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# taz.de -- Gesetz gegen Doping im Spitzensport: Viele Reden über Kampf
> Die Bundesregierung will Doping unter Strafe stellen: Leistungssportlern
> drohen künftig Haftstrafen. Auch der Besitz von Doping-Mitteln ist
> strafbar.
Bild: Damit lieber nicht erwischen lassen: Fläschchen mit anabolen Steroiden.
BERLIN taz | Jan Ullrich hat Glück gehabt. Man könnte es die Gnade der
frühen Geburt nennen. Hätte es nämlich zu seiner aktiven Zeit als Radprofi
schon das deutsche Antidopinggesetz gegeben, dessen Entwurf am Mittwoch von
Innenminister Thomas de Maiziére (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD)
vorgestellt wurde, hätten ihm damals harte Sanktionen gedroht: Neben einer
Wettbewerbssperre von vier Jahren – gedeckt durch die 2015 in Kraft
tretenden neuen Bestimmungen der Welt Anti-Doping-Agentur (Wada) – müsste
Ullrich auch die deutsche Staatsanwaltschaft fürchten. Im schlimmsten Fall
wären drei Jahre Haft die Konsequenz gewesen. Und das Netzwerk der
Manipulateure hinter dem Rennradler wäre möglicherweise auch ins Wanken
geraten.
So aber musste Ullrich seinerzeit nur ein Jahr bei der Tour de France
aussetzen. Der Vertrag bei seinem Rennstall wurde ihm gekündigt und seine
Erfolge von 2005 an annulliert. Auch die Triathletin Nina Kraft, die 2004
des Epo-Dopings überführt wurde, müsste wohl künftig vier statt nur zwei
Jahre pausieren und hätte zudem ein strafrechtliches Verfahren am Hals.
Denn nun wird Dopingbekämpfung „grundlegend neu geregelt“, wie es in dem
Gesetzentwurf heißt. Schon beim allerersten Mal wird Selbstdoping sowohl im
Wettkampf als auch im Training strafrechtlich verfolgt. Schon der Erwerb
kleinster Mengen ist strafbar. Auch die Herstellung, der Handel, die
Weitergabe, die Einführung nach Deutschland sowie Dopingmethoden
(Gendoping) werden unter Strafe gestellt. Sportler müssen mit Geldstrafen
oder mit bis zu drei Jahren Haft rechnen. Ärzten und Hintermännern drohen
gar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Härter sanktioniert wird auch die
Abgabe von Dopingmitteln an Minderjährige.
Man kann die neuen Möglichkeiten der Doppelbestrafung von Spitzensportlern
durchaus als drakonisch bezeichnen. Vor Sportgerichten müssen die Athleten
ihre Unschuld beweisen. Vor staatlichen Gerichten gilt die
Beweislastumkehr. Mildere Urteile, also vornehmlich Geldstrafen, sind zu
erwarten.
## Grundtendenz stimmt
Es war sehr viel von Kampf die Rede auf den Pressekonferenzen am Mittwoch
in Berlin. Heiko Maas sprach von einer „Kampfansage an Doper“. Schon zwei
Stunden zuvor hatte Andrea Gotzmann, die Vorstandsvorsitzende der
Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), einen „verschärften Kampf“
angekündigt. Sie gab bekannt, dass die Nada künftig wesentlich härte
Strafen – vier statt zwei Jahre Sperre – verhängen kann. Dass Politik- und
Sportvertreter fast zeitgleich ihre neuen Waffen im Kampf gegen
Sportbetrüger präsentierten, sei aber „reiner Zufall“, wie eine
Nada-Sprecherin versicherte.
Ein unkoordiniertes Vorgehen von Politik und Sport in der Dopingbekämpfung
muss freilich nach Ansicht von de Maiziére niemand fürchten. Er betonte,
die Wichtigkeit der Sportgerichtsbarkeit, weil diese „hart und schnell“
strafen könne. Deshalb habe man sie erstmals gesetzlich abgesichert. Auch
dem Umstand, dass sich Sportler über eine obligatorische
Athletenvereinbarung der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen müssen, habe man
Legitimität verliehen. Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein versucht
gerade vor einem Münchner Gericht, die Rechtmäßigkeit dieser Vereinbarung
infrage zu stellen.
Wichtig war dem Innenminister zu betonen, dass die Autonomie des Sports
nicht ausgehebelt werde. Das war bislang die größte Furcht des Deutschen
Olympischen Sportbunds, der sich mehrfach gegen die Formulierung eines
Antidopinggesetzes gestellt hatte. Nun erklärte DOSB-Präsident Alfons
Hörmann: „In der Grundtendenz geht das, was die Regierung vorlegt, genau in
die Richtung, die wir uns vorstellen.“
Um dem härteren staatlichen Eingriff in den Antidopingkampf eine stabile
Rechtsgrundlage zu geben, wird im Gesetzentwurf ein bedeutungsschwerer
Schlüsselbegriff eingeführt. Es ist von der „Integrität des Sports“ die
Rede, die auch der Staat „wegen der überragenden gesellschaftlichen
Bedeutung des Sports“ schützen müsse.
„Doping“, so heißt es, „ greift tief in die ethisch-moralischen Werte des
Sports ein, raubt dem Sport seine Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion.“
Dabei werden mit der zu bewahrenden Integrität des Sports durchaus
handfeste Interessen verknüpft. Der Staat, wird argumentiert, fördere den
Spitzensport mit erheblichen Mitteln. Man müsse dafür sorgen, dass diese
einem dopingfreien Sport zugute kommen.
## Auch ausländische Sportler betroffen
Die Angelegenheit ist delikat. Auch unter Juristen wurden in der
Vergangenheit immer wieder Bedenken gegen ein Antidopinggesetz ins Feld
geführt. Es wurde beklagt, es fehle an einem Rechtsgut, das es zu schützen
gelte. Der Tatbestand des Betrugs etwa sei vor Gericht schwer nachzuweisen,
weil nicht genau bestimmt werden könnte, wer die Betrogenen sein sollen.
Im Gesetz beschränkt man sich auf diejenigen Athleten, die im Testpool der
Nada gemeldet sind oder die aus ihrer sportlichen Betätigung erhebliche
Einnahmen erzielen. De Maizière erklärte, es sei nicht praktikabel, bei
Massenveranstaltungen wie einem Marathonlauf gegen dopende Amateursportler
strafrechtlich vorzugehen.
Weil das Tatortprinzip gilt, können auch ausländische Sportler, die etwa
bei einem Schwimmweltcup in Wuppertal des Dopings überführt werden,
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auslösen.
Durch das neue Gesetz ist nicht nur Selbstdoping von Spitzensportlern im
Training und im Wettkampf justiziabel, auch der Besitz von Dopingmitteln
kann mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Letztere Regelung – die
Einführung der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit – wurde vom DOSB
bislang abgelehnt. Das wird bis zur Verabschiedung des Gesetzes vermutlich
ebenso für Diskussionen sorgen wie die Datenschutzfrage. Denn es ist
vorgesehen, dass die Nada künftig Informationen von der Staatsanwaltschaft
erhält. Renate Künast (Grüne) erklärte bereits, sie halte diese
Datenübermittlung für bedenklich.
12 Nov 2014
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Doping
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