# taz.de -- Fehmarn, Geld: Die Stunde der Wahrheit | |
> Deutsche Bahn ist mit der Gleisanbindung des geplanten Ostsee-Tunnels | |
> Jahre in Verzug. Kritiker befürchten Lärmbelastung und Kostenexplosion. | |
Bild: Die Brücke steht noch: Die Kosten für die Renovierung hat man vorsichts… | |
HAMBURG/BERLIN taz | Die Anbindung des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels auf | |
deutscher Seite wird sich erheblich verzögern. Das hat | |
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in zwei Briefen an seinen | |
dänischen Kollegen Magnus Heunicke, die der taz.nord vorliegen, eingeräumt. | |
Es sei „mit einer Verzögerung von mehreren Jahren“ zu rechnen, schreibt | |
Dobrindt unter Berufung auf „eine grobe Schätzung“ der Deutschen Bahn. Das | |
aber könnte zur Konsequenz haben, dass für eine mehrjährige Übergangszeit | |
täglich 79 extra lange Güterzüge auf der alten Bädertrasse durch die | |
Ostseebäder an der Lübecker Bucht donnern und deren einzige Einnahmequelle, | |
den Tourismus, versiegen lassen. | |
Entsprechend aufgeschreckt reagiert Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und | |
Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD), der auch für Tourismus zuständig | |
ist. Die Bahn müsse dafür sorgen, dass die Anbindung zeitgleich mit der | |
Eröffnung des Tunnels realisiert werde: „Das ist die große Aufgabe, die der | |
Bund zu leisten hat“, kommentiert Meyer. „Wir als Land werden sehr genau | |
darauf achten, dass dies geschieht.“ | |
## Zeitpunkt bleibt ungenannt | |
Bahnsprecherin Maja Weihgold bestätigte auf Anfrage der taz, dass die | |
Planungen in Verzug seien. Die Bahn sei „zurzeit im Abstimmungsprozess“ mit | |
dem Bund, dem Land Schleswig-Holstein und der dänischen Seite, die fertigen | |
Pläne würden aber „in absehbarer Zeit“ veröffentlicht werden können. Auf | |
einen Zeitpunkt für die Fertigstellung der Strecke wollte sich Weihgold | |
nicht festlegen. Auch sei eine zeitweilige Inanspruchnahme der alten | |
Bädertrasse „nicht ausgeschlossen“. | |
Nach heftigen Protesten aus den Ostseebädern hatte das Landesplanungsamt | |
Schleswig-Holstein im Mai vorigen Jahres für die rund 80 Kilometer lange | |
Strecke an der Ostküste eine neue Trasse weiter im Landesinneren entlang | |
der Autobahn A 1 favorisiert. Diese würde verhindern, dass alle 18,5 | |
Minuten ein mehr als 800 Meter langer Güterzug mit 160 Stundenkilometern | |
durch die Ferienorte rollt. | |
Erforderlich wird dafür die neue Planung einer rund 55 Kilometer | |
Neubaustrecke samt mehrerer Ortsumfahrungen. Zusätzlich muss die marode 52 | |
Jahre alte Brücke über den Fehmarnsund ersetzt werden, weil sie nach | |
statischen Berechnungen der Bahn dem Gewicht der Güterzüge nicht | |
standhalten könne. All das führe zu den aktuellen Verzögerungen, sagt | |
Bahnsprecherin Weihgold: „Wir mussten zusätzliche Untersuchungen vornehmen | |
und Gutachten in Auftrag geben.“ | |
## Es droht: eine Kostenexplosion | |
Mit der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens könne erst 2017 | |
gerechnet werden, schreibt auch Dobrindt in einem seiner Briefe nach | |
Kopenhagen. Damit könnte die neue Strecke kaum bis zur Fertigstellung des | |
Tunnels, die Dänemark für 2022 anstrebt, realisiert werden. Damit sei | |
„frühestens 2026, wenn nicht erst 2028 zu rechnen“, sagt Bettina Hagedorn, | |
SPD-Bundestagsabgeordnete aus Ostholstein und stellvertretende | |
SPD-Landesvorsitzende. Deshalb dürfe „kein Güterzug durch den Belttunnel | |
fahren, solange die deutsche Anbindung nicht komplett fertig ist“, fordert | |
Hagedorn. | |
Schleswig-Holsteins grüner Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz sieht | |
„die Stunde der Wahrheit“ gekommen. Die Bundesregierung müsse außer einem | |
Zeitplan „umgehend eine aktuelle Kostenkalkulation vorlegen, die der | |
Bundesrechnungshof seit Jahren fordert“. Nach ersten Schätzungen sollten | |
die Trassen etwa 840 Millionen Euro kosten, der Bundesrechnungshof rechnet | |
mit dem doppelten Betrag. | |
Inklusive einer neuen Fehmarnsund-Brücke befürchtet Hagedorn, die im | |
Haushaltsausschuss des Bundestages federführend für Verkehrsprojekte ist, | |
sogar eine Kostenexplosion auf bis zu drei Milliarden Euro.Mit | |
undiplomatisch offenen Worten bestätigt der Kieler Verkehrsminister Meyer | |
diese Größenordnung. | |
Beim Abschluss des deutsch-dänischen Staatsvertrages 2008 sei das | |
Gesamtprojekt „aus politischen Gründen auf unter eine Milliarde Euro | |
heruntergerechnet“ und der Ersatz der Fehmarnsund-Brücke „nicht | |
eingepreist“ worden. Das, sagt Meyer, der erst seit 2012 im Amt ist, „war | |
der Webfehler“. | |
15 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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