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# taz.de -- Equal Pay Day: Nur schlecht verhandelt?
> Es gibt viele Gründe, aus denen Firmen Frauen weniger zahlen als Männern.
> Nun will die Politik ihnen per Gesetz auf den Zahn fühlen.
Bild: Nicht immer pflegeleicht: Kita-Kinder. Belastungen von ErzieherInnen werd…
BERLIN taz | Über ihren Lohn sollten sie nicht reden, die Angestellten des
Logistikunternehmens Süderelbe in Hamburg. Als sie sich endlich doch
trauten, stellten sie fest: Die Männer wurden als „gewerbliche
Arbeitnehmer“ bezahlt, die Frauen als „kaufmännische Arbeitnehmer“. Der
Unterschied betrug bis zu 300 Euro im Monat. Dabei machten sie alle exakt
dieselbe Lagerarbeit. Der Betriebsrat klagte. Mit Erfolg.
Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit – das kommt öfter vor, als man denkt:
Wer länger dabei ist, flexibler einsetzbar und eine bessere Ausbildung
habe, verdiene auch bessere Zulagen, fand die dänische Firma Danfoss. Alle
drei Kriterien können Frauen mit Familienpflichten benachteiligen, sagte
dagegen der EuGH: Die Zulagen mussten angeglichen werden.
Die Bundesregierung bekräftigt anlässlich des Equal Pay Day, des Tages, bis
zu dem Frauen umsonst arbeiten, während die Männer seit Januar bereits Lohn
beziehen, das sie Firmen nun mithilfe eines Gesetzes für gerechten Lohn,
„Transparenzgesetz“ genannt, auf den Zahn fühlen will. Sie sollen
offenlegen, in welcher Position welche Löhne gezahlt werden. Der Fall
Süderelbe wäre dann ebenso schnell offenbar geworden wie der Fall Danfoss.
Aber auch bei den frei verhandelten Gehältern, über die besonders
hartnäckig geschwiegen wird, gäbe es endlich Durchblick. Das etwa wäre in
Zukunft nicht mehr möglich: Zufällig erfuhr die Leiterin eines
wissenschaftlichen Instituts, was ihr Vorgänger verdiente. Tja, schlecht
verhandelt, feixen dann die Bessergestellten.
Bisher jedoch machen viele Frauen die Erfahrung, dass ihnen von Anfang an
weniger Gehalt angeboten wird. Das heißt, dass Männer nicht etwa ein
legendäres Verhandlungsgeschick haben, sondern schlicht fröhlich
akzeptieren, dass der Arbeitgeber ihnen eine Schippe mehr anbietet als der
Kollegin.
## Die Vertragsfreiheit endet am Grundgesetz
##
Auf ein zweites Problem bei dieser Sichtweise weist die Soziologin Karin
Tondorf hin, Expertin für Entgeltgleichheit: „Es ist die Pflicht der
Arbeitgeber, nicht zu diskriminieren – und nicht die Pflicht der
ArbeitnehmerInnen, ihr Gehalt hochzuschrauben“, meint sie. Die
Vertragsfreiheit, mit der dann viele ArbeitgeberInnen argumentierten, sei
nicht sakrosankt: „Die Vertragsfreiheit endet am Grundgesetz“, so Tondorf.
Ein weiteres typisches Einfallstor für ungleiche Bezahlung ist die
Teilzeit. Teilzeitarbeitsplätze werden oft nicht im Tarifvertrag
abgebildet. So zahlte eine Reinigungsfirma den TeilzeitlerInnen 700 Euro
weniger als den tariflich abgesicherten Vollzeit-ArbeitnehmerInnen. In
einer anderen Firma bekamen die VollzeitlerInnen alle zwei Jahre eine
Lohnerhöhung, die TeilzeitlerInnen aber nur alle vier Jahre.
Das schwierigste Gebiet aber ist die Arbeitsbewertung, nach der die
Eingruppierung ins Tarifsystem vorgenommen wird. In den historisch
gewachsenen Arbeitsbewertungen wurden psychische Belastungen oder
kommunikative Fähigkeiten oft nicht bewertet, weshalb der Forstarbeiter
mehr verdient als die Erzieherin.
## Wer bekommt den "Ekelzuschlag"?
Fahrer, die Schmutzwäsche transportieren, bekommen einen „Ekelzuschlag“,
Altenpflegerinnen aber nicht. Ein Bewertungskriterium im TvÖD lautet etwa
„Schwierigkeit und Bedeutung“ der Arbeit. Wenn man die Arbeit der Herren
der Schöpfung nun aber per se bedeutend findet, die der Frauen aber nicht?
Expertin Tondorf plädiert dafür, die Tätigkeiten kleinteiliger und genauer
zu beschreiben – und einheitliche Kriterien auf alle Arbeitsplätze
anzuwenden. ExpertInnen haben schon lange entsprechende Analyseinstrumente
zur Verfügung gestellt, so etwa das vom WSI entwickelte „eg-check“, mit dem
auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) arbeitet.
Das neue Gesetz für gerechten Lohn soll nun allen Unternehmen, die mehr als
500 Beschäftigte haben und nach dem Handelsgesetzbuch berichtspflichtig
sind, einen Bericht über die Lohnstruktur abverlangen. Die Hoffnung der
ExpertInnen ist dabei, dass der von den Firmen vorgelegte Bericht so
detailliert ausfällt, dass man ihn per eg-check auf Diskriminierungen
untersuchen kann.
## Nur eine Minderheit der Beschäftigten profitiert
Die Arbeitgeber sind schon im Vorfeld alarmiert und warnen vor Unfrieden im
Betrieb und Bürokratie. Die Gewerkschaften dagegen möchten mehr: „Uns geht
das Vorhaben nicht weit genug. Allein das Kriterium, das nur Unternehmen
mit mehr als 500 Beschäftigten zum Bericht verpflichtet sind, schließt zwei
Drittel aller fest Beschäftigten aus“, sagt Anja Weusthoff, beim DGB für
Frauenpolitik zuständig.
Zudem würde der DGB gern die Klagemöglichkeiten bei festgestellter
Diskriminierung erweitern: „Im Moment können Betriebsräte und
Gewerkschaften den Arbeitgeber nur bei ’groben Verstößen‘ gegen das AGG
verklagen. Und das gilt nicht für den öffentlichen Dienst, der ist gänzlich
ausgespart“, kritisiert Weusthoff.
Tondorf würde dagegen gern sehen, dass die Befugnisse der ADS ausgebaut
werden. In Schweden kann eine Ombudsstelle Betriebe auf Diskriminierungen
untersuchen – und sie zum Nachzahlen von entgangenem Lohn verpflichten.
Eine Lösung, die mit dieser Koalition sicher nicht zustande kommt.
20 Mar 2015
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
Equal Pay Day
Lohnlücke
Frauenrechte
Löhne
Gleichstellung
Frauen
Manuela Schwesig
Gleichberechtigung
Gleicher Lohn
Gleichstellung
Gleichberechtigung
Lohnlücke
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