| # taz.de -- Kommentar zum Equal Pay Day: Das Ende der Bescheidenheit | |
| > Frauen verdienen noch immer 22 Prozent weniger als Männer. Hartnäckig | |
| > hält sich das Zuverdienerinnen-Image. Und das ist gesellschaftlich | |
| > konstruiert. | |
| Bild: Demonstration zum Equal Pay Day 2014 am Brandenburger Tor in Berlin. | |
| Die Zeit fragt uns diese Woche provokant: „Ist Genie männlich?“ und weist | |
| darauf hin, wie wenig Frauen in wissenschaftlichen Spitzenjobs zu finden | |
| sind. Dass das Zentralorgan des linksliberalen Bürgertums sich nicht | |
| entblödet, sein Publikum mit dieser Frage „abzuholen“, sagt etwas über das | |
| Frauenbild. Und damit auch über die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, | |
| die wie immer 22 Prozent beträgt. | |
| Der Equal Pay Day am 20. März ist der Tag, bis zu dem Frauen in einem Jahr | |
| theoretisch umsonst arbeiten, während ihre männlichen Kollegen schon seit | |
| Januar ihr Gehalt beziehen. | |
| Das deutsche Genie war ja schon immer männlich. Frauen haben es nicht so | |
| drauf. Kein Wunder, die haben ja eher ihre Kinder im Kopf. Sie sind | |
| beruflich nicht voll einsetzbar. Und sie üben gern Berufe aus, in denen sie | |
| ihre weiblichen Stärken einsetzen können, Pflege und Betreuung und so. Da | |
| bekommt man nicht so viel Geld, weil diese weiblichen Stärken, die sind | |
| „unbezahlbar“ – also werden sie auch nicht bezahlt. | |
| Das Bemerkenswerte ist, dass der Aufruhr so klein ist. Dass Frauen sich in | |
| die Zuverdienerinnenrolle fallen lassen. Dass sie in Umfragen mit ihrem | |
| Mickergehalt sogar zufriedener sind als die Männer mit ihrem Lohn. Sie | |
| freuen sich, wenn sie überhaupt einen Job finden – wo sie doch auch noch | |
| Kinder haben. | |
| Obwohl die gesamte Arbeiterinnenschaft seit Erfindung des Kapitalismus ein | |
| Gegenbild sein könnte: Es hält sich das Zuverdienerinnen-Image. Die Damen | |
| sind ja so bescheiden. Dass sie Jahrhunderte lang von höherer Bildung | |
| ausgeschlossen waren, dass sie, als alle Welt sich in Parteien | |
| organisierte, ein Politikverbot hatten, dass die Nazis ihnen Orden fürs | |
| Kinderkriegen umhängten – alles vergessen. Nur das Erbe all dieser | |
| Einschränkungen, das sieht man heute in der weiblichen Bescheidenheit und | |
| naturalisiert die mal eben dazu, dass Frauen eben einfach anders seien. | |
| Die weibliche Bescheidenheit ist nicht natürlich. Sie wurde hergestellt. | |
| Und sie wird sich ändern. Und übrigens: Auch das männliche „Genie“ (alle… | |
| schon der sakralisierende Begriff!) ist hergestellt. Und zumindest bei der | |
| Zeit scheint es auch schon arg verblasst – sonst würde ihr diese Frage gar | |
| nicht einfallen. | |
| 20 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Heide Oestreich | |
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