| # taz.de -- Transparenz in Hochschulen: Lauter leere Versprechen | |
| > Ein niedersächsischer Student wollte wissen, aus welchen Quellen die | |
| > Hochschulen des Landes Zuwendungen erhalten. Und stieß auf eine Wand. | |
| Bild: Doch, doch, da im niedersächsischen Nebel ist irgendwo eine Hochschule. … | |
| Welche Unternehmen unterstützen Niedersachsens Hochschulen und welche | |
| Gegenleistung verlangen sie dafür, wollte Christopher Bohlens wissen. Der | |
| Lüneburger Student schrieb im Januar alle 31 Hochschulen im Bundesland, | |
| staatlich wie private, an. Der Briefwechsel förderte vor allem ein Ergebnis | |
| zutage: Ein Informationsfreiheitsgesetz in Niedersachsen ist überfällig. | |
| Ein solches Gesetz erlaubt grundsätzlich jedem, Einblick in Akten von | |
| Behörden und Institutionen, die dem Land unterstehen, zu nehmen. Also auch | |
| in Hochschulakten. Elf Bundesländer haben eigene | |
| Informationsfreiheitsgesetze (IfG) verabschiedet. Sachsen, Hessen, | |
| Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen gehören nicht dazu. | |
| Bohlens berief sich in seinen Anfragen also auf die | |
| Antikorruptionsrichtlinie, die die rot-grüne Landesregierung im April 2014 | |
| geändert hatte. Demnach sollen die staatlichen Hochschulen | |
| Sponsoringleistungen „unverzüglich im Internet“ veröffentlichen. | |
| Doch nur eine private Hochschule, für die die Verordnung gar nicht gilt, | |
| schickte dem Studentenvertreter tatsächlich eine Liste mit den gewünschten | |
| Informationen. Neun staatliche Hochschulen verwiesen darauf, dass ihre | |
| Sponsoringberichte im Netz einsehbar seien; 18 Hochschulen antworteten gar | |
| nicht auf die Anfrage. Die restlichen vier fanden Gründe, die gewünschten | |
| Informationen zu verweigern. | |
| Die TU Clausthal antwortete beispielsweise, dass sich aus der Richtlinie | |
| „kein individueller Anspruch für jedermann“ ableiten ließe. Die Uni | |
| Göttingen teilte mit, dass sie die Richtlinie „lediglich als Empfehlung“ | |
| betrachte und sie daher nicht auskunftspflichtig sei. Die Hochschule hätte | |
| aber eine eigene Antikorruptionsrichtlinie verabschiedet. | |
| Die mangelnde Kooperation der Unis zeigt, wie gleichgültig den Unis der | |
| ministerielle Transparenzvorstoß ist. Hinzu kommt: Fast ein Jahr nach | |
| Verabschiedung der Richtlinie veröffentlichen nur 13 der 22 staatlichen | |
| Hochschulen im Internet, welche Leistungen sie sich von wem sponsern | |
| ließen. Und das, obwohl sich die Hochschulen bereits im November 2013 zu | |
| Transparenz verpflichtet hatten: „Wer in wessen Auftrag mit welcher | |
| Fragestellung forscht“, das wollten sie freiwillig offenlegen. | |
| ## Selbstverpflichtung ist rechtlich nicht bindend | |
| Vor einem Monat stimmten die Hochschulen in einem gemeinsamen | |
| Positionspapier mit dem Wissenschaftsministerium sogar zu, sämtliche | |
| Drittmittelzuwendungen jeweils bis Ende März des Folgejahres zu | |
| veröffentlichen. Wie zuvor ist die Selbstverpflichtung rechtlich nicht | |
| bindend. | |
| „Offensichtlich reicht die freiwillige Transparenzverpflichtung in | |
| Niedersachsen nicht aus“, urteilt Günter-Ulrich Tolkiehn von Transparency | |
| International. Schließlich habe die rot-grüne Regierung im | |
| Koalitionsvertrag bereits vor zwei Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz | |
| angekündigt, das sich an das Hamburger Transparenzgesetz anlehnt. Demnach | |
| wären die Hochschulen verpflichtet, Sponsoringdetails in ein öffentlich | |
| abrufbares Informationsregister einzuspeisen. Auch Subventionen oder | |
| Verträge, „an deren Veröffentlichung ein öffentliches Interesse besteht“, | |
| wären einsehbar. | |
| Nur: In Hannover liegt bis heute noch nicht mal ein Entwurf für das | |
| angekündigte Gesetz auf dem Tisch. Die Zurückhaltung der Regierung ist | |
| erstaunlich, schließlich haben Grüne und SPD zuvor in der Opposition nicht | |
| nur ein Transparenzgesetz gefordert – die Grünen haben 2009 sogar einen | |
| Entwurf in den Landtag eingebracht, der jedoch von CDU und FDP | |
| abgeschmettert wurde. | |
| Hält die rot-grüne Regierung Wort und verabschiedet das versprochene | |
| Informationsfreiheitsgesetz, hätten erstmals auch die Bürgerinnen und | |
| Bürger Auskunftsrecht bei den Hochschulen. Obwohl das wahrscheinlich nicht | |
| billig wäre – bis zu 500 Euro pro Anfrage stellen Behörden in anderen | |
| Bundesländern in Rechnung. | |
| ## Gesetz zur Offenlegung | |
| „Wir brauchen ein Gesetz, das Hochschulen zur Offenlegung aller Zuwendungen | |
| verpflichtet“, sagt Transparency-Mitarbeiter Tolkiehn und verweist auf | |
| Bremen. Dort wird gerade das Hochschulgesetz reformiert. Künftig müssen die | |
| Hochschulen alle Drittmittelzuwendungen unaufgefordert in eine Datenbank | |
| einspeisen – ein Novum in den Hochschulgesetzen der Länder. | |
| Die niedersächsischen Unis hingegen verbergen nicht, dass ihnen weniger | |
| Transparenz lieber ist. „Gottlob geht die Selbstverpflichtung in | |
| Niedersachsen nicht so weit wie die gesetzliche Regelung in Bremen“, sagt | |
| Hans-Jürgen Appelrath, Vizepräsident der Universität Oldenburg auf Radio | |
| Bremen. | |
| Bislang geben die niedersächsischen Hochschulen Fördersumme und Laufzeit | |
| ihrer Kooperationen mit der Wirtschaft preis, Projekttitel und Geldgeber | |
| aber nur, wenn darüber keine Vertraulichkeit vereinbart wurde. Und über den | |
| konkreten Vertragsinhalt der Drittmittelprojekte müssen die Hochschulen | |
| generell keine Auskunft geben. Darauf haben sich Unis und Politik gemeinsam | |
| verständigt. | |
| „Ein Informationsfreiheitsgesetz wie in Hamburg wäre ein erster Schritt“, | |
| sagt Studierendervertreter Bohlens. „Dann hätten zumindest die staatlichen | |
| Hochschulen auf meine Anfrage hin alle Sponsoringverträge offenlegen | |
| müssen.“ | |
| 11 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
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