# taz.de -- Gefahren der Energiewende: Todesfalle für Abendsegler | |
> Eine Studie zeigt: Windräder im Wald können Vögel schreddern und | |
> Fledermaus-Lungen platzen lassen. Naturschützer fordern ein Moratorium. | |
Bild: So niedlich! Wer kann schon wollen, dass diesem armen Geschöpf die Lunge… | |
BERLIN taz | 75.000 Euro im Jahr können Waldbesitzer für eine | |
Windkraftanlage an Pacht nehmen. Das ist verlockend. Allerdings können die | |
Masten für die Rotoren bis zu 200 Meter hoch sein und damit über die Kronen | |
alter Bäume hinausragen. Dort oben sind Greifvögel und Fledermäuse | |
unterwegs. | |
Das alles sagt Fritz Vahrenholt an diesem Dienstag. Damit will er zeigen: | |
Wälder sind nicht der richtige Ort, um Windenergie zu erzeugen. Vahrenholt | |
ist seit gut zwei Jahren Chef der Deutschen Wildtier-Stiftung. Er fordert: | |
einen Baustopp für Windräder im Wald. Dabei stützt er sich auf die Studie | |
„Energiewende und Naturschutz – Windenergie im Lebensraum Wald. | |
Statusreport und Empfehlungen“. Erstellt hat sie der Biologe Klaus Richarz, | |
der mehr als zwanzig Jahre lang die Staatliche Vogelschutzwarte für Hessen, | |
Rheinland-Pfalz und das Saarland leitete, im Auftrag der Wildtier-Stiftung. | |
Demnach finden sich jedes Jahr mindestens 240.000 tote Fledermäuse unter | |
den derzeit 24.000 Windkraftanlagen. Die europaweit geschützten Tiere | |
weichen zwar den Rotoren aus, aber auf der Rückseite der Anlagen, wo der | |
Luftdruck abnimmt, platzen ihnen die Lungen. | |
Auch der Rotmilan ist in Gefahr. Allein in Brandenburg kollidieren jedes | |
Jahr rund 300 der Greifvögel mit Windrädern. Wenn sich mehr Rotoren über | |
den Bäumen drehen, würden die Zahlen noch steigen, meint Richarz. Windräder | |
seien „Vogelscheuchen“. | |
## Energiewende nicht überstürzen | |
Die Vogelwelt werde mit der Energiewende in die „Zange“ genommen, sagt | |
Vahrenholt. Der SPD-Mann war Umweltsenator in Hamburg, arbeitete für den | |
Ölkonzern Shell und den Windkrafthersteller Repower. Dann kämpfte er beim | |
Energiekonzern RWE für die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Er | |
findet, dass Deutschland den Umbau der Energiewirtschaft nicht überstürzen | |
dürfe. | |
Als einer von zwei Autoren veröffentlichte er 2012 das Buch „Die Kalte | |
Sonne“. Die Erderwärmung, so steht darin, sei weniger von Treibhausgasen | |
beeinflusst als vielmehr von einer stärkeren Aktivität der Sonne, die jetzt | |
wieder abnehme. Viele zerlegten die Argumentation. Vahrenholt aber | |
wiederholte sie erst im August. | |
Nein, die Wildtier-Stiftung bekenne sich zu den erneuerbaren Energien, sagt | |
er am Dienstag. Wildtiere dürften nur „nicht die Verlierer“ sein. Er | |
fordert eine „TA Wind“, eine bundesweit gültige technische Anleitung mit | |
Vorschriften, wie der Naturschutz bei Planung, Bau und Betrieb von | |
Windanlagen zu betrachten ist. Und er will Abstandsregeln, sodass zwischen | |
einem Windrad und dem Brutplatz eines Rotmilans 1.500 Meter Platz sind. | |
Behörden handhabten das bislang unterschiedlich. | |
## Eigene Wind-Erlasse der Länder | |
Tatsächlich haben Länder wie Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder | |
Rheinland-Pfalz eigene Wind-Erlasse verabschiedet. Investitionen in | |
Ökoenergien sollen damit erleichtert werden, auch im Wald. Diese müssten | |
außer Kraft gesetzt werden, fordert Vahrenholt. | |
Franz Untersteller, grüner Umweltminister in Baden-Württemberg, denkt gar | |
nicht daran, dem zu folgen. Es gehe darum, vom „Entweder-oder wegzukommen“ | |
sowie Natur- und Klimaschutz „gleichberechtigt zu behandeln“, sagt er der | |
taz. Es sei „genauso falsch, Windkraftanlagen im Wald gänzlich | |
auszuschließen, wie ihren Bau überall und jederzeit zuzulassen“. Er | |
versicherte, in Baden-Württemberg werde der Artenschutz „ausreichend“ | |
berücksichtigt. | |
Konkreter wird Gesche Jürgens, Waldexpertin bei Greenpeace. Es gebe Tabus, | |
sagt sie – etwa bei Nationalparks oder naturnahen Wäldern wie | |
Buchenbeständen. Die gälten aber nicht für forstwirtschaftlich intensiv | |
genutzte Flächen wie naturferne Kiefer- oder Fichtenwälder. | |
Auch Vahrenholt kann sich prinzipiell vorstellen, Windräder in solchen | |
Forsten zu postieren. Aber zunächst gelte „ein Nein“. Anders komme man | |
nicht zu einer „Naturwende in der Energiewende“. | |
11 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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