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# taz.de -- Maren Kroymann wird 70 Jahre alt: Mehr als nur Kleinkunst
> Kroymann war die erste Frau im deutschen Fernsehen mit eigener
> Satire-Sendung. Heute ist sie noch immer eine der Wichtigsten der
> Bühnenrepublik.
Bild: 2019 wurde Maren Kroymann mit dem Deutschen Fernsehpreis für „Beste Co…
Mensch muss ja nicht gleich Marlene Dietrich werden, denkt sie sich und
legt erst mal nicht los. Ein großbürgerliches Elternhaus, vier Brüder,
seriöse Aussichten. Da wird mensch nicht Chanteuse und Schauspielerin im
komischen Fach. Wir befinden uns in Westdeutschland, im Schwäbischen, im
universitären Tübingen der Sechziger genauer. [1][Maren Kroymann] soll erst
mal Englischlehrerin für die gymnasiale Oberstufe werden. Fast schon eine
erste Verweigerung, wenn man aus einem arrivierten Philologenhaushalt mit
Professuren und internationaler Ausstrahlung kommt. Die kleinere
Möglichkeit.
Nicht heiraten, verschiedene Männer, später nur noch Frauen: „Es fühlte
sich einfach richtig an, als habe es immer schon so sein sollen“, erklärt
die Kroymann später. Sie beginnt immer erst zögerlich und steht ihre Sache
dann durch. Dabei ist sie auf den Brettern der Republik, jenen mit dem
Bühnenboden und jenen mit den leuchtend bunten Pixeln, von Anbeginn in
Dieter Hildebrands „Scheibenwischer“, bis heute so präsent, wach und fresh,
als wäre sie nie eine andere gewesen. Sie singt im Berliner
Hanns-Eisler-Chor und macht fluffig-unverschämte Ansagen zwischen den
Songs. Schweigen nervt, macht die Lieder zu ernst, zu deutsch. Hildebrand
öffnet ihr daraufhin die Tür, damals sind alle Gatekeeper Männer: „Sie sind
eine Kabarettistin!“
Im September 1985 tritt sie im „Scheibenwischer“ in der Rolle einer
Lobbyistin des Privatfernsehens auf. Dem intellektuellen Sprechjazzer
Hildebrand tritt eine alte Seele an die Seite. Die Kroymann wirkt auch
damals schon reif, jung an Jahren. Hier ist sie richtig, Sender Freies
Berlin. Ihre Kennzeichen: ein maßvolles Sendungsbewusstsein, eine feine
Aura, erhaben fast, trotzdem im besten Sinne down to earth und dabei
saukomisch.
Sie singt sich durch die „Bar jeder Vernunft“. Sie spielt sich durch die
TV-Kabaretts, die noch den Nukleus des kritischen Teils der Westrepublik
bilden; rotflackernder Wohnzimmerofen im vermeintlichen Wohlstandsdorado.
Sie wird Volksschauspielerin in „Oh Gott, Herr Pfarrer“ und macht mit
Robert Atzorn dem Wahrheitsanspruch der Kirche drei letzte Kreuze. Sie hält
dem ernsten Fach stand in „Das Fremde in mir“ und „Verfolgt“ in der Reg…
von Angelina Maccarone. Als „Nachtschwester Kroymann“ wird sie 1994 die
erste Frau im bundesdeutschen Fernsehen mit eigener Sendung. [2][Keine
Parodie misslingt ihr, nichts gerät ihr peinlich]. Sie muss nie total
chargieren, überreißen, wie etwa ein Harald Schmidt. Bei allem bringt sie
die ganz große Form im Kleinen. Wer will da von Kleinkunst sprechen?
## Die Beste der 68er
Wie sie es als politische Persönlichkeit fünf Jahrzehnte durchhält, ist
keine Kleinigkeit: Sie geht mit den Zurückgelassenen, den erst später
Aufbrechenden und jenen, denen alles verwehrt wird. Das gelingt ihr als
Antifaschistin, Antisexistin, Antipopulistin und Antikapitalistin ohne die
Attacke auf die Falschen, ohne Männerhass, Opfer in den eigenen Reihen und
ohne Brutalität des kulturellen Befreiungskampfes. In der Kroymann treffen
sich Lebensweg, Erscheinung und Beruf: Erst abwartend, dann konsequent, nie
hybrisch. Und das in einem Umfeld, in dem die notwendige Maßlosigkeit des
Teenagertums bis in alle Ewigkeit ausgedehnt gehören soll. Das Krakeelen,
die fanatische Energieverbrennung ist eingepreist, ist der kurzfristigen
Profitmaximierung dienlich. Wäre sie doch Englischlehrerin geworden, wäre
sie eine gute, eine faire – eine Linke. Sie wäre zumindest die Beste der
Achtundsechziger*innen im Kollegium.
Nun könnte mensch noch schnippisch anmerken, dass die Kroymann sich nie zu
weit hinausgewagt hat, dass sie fürs Bürgertum immer so gerade eben noch
verkraftbar blieb; dass sie neben ihrem aktuellen Bühnenprogramm heute
nachrangige Comedy-Formate durch ihre Mitwirkung aufwertet. Aber warum soll
man das machen? Eine der großen Figuren des Kabaretts Karl-Kraus’scher
Provenienz wird heute siebzig: Wer sehr alt werden will, muss beizeiten
damit anfangen.
19 Jul 2019
## LINKS
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## AUTOREN
Anselm Lenz
## TAGS
Maren Kroymann
Comedy
Fernsehen
Maren Kroymann
Lesestück Interview
Grimme-Preis
Olga Grjasnowa
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