# taz.de -- Offshore-Windenergie: Windräder mit Freischwimmer | |
> Muss man für Windanlagen schwere Fundamente in den Meeresboden rammen? | |
> Ein Projekt in der Ostsee erprobt schwimmende Alternativen. | |
Bild: So sollen die schwimmenden Fundamente aussehen | |
FREIBURG taz | Die Idee liegt grundsätzlich nicht fern: Statt | |
Offshore-Fundamente in den Meeresboden zu rammen, stellt man Windräder auf | |
einen schwimmenden Unterbau. Dann kann man bereits im Hafen die Türme auf | |
das Tragwerk montieren, ehe man das komplette Konstrukt an seinen Standort | |
schleppt. Bei größeren Reparaturen geht es zurück in den Hafen. | |
Doch funktioniert das auch in der Praxis? Die zur Dresdener Gicon-Gruppe | |
gehörende Firma Edelstahl und Umwelttechnik Stralsund GmbH (ESG) glaubt | |
daran. Seit letztem Sommer produziert sie in einer Halle der Stralsunder | |
Volkswerft einen Prototypen eines solchen schwimmenden Fundaments. Das soll | |
im Sommer oder Herbst mit einer 2,3-Megawatt-Anlage bestückt in | |
unmittelbarer Nähe des EnBW-Windparks Baltic 1 vor dem Darß in der Ostsee | |
installiert werden. | |
Vier stählerne Schwimmtanks werden das Fundament über Wasser halten, das | |
mit einer Kantenlänge von 32 Metern, einer Höhe von 28 Metern und einem | |
Gewicht von 670 Tonnen ein wahrer Koloss ist. Und doch brauche man weniger | |
Stahl als für ein klassisches Fundament, sagt ein Sprecher der | |
Gicon-Firmengruppe. | |
## 1.000 Tonnen Stahl und Beton | |
Denn je nach Bauart können die bisher genutzten Fundamente über 1.000 | |
Tonnen wiegen. Eingesetzt werden heute verschiedene Techniken: Monopiles | |
aus einem zentralen Fundamentrohr, das in den Meeresboden gerammt wird, | |
dreibeinige Tripods, vierbeinige fachwerkartige Stahlkonstruktionen | |
(Jackets genannt) oder auch Schwergewichtsgründungen, die am Standort unter | |
Zugabe von Ballast versenkt werden. | |
Im Vergleich dazu sieht Gicon zahlreiche Vorteile schwimmender Strukturen. | |
Da die Anlagen komplett im Hafen errichtet werden könnten, seien keine | |
teuren Errichterschiffe nötig. Zudem sei die Installation vor Ort | |
weitestgehend wetterunabhängig möglich. Ferner sei die Anforderung an den | |
Baugrund relativ gering, und lärmintensive Arbeiten könnten vermieden oder | |
zumindest stark reduziert werden – zugunsten von Meeressäugern wie den | |
Schweinswalen. | |
Der größte Vorteil schwimmender Fundamente jedoch: Es können größere | |
Wassertiefen für die Windkraft erschlossen werden. Denn bei 40 bis 50 | |
Metern kommen die festen Anlagen heute an ihre Grenzen. Das schwimmende | |
Fundament hingegen lasse sich bis etwa 500 Meter einsetzen, schätzt man bei | |
Gicon. Erst wenn das Meer noch tiefer wird, dürften irgendwann die | |
Ankerketten zu schwer werden, mit denen die Anlagen fixiert werden. | |
## Faktor 2,5 mehr Strom | |
Was bringen die zusätzlichen Standortmöglichkeiten? „In Europa können | |
schwimmende Fundamente das Potenzial der Stromerzeugung etwa um den Faktor | |
2,5 erhöhen“, sagt Jochen Bard vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und | |
Energiesystemtechnik. Auch Dennis Kruse von der Stiftung | |
Offshore-Windenergie hält die schwimmende Technik für „international in | |
jedem Fall sehr interessant“. | |
In Deutschland, wo die Meere nur flach abfallen, gelten die schwimmenden | |
Fundamente hingegen eigentlich als weniger attraktiv. Gleichwohl hofft die | |
Firma Gicon, auch in flachen Gewässern zum Zuge zu kommen. Sie verweist | |
darauf, dass ihre Technik bereits ab 20 Meter Wassertiefe einsetzbar sei. | |
Hier wird dann der Preis entscheiden. | |
Rund 18 Millionen Euro investiert die Gicon-Gruppe in das Projekt, 5,25 | |
Millionen davon steuert das Land Mecklenburg-Vorpommern bei. Für | |
Deutschland wird die Anlage in der Ostsee ein Novum sein, international | |
gibt es bereits Vorbilder: 2009 ließ der Erdölkonzern Statoil vor Norwegens | |
Küste eine 2,3-Megawatt-Anlage von Siemens auf einem Schwimmkörper | |
installieren, weitere Projekte gibt es zum Beispiel vor Portugal und Japan. | |
Nun kann man fragen, ob ein Test auf der ruhigen Ostsee wirklich Aufschluss | |
darüber zu geben vermag, ob die Technik auch auf hoher See taugt. Gicon | |
verweist deshalb auf einen zweiten Standort in der Nordsee, den die Firma | |
gerade entwickle. Er soll weitere Daten liefern, damit das Fundament bis | |
zum Jahr 2017 serienreif wird. Man gibt sich optimistisch: „Es ist durchaus | |
realistisch, damit zu rechnen, dass der Marktanteil der schwimmenden | |
Gründungen ab 2013 rund 50 Prozent beträgt.“ | |
3 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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