| # taz.de -- 8. März ist Frauentag: Endlich heult mal eine | |
| > Erst einmal durfte sie weinen, sagt TV-Kommissarin Sabine Postel. Sonst | |
| > muss sie hart sein. Für die taz stritten Frauen über ihre Rollen. Zehn | |
| > Stunden lang. | |
| Bild: Darf auch hier nicht weinen. Sabine Postel und Dietmar Bär im Februar be… | |
| Die Tussy Lounge in Berlin-Friedrichshain. Ein Café mit Friseur im | |
| Hinterzimmer. Gelegentlich drängen Neuankömmlinge durch den überfüllten | |
| Raum, um sich die Haare schneiden zu lassen. 50-er Jahre Mobiliar. Tulpen. | |
| Handtaschen dekorativ an die Wand genagelt. Vier Frauen sitzen um einen | |
| Tisch. Schriftstellerin Olga Grjasnowa, Kabarettistin Maren Kroymann, | |
| Schauspielerin Sabine Postel und Regisseurin Tatjana Turanskyj. | |
| Kroymann erzählt einen Witz: „Nonne geht in einen Wald, kommt ein Mann und | |
| vergewaltigt sie. Sagt der Mann: ‚Es tut mir leid, dass ich Sie aufgehalten | |
| habe, liebe Nonne, was erzählen Sie denn jetzt im Kloster?‘ Sagt die Nonne: | |
| ‚Ich erzähle, wie es war: Ich war im Wald, dann kamen Sie und haben mich | |
| zweimal vergewaltigt.‘ – ‚Warum denn zweimal?‘ – ‚Na, zehn Minuten … | |
| Sie doch noch Zeit haben.‘“ | |
| Es ist die fünfte Stunden Dauergespräch zum Frauentag am 8. Mai. | |
| taz-RedakteurInnen sprechen mit Schauspielerinnen, Musikerinnen, Autorinnen | |
| und Politaktivistinnen, gerade geht es um Frauen in Film und Literatur. | |
| Später werden andere über das Altern reden, über Männer und Prostitution. | |
| Der Nonnen-Witz sei Teil ihres Bühnenprogramms „In My Sixties“, erzählt | |
| Maren Kroymann. Zwischen den Schlagern ihrer Kindheit gibt es dort auch die | |
| Vergewaltigungswitze aus der Jugend der 65-Jährigen zu hören. Die | |
| Reaktionen im Publikum reichten von Schweigen bis zu saalfüllendem | |
| Gelächter. Es geht um Selbstreflexion, um die ganz gewöhnliche | |
| Frauenfeindlichkeit: „Vergewaltigung findet im Alltag statt. Deshalb müssen | |
| wir auf der Bühne oder im Film spürbar machen, wie beiläufig Gewalt gegen | |
| Frauen legitimiert und eingesetzt wird.“ | |
| ## „Das ist totaler Kitsch“ | |
| Undenkbar im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Sabine Postel spielt beim | |
| ARD im „Tatort“ die Hauptkommissarin Inga Lürsen. Typ stark, souverän, | |
| durchsetzungsfähig. Von diesem Rollenbild dürfe sie selten abweichen. „Ich | |
| hatte mal einen Mann, aber er wurde erschossen.“ Da durfte sie | |
| ausnahmsweise auch mal weinen. Die Fernsehanstalten verstecken sich hinter | |
| Frauenklischees, sagt Postel. Brisante Stoffe und Momente aufrichtiger | |
| Schwäche werden ausgeblendet. Niemand solle sich verletzt fühlen | |
| „Politische Inkorrektheit ist bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht | |
| angesagt.“ Das Deutsche Fernsehen habe ein Mut-Problem. | |
| „Das ist totaler Kitsch“ ruft Tatjana Turanskyj. Sie ist gelangweilt von | |
| Geschichten über dominante Kommissarinnen mit rauen Stimmen: „Die Sender | |
| verkennen weiterhin ihr Publikum.“ Der Zuschauer wolle diffenzierte | |
| Charaktere, keine Abziehbilder. Mit „Pro Quote Regie“ setzt sich Turanskyj | |
| für eine Förderung von Frauen in der Filmlandschaft ein, für Figuren | |
| jenseits der toughen Polizistin und der hysterischen Hausfrau. | |
| Vielleicht könnte die Literaturbranche ein Vorbild sein. Olga Grjasnowa, | |
| Autorin von „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ sagt, dort gebe es eine | |
| Offenheit für viele Rollenbilder, dafür müsse man allerdings der richtige | |
| Typ sein und für einen ernsthaften Verlag arbeiten. „Es ist dann wirklich | |
| schwierig, nicht veröffentlicht zu werden.“ | |
| Von draußen kommt die Fotografin Anja Müller herein. Dick bekleidet, | |
| schwitzend. Sie ist hier, um sich über das Älterwerden zu streiten. Das | |
| Experiment geht in seine nächste Stunde. | |
| Hure. Mutter. Schöne. Opfer. Frauen spielen Rollen. Wir haben mit ihnen das | |
| Spiel besprochen. Zehn Stunden Streiten, Plaudern und Sinnsuche zum | |
| Frauentag - mit Schauspielerin Maren Kroymann, Feministin Anne Wizorek, | |
| Rapperin Sookee und Femenaktivistin Zana Ramadan. Mit noch mehr Frauen. Und | |
| Männern. Lesen Sie alles; lesen Sie das, worauf Sie Lust haben in der | |
| [1][taz.am wochenende vom 7./8. März 2015.] | |
| 8 Mar 2015 | |
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| [1] /Ausgabe-vom-7/8-Maerz-2015/!155846/ | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Lücker | |
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