# taz.de -- Doping in der BRD: Aufklärung light | |
> In Freiburg eskaliert der Streit um die Doping-Vergangenheit. Die | |
> Universität drängt auf ein schnelles Ende der Untersuchungen. | |
Bild: Ein jüngeres Kapitel der Freiburger Dopinggeschichte: Um Bjarne Riis und… | |
Seit Mittwochabend ist nun endgültig klar: Die Lage ist so verfahren, dass | |
eine unabhängige Instanz eingreifen muss. Der schon lange währende Streit | |
um die Aufarbeitung der Dopingvergangenheit an der Freiburger Universität | |
ist in den letzten Wochen immer weiter eskaliert. Genau genommen geht es | |
gar um die Aufarbeitung der westdeutschen Dopingvergangenheit, dessen | |
Zentrum Freiburg gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wurde. Die Uni Freiburg | |
und die von ihr 2007 mit einem Aufklärungsauftrag versehene | |
Evaluierungskommission finden keinen gemeinsamen Nenner mehr. | |
Wegen der Behinderungen ihrer Arbeit, die sie in einem über hundertseitigen | |
Rechenschaftsbericht dokumentiert hat, hatte die Kommissionsvorsitzende, | |
Letizia Paoli, unlängst ein Ultimatum gestellt. Falls sich nichts ändert, | |
will sie am 7. November zurücktreten. Am Mittwochabend drängte nun der | |
Senat der Albert-Ludwigs-Hochschule die Kommission in einer Stellungnahme | |
zum „unverzüglichen“ Abschluss der Arbeit und beharrte damit auf einer | |
Position, die eine Lösung des Konflikts sehr unwahrscheinlich werden lässt. | |
Denn ein schnelles Ende ihrer Untersuchung hatte Paoli zuletzt aufgrund der | |
Datenmenge für unmöglich erklärt. Nach ihren Klagen hatte etwa die Stadt | |
Freiburg 18.000 Seiten Akten über den früheren Doping-Arzt Armin Klümper | |
herausgerückt, um welche die Kommission schon 2012 gebeten hatte. | |
## Muss Material vernichtet werden? | |
Im Freiburger Dopingsumpf scheint die gebürtige Italienerin Paoli, eine | |
renommierte Mafia-Expertin, an ihre Grenzen zu stoßen. Im Zusammenhang mit | |
ihrem Ultimatum warnte sie, mit einer voreiligen Beendigung der | |
Kommissionsarbeit würde alles wichtige nicht bearbeitete Material gelöscht | |
werden müssen. Das ginge aus einem Gutachten hervor, das die Uni in Auftrag | |
gegeben hätte. | |
Dieser Darstellung konnte der Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer nur bedingt | |
widersprechen. Er sagte, die Behauptung von Paoli sei „in dieser | |
Allgemeinheit unzutreffend“. Im Umkehrschluss stellt sich die Frage, wieso | |
sich die Uni mit einer möglichen Teilvernichtung von wichtigem | |
Beweismaterial arrangieren kann? | |
Auch die Rolle der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresa | |
Bauer (Grüne) wirft Fragen auf. Zuerst stellte sie sich nach Paolis | |
Ultimatum mit der Forderung nach einem baldigen Abschlussbericht hinter die | |
Position der Universität Freiburg. Dann lud sie die Streitparteien zu einem | |
Schlichtungstermin. | |
## Die Rolle der Politik | |
Ein solches Treffen bei der Ministerin hatte es aber bereits vor einem Jahr | |
gegeben, ohne dass sich an den Problemen etwas geändert hätte. Paoli | |
erklärte deshalb, sie wolle erst wichtige Fragen mit Theresa Bauer klären, | |
bevor sie sich an einen runden Tisch setzen würde. | |
Inwieweit die politische Ebene in Baden-Württemberg zum Schlichten des | |
Konflikts taugt, ist indes auch zu hinterfragen. Die Akten, die der | |
Kommission zugänglich sind, beinhalten laut Paoli „Informationen über die | |
Rolle damaliger CDU-Landesregierungen, CDU-Minister, Angehöriger der | |
Freiburger Staatsanwaltschaft sowie der Universitäts- und Klinikumsleitung“ | |
im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Prof. Klümper. | |
Die Gefahr, dass bei dieser brisanten Gemengelage politischer Seilschaften | |
ihre Wirkung entfalten, ist groß. Dopingexperte Werner Franke, der bis 2012 | |
selbst der Kommission angehörte, sagte: „Da kommen noch kriminelle Hämmer, | |
brutale Sachen raus.“ Recht behält er aber wohl nur, wenn die | |
Landesregierung entsprechend reagiert. Die gegenwärtige Situation deutet | |
eher auf einen anderen Ausgang des Geschehens hin. So wetterte Franke: „Was | |
da passiert, ist systematische Vertuschung krimineller Straftaten.“ Auch | |
das noch aktuelle Kommissionsmitglied Eberhard Treutlein äußerte sich | |
deutlich: „Der Wunsch nach dem Platzen der Evaluierungskommission“ sei bei | |
der Uni größer als „der nach einer sinnvollen Beendigung“. | |
Dabei hat Paoli mit ihrem Mitarbeiterstab gar so nebenbei interessante | |
Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. Die Habilitationen von sechs Freiburger | |
Sportmedizinern stehen derzeit wegen Plagiatsverdacht auf dem Prüfstand. | |
Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer versteht sich derweil weiter als Aufklärer. | |
Er kündigte an, dass man eine Forschungsstelle einrichten wolle, die sich | |
mit der Aufarbeitung der Freiburger Dopingvergangenheit auf Grundlage der | |
Arbeit der Kommission befassen soll. Paoli entgegnete: Eine hauseigene | |
Forschung könne naturgemäß „keine Aufklärungsarbeit universitätsinterner… | |
Belange leisten. | |
31 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Doping | |
Freiburg | |
Universität | |
Doping | |
Evi Sachenbacher-Stehle | |
Doping | |
Doping | |
Doping | |
Doping | |
Doping | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Freiburger Dopingkommission am Ende: Uni verhindert Wahrheitsfindung | |
Die „Evaluierungskommission Sportmedizin“ schmeißt hin. Sie sollte die | |
Dopingvorgänge in Freiburg aufklären – und wurde von der Uni ausgebremst. | |
Biathlet über Doping: „Ich bin froh um jedes härtere Urteil“ | |
Biathlet Erik Lesser spricht über Doping und den Fall seiner Kollegin Evi | |
Sachenbacher-Stehle. Er fordert eine lebenslange Sperre für Ersttäter. | |
Kommentar neues Dopinggesetz: Der Staat zeigt seine Muskeln | |
Der Staat will gedopte Sportler künftig hart bestrafen. Es ist derselbe | |
Staat, der sie in Wettkämpfe schickt, die sie nur gedopt gewinnen können. | |
Gesetz gegen Doping im Spitzensport: Viele Reden über Kampf | |
Die Bundesregierung will Doping unter Strafe stellen: Leistungssportlern | |
drohen künftig Haftstrafen. Auch der Besitz von Doping-Mitteln ist | |
strafbar. | |
Spitzensport in Westdeutschland: Für Doper „ein Paradies“ | |
Plötzlich erregen sich alle: Auch westdeutsche Spitzensportler waren | |
gedopt. Wer lesen konnte, hätte das spätestens im Jahr 2001 wissen können. | |
Doping in der BRD: Gift im Organismus | |
Im deutschen Sport setzten sich ab Mitte der 70er Jahre die | |
Dopingbefürworter durch. Eine Allianz der Entscheider war für den | |
Anabolikaeinsatz. | |
Debatte Doping: Die Lebenslüge des Sports | |
Das Innenministerium, der Bundestag und der Olympische Sportbund verhindern | |
eine wirksame Doping-Politik. Das sollte sich ändern. | |
Professor Dickhuths Habilitation: Sportarzt soll abgeschrieben haben | |
Plagiatsvorwürfe gegen den Leiter des sportmedizinischen Instituts der Uni | |
Freiburg. Hans-Herrmann Dickhuth steht im Verdacht, bei seiner | |
Habilitationsschrift abgekupfert zu haben. |