# taz.de -- Alexis Tsipras in Berlin: Staatsbesuch mit schwerem Gepäck | |
> Griechenlands Ministerpräsident besucht die Kanzlerin – mit einer | |
> umfangreichen Liste. Sie reicht von Steuererhöhungen bis zu einer | |
> Rentenreform. | |
Bild: Mindestens so lang wie der rote Teppich: die Liste von Alexis Tsipras. | |
BERLIN taz | Um kurz vor 15 Uhr landete Alexis Tsipras am Montag auf dem | |
militärischen Teil des Flughafens Tegel. Eine Ehreneskorte nahm den | |
griechischen Ministerpräsidenten in Empfang. Es ist sein erster offizieller | |
Besuch in Berlin. Und er hat einiges im Gepäck. | |
Die Liste, die Tsipras mit in die deutsche Hauptstadt gebracht hat, ist | |
lang. Von Steuererhöhungen über Privatisierungen bis zu einer geplanten | |
Rentenreform: Bei seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
hat der griechische Ministerpräsident einen umfangreichen Katalog in der | |
Tasche, mit dem seine linksgeführte Regierung einen Ausweg aus der | |
Finanzkrise finden will. | |
Die Vorlage konkreter Reformpläne haben die Eurostaaten zur Bedingung für | |
die Auszahlung ausstehender Hilfskredite gemacht. Es geht um 7,2 Milliarden | |
Euro, die die Geldgeber wegen nicht eingehaltener Auflagen auf Eis gelegt | |
haben – und die Griechenland als Liquiditätsspritze dringend braucht, um in | |
den kommenden Wochen der Staatspleite zu entgehen. Denn das vorhandene Geld | |
reicht nur noch bis zum 9. April – dann ist die nächste Kreditrate an den | |
Internationalen Währungsfonds (IWF) fällig. | |
## „Finanzieller Würgegriff“ | |
In einem jetzt bekanntgewordenen Brandbrief hatte Tsipras bereits Mitte | |
März Kanzlerin Merkel gewarnt: „Diese Rückzahlungen alleine aus internen | |
Ressourcen zu bestreiten, würde tatsächlich die ohnehin schon geschwächte | |
griechische Sozialwirtschaft in einen weiteren Niedergang stürzen – eine | |
Perspektive, die ich nicht tolerieren werde.“ Seiner Regierung bleibe | |
keinerlei Spielraum mehr. „Es fällt schwer zu glauben, dass unsere Partner | |
meinen, dass unter solch restriktiven und erdrückenden Bedingungen – | |
einschließlich des finanziellen Würgegriffs, in dem meine Regierung derzeit | |
steckt – ein erfolgreicher Reformkurs gefahren werden könnte.“ | |
Noch sind zwar nicht alle Details der Liste bekannt, an der Tsipras mit | |
Finanzminister Gianis Varoufakis und Vizeregierungschef Giannis Dragasakis | |
das Wochenende über gefeilt haben. Aber das, was bereits bekannt ist, | |
zeigt, wie stark die linksgeführte Regierung in Athen mit dem Rücken zur | |
Wand steht. | |
So soll zu ihren Plänen gehören, dass griechische Arbeitnehmer in der Regel | |
künftig mit 67 Jahren statt bislang mit 65 Jahren abschlagsfrei in den | |
Ruhestand treten können. Mit hohen Rentenabschlägen soll der Vorruhestand | |
finanziell unattraktiver gemacht werden. Derzeit verlassen die Männer in | |
Griechenland mit durchschnittlich 61,9 Jahren den Arbeitsmarkt, die Frauen | |
mit 59,6 Jahren. | |
Auch das verhasste Privatisierungsprogramm der Vorgängerregierung, das die | |
neue Regierung nach ihrer Amtsübernahme umgehend gestoppt hatte, soll | |
wieder aufgenommen werden – allerdings entscheidend modifiziert. So soll | |
zwar der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport zwar nun doch 14 | |
griechische Regionalflughäfen übernehmen können. Aber an wichtigen | |
Verkehrseinrichtungen wie den Häfen von Piräus und Thessaloniki sollen nur | |
Anteile bis zu 49 Prozent verkauft werden. Damit blieben sie, wie von | |
Syriza im Wahlkampf versprochen, mehrheitlich in staatlichem Besitz. | |
## Touristen sollen zahlen | |
Teurer soll es für Touristen werden: Athen plant, die Mehrwertsteuer auf | |
den Touristeninseln in der Agäis anzuheben. Sie ist bislang niedriger als | |
auf dem Festland. Bisher gab es beispielsweise auf Mykonos oder Santorin | |
einen Nachlass von 30 Prozent. Auch die Mehrwertsteuer für Hotels soll | |
steigen, ebenso die Steuer auf Tabakwaren und Alkohol. | |
Trotz des Drucks der früher „Troika“ genannten Institutionen aus | |
Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank EZB und | |
EU-Kommission hält die Syriza-Regierung daran fest, die in der Bevölkerung | |
äußerst unbeliebte Immobiliensteuer wieder abzuschaffen. Ebenfalls gemäß | |
ihren Wahlkampfversprechen soll dafür die Steuer auf große Vermögen erhöht | |
werden. | |
Ebenfalls dem Syriza-Wahlprogramm entspricht das Gesetzespaket, das das | |
griechische Parlament bereits in der abgelaufenen Woche verabschiedet hat, | |
um die daniederliegende Steuermoral im Land zu heben. Dazu gehören | |
langfristige Tilgungspläne und eine Amnestie für Steuerhinterzieher, wie es | |
sie in ähnlicher Form in früheren Jahren auch in Deutschland gegeben hat. | |
Zudem wollen die Steuerbehörden in den kommenden Tagen alle Griechen, die | |
Schwarzgeld ins Ausland überwiesen haben, aufrufen, sich beim Finanzamt zu | |
melden. | |
„Wir wissen, wer sie sind, und geben ihnen eine letzte Chance, sich zu | |
retten“, sagte ein hoher Beamter im Finanzministerium der Deutschen | |
Presse-Agentur. In Athen sollen bereits die Listen Tausender Griechen | |
vorliegen, die in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 100.000 Euro ins | |
Ausland überwiesen haben. Nach Angaben des Finanzministeriums schulden rund | |
3,7 Millionen Griechen und 447.000 Unternehmen dem Staat etwa 76 Milliarden | |
Euro. Allerdings rechnet die Regierung in Athen damit, nur rund 8,9 | |
Milliarden Euro der Steuerschulden eintreiben zu können. | |
23 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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