# taz.de -- Kommentar Merkel in Washington: Vorbei an amerikanischen Realitäten | |
> Merkel und Obama bemühen die transatlantische Einheit. Doch im Zweifel | |
> sind innenpolitische Interessen der USA stärker. | |
Bild: Eine Bühne – viel Platz zwischen Barack Obama und Angela Merkel. | |
Angela Merkel und Barack Obama haben es bei ihrem Treffen in Washington | |
geschafft, eine oberflächliche transatlantische Einheit zu zeigen. Vor der | |
Presse wurden die Schlagworte der Freundschaft und Einheit bemüht und | |
letzte Hoffnungen auf die Verhandlungen in Minsk am Mittwoch gelegt. | |
Bis dahin, so signalisiert der US-Präsident, ist er gewillt, den | |
diplomatischen Verhandlungen mit Russland eine Chance zu geben. Scheitern | |
diese, wird sich die Diskussion in den USA massiv verschärfen – und die | |
Bundeskanzlerin wird darauf keinen Einfluss nehmen können. Merkels | |
Argumente gegen Waffenlieferungen werden nicht mehr zählen, wenn die | |
Grenzen der Verhandlungspolitik erreicht sind. | |
Denn so sehr im Konflikt um die Ukraine die Bedeutung einer einheitlichen | |
Haltung des Westens herausgestellt wird: Die Debatte in den USA, wie man | |
sich in diesem Konflikt zu verhalten hat, ist lange nicht mehr von | |
außenpolitischen Erwägungen allein getrieben. | |
Amerika befindet sich im Wahlkampf. Zwar wird die Nachfolge von Barack | |
Obama erst im November 2016 bestimmt, aber in Washington haben die Manöver | |
längst begonnen. Das zeigt der innenpolitische Druck, der sich immer weiter | |
erhöht und den Präsidenten in Richtung einer Entscheidung für | |
Waffenlieferungen puschen soll. | |
Dass die Republikaner mit ihrer diplomatischen Geduld am Ende sind, | |
überrascht wenig. Militärische Stärke der Schutzmacht USA, so inszenieren | |
sich die Konservativen seit jeher gern gegenüber ihrer Wählerklientel. Aber | |
auch die Befürworter von Waffenlieferungen von Demokraten sind | |
innenpolitisch betrachtet schlüssig. | |
## Putin als Gegenspieler | |
Beispiel Hillary Clinton: Neben Kongressabgeordneten sind es Berater und | |
Kandidaten für ein Kabinett unter einer möglichen Präsidentin Clinton, die | |
Waffenlieferungen an die Ukraine in einem Papier unterstützen. Clinton ist | |
innerhalb ihrer Partei zentristisch angesiedelt, in Vorbereitung auf ihre | |
Kandidatur muss sie Positionen abstecken. Eine allzu weiche Haltung, die | |
militärische Optionen kategorisch ausschließt, wäre strategisch unklug, | |
sowohl in der Positionierung innerhalb der eigenen Partei als auch in der | |
öffentlichen Wahrnehmung. | |
Zumal bei einem Gegenspieler, der Wladimir Putin heißt. In amerikanischen | |
Medien wird vermehrt von der Schwäche der amerikanischen Strategie | |
geschrieben, aus der Russland Vorteile zieht. Ein Bild, das nicht in das | |
Selbstverständnis der Großmacht Amerika passen mag – egal ob als Demokrat | |
oder Republikaner. Dass sich die globale Welt seit dem Kalten Krieg | |
verändert hat, ist in dieser Rhetorik nur ein Randaspekt und für die | |
Verkaufe im eigenen Land irrelevant. | |
Und ein zögerlicher Barack Obama, der in den kommenden Monaten vor allem um | |
seine eigene Geschichtsschreibung bemüht ist, kann sich diesem Druck nicht | |
entziehen, sollten die letzten diplomatischen Versuche Merkels und Europas | |
in Minsk scheitern. Innenpolitische Interessen, das ist eine amerikanische | |
Realität, werden transatlantische Verhältnisse im Zweifel übertrumpfen. | |
10 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
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