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# taz.de -- Aktivist über die Klimapolitik: „Gegenmacht an strategischen Ort…
> Die Augen der klimapolitischen Bewegung richten sich auf den nächsten
> Gipfel in Paris. Tadzio Müller erklärt, was die Ziele der Aktivisten
> sind.
Bild: Jede Menge CO2: Braunkohletagebau Garzweiler
taz: Herr Müller, die Klimabewegung schimpft immer über den nutzlosen
Gipfelzirkus, niemand glaubt, dass die nächste UN-Konferenz das Klima
retten wird. Warum mobilisieren Sie, trotz der Pleite von Kopenhagen,
wieder zur Demo beim Gipfel im Dezember in Paris?
Tadzio Müller: Tatsächlich ist es so, dass die Gipfel nicht die Orte sind,
wo wir die nötigen massiven CO2-Reduktionen erwarten. Das heißt aber nicht,
dass sie total sinnlos sind. Es gibt Dinge, die nur auf diesen Gipfeln
besprochen werden.
Zum Beispiel?
Wer bezahlt für die globalen Schäden durch den Klimawandel, den das
Wirtschaftssystem des globalen Nordens hervorgebracht hat? Diese Schäden
sind mittlerweile quantifizierbar, aber über sie wird nirgendwo sonst als
auf den UN-Gipfeln diskutiert – wenngleich dort viel zu wenig Geld auf den
Tisch gelegt wird. Trotzdem muss diese Frage auf die Agenda gesetzt werden.
Vor allem die Klimaschutz-Gruppen des globalen Südens sagen: Der Gipfel ist
der richtige Ort dafür. Das muss man ernst nehmen.
Sie sprechen nur von Schadensregulierung. Hat sich die Bewegung also davon
verabschiedet, die Klimadiskussion noch beeinflussen zu wollen?
Natürlich nicht. Aber dafür ist Paris tatsächlich nicht der entscheidende
Ort. In Deutschland können wir effektiv für eine CO2-Reduktion kämpfen, es
gibt Orte wie Garzweiler, da steigen wir voll in den Antikohlekampf ein. So
können wir Druck auf den deutschen Stromsektor aufbauen, einen wichtigen
Emissionsproduzenten. Ähnliche Orte gibt es aber nicht für die Verhandlung
der Klimaschuld. Das ist für eine soziale Bewegungen sehr schwierig. Wo
wollen sie da eine Blockade oder Demo machen – wenn nicht bei den Gipfeln?
Die Proteste in Kopenhagen bestanden aus einer Familien-Großdemo am
Wochenende, danach vier Tage kleine Scharmützel mit den Übriggebliebenen.
Am Ende herrschte allgemeine Katerstimmung. Wird es diesmal wieder so?
Die Gipfel werden immer mit viel Zynismus betrachtet, das ist die
Schwierigkeit für unser Narrativ. Wie bringt man die Leute an einen Ort, an
dem immer wieder gescheitert wird? Will man da auch immer scheitern? In
Frankreich allerdings gibt es sehr breite sozial-ökologische Kämpfe. Die
werden Zehntausende auf die Straße bringen. Paris wird dynamisch werden,
weil der Protest dort von dynamischen Bewegungen organisiert wird. Und er
kann größer werden als Kopenhagen.
Außer womöglich der Größe ändert sich also nichts?
Es gibt Lernprozesse. Zum Beispiel waren die Demos sonst immer am zweiten
der drei Gipfelwochenende. Es war eine appellative Demo, die die Illusion
der Gestaltungskraft der Gipfel aufrechterhalten hat. Das klang dann im
besten Fall naiv wie bei Greenpeace: „Act now!“. Die Erzählung war: Das ist
jetzt der letzte Ort, um das Klima zu retten. Dann kommen 100.000 Leute, am
Ende kommt nur Schmu raus und die Leute sind frustriert. Diesmal gibt es
deshalb keine große Demo in der Mitte. Stattdessen wird es am
1.-Gipfel-Wochenende in den Hauptstädten dezentrale Aktionen für den
Ausstieg aus den fossilen Energien geben. Erst am Ende des Gipfels gibt es
dann eine große Demo, auch mit ungehorsamen Aktionen.
Dann ist doch alles gelaufen.
Eben nicht. Wir sehen den Gipfel ja nicht mehr als den Ort, an dem die Welt
gerettet wird, sondern als ein Teil des Puzzles. Und danach machen wir
weiter mit dem Kampf um Klimagerechtigkeit.
Wir sind noch nicht überzeugt. Wenn in Paris nicht das Klima gerettet wird
– warum soll ich dann dort demonstrieren?
Weil wir die Regierungen nicht ungestraft scheitern lassen dürfen. So
schwach der UN-Prozess auch ist, er darf nicht von der fossilen Lobby
dominiert werden. Wir müssen ein Zeichen der globalen Solidarität setzen.
Und trotzdem gilt: Der zentrale Kampf für den Klimaschutz in Deutschland
ist der gegen die Braunkohle. Und wenn wir dort siegen, hat das eine
stärkere internationale Signalwirkung als in Paris.
Die Kohlelobby geht gerade voll in die Offensive. Wie gedenken Sie, sich in
Deutschland gegen die durchzusetzen?
Die Konferenz in Köln ist auch der Versuch, einen stärkeren Fokus auf die
Bewegungsstrukturen im Rheinland zu setzen. Das dortige Braunkohlerevier
ist nicht weit. Der Kampf gegen den Extraktivismus, gegen die Braunkohle,
ist wie der Anti-AKW-Kampf: Er braucht seine Orte – und er hat seine Orte.
Man kann nicht immer vor irgendwelche Ministerien ziehen. Man muss
Gegenmacht an strategischen Orten aufbauen. Gorleben war dafür perfekt,
dort ist das gelungen. Dort musste die Atomindustrie immer wieder hin – und
wir waren immer schon da. So funktionieren soziale Bewegungen.
Garzweiler gibt es seit Jahrzehnten, und die Lage dort ist nicht
ansatzweise mit der im Wendland zu vergleichen.
Das Rheinland ist der europäische CO2-Hotspot, und es gibt dort sehr wohl
lange gewachsene Strukturen, Bürgerinitiativen, etwa von
Bergbaugeschädigten oder -vertriebenen. Und wir finden es sinnvoll, nun
noch stärker als bislang dorthin zu gehen. Natürlich glaubt keiner, dass
nach der Menschenkette, die wir im April machen, die Braunkohlebagger
abgeschaltet werden. Aber wir versuchen, den Kampf im Rheinland immer
mitzudenken – auch für die Zeit nach Paris.
Am Wochenende habe Sie dafür zu einer Konferenz eingeladen, die
Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sehr heterogen. Gibt es gemeinsame
Ansätze?
Es sind 350 Menschen aus vier Kontinenten gekommen, Kleinbauern und
radikale Klimaschützer waren ebenso dabei wie Bürgerenergie-Aktivisten.
Teils gab es große Skepsis gegenüber der Paris-Mobilisierung, es herrscht
natürlich tiefes Misstrauen gegen den Gipfel. Aber die starke Intervention
einer peruanischen Aktivistin bei der Konferenz hat allen Anwesenden
klargemacht: Der Kampf für Kohleausstieg und für die Klimagerechtigkeit
sind nicht zu trennen. Wir müssen nach Paris und nach Garzweiler.
13 Apr 2015
## AUTOREN
Ingo Arzt
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Fossile Brennstoffe
UN-Klimakonferenz
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