein schönes | |
Leben geführt. Ein richtiges Leben im falschen. In einem | |
vormundschaftlichen Staat mit niedrigen Mieten und hohen Mauern. Die hat | |
die friedliche Revolution eingerissen. Wir sind das Volk! Eine epochale | |
Erkenntnis.“ | |
Diskutieren Sie mit! Wir wählen unter den interessantesten Kommentaren | |
einen oder zwei aus und veröffentlichen sie in der taz.am wochenende vom | |
8./9. November 2014. Ihr Statement sollte etwa 400 Zeichen umfassen und mit | |
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4 Nov 2014 | |
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## AUTOREN | |
Sonja Esmailzadeh | |
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