# taz.de -- Kommentar Seenotrettung: Massengrab Mittelmeer | |
> 700 tote Flüchtlinge: Europa muss sich auf das Machbare konzentrieren – | |
> und von der Illusion verabschieden, es könne die Flüchtlinge fernhalten. | |
Bild: Die Gleichung „Weniger Rettung heißt weniger Flüchtlinge“ geht nich… | |
Die Saison, in der die Flüchtlingsschiffe von Libyens oder auch Ägyptens | |
Küste abfahren, hat gerade erst angefangen, aber schon jetzt wird deutlich, | |
dass 2015 das Jahr eines traurigen Rekords werden kann: des Rekords an | |
Toten im Mittelmeer. Allein seit Sonntag vergangener Woche starben | |
womöglich über 1.150 Menschen, und auch die Zahlen der einzelnen | |
Katastrophen erreichen neue Dimensionen, mit 400 Opfern am vergangenen und | |
sogar 700 Toten an diesem Sonntag. | |
Schon jetzt lässt sich die routinierte Dramaturgie vorhersagen, die in den | |
nächsten Tagen zur Aufführung kommen wird. Am Anfang werden entsetzte, | |
empörte Erklärungen stehen, abgegeben von Politikern quer durch Europa, mit | |
dem Tenor „Wir dürfen dem Massensterben im Mittelmeer nicht weiterhin | |
tatenlos zuschauen“. | |
Dann aber wird die Debatte wieder beginnen: Was ist zu tun? Und das Gros | |
der Antworten wird leider einfach gestrickt bis ratlos sein. | |
Sehr einfach gestrickt ist zum Beispiel die Argumentationslinie des | |
deutschen Innenministers Thomas de Maizière: Er meint, ein Ausbau der | |
Seenotrettung wirke als Magnet, gleichsam als Amtshilfe für die Schleuser. | |
Dabei zeigt die Einstellung der italienischen „Mare Nostrum“-Mission, dass | |
die Gleichung „Weniger Rettung heißt weniger Flüchtlinge“ nicht aufgeht; … | |
Zweifelsfall fallen bloß mehr Tote an. | |
## „Mare Nostrum“ wieder aufnehmen! | |
Es ist keine Frage, dass Europa gut beraten wäre, wieder einen gemeinsamen, | |
potenzierten Rettungseinsatz wie das bis November 2014 von Italien | |
durchgeführte „Mare Nostrum“ aufzunehmen. | |
Klar ist aber auch: Katastrophen sind selbst dann nicht sicher zu | |
verhindern. Dies lehren gerade die Tragödien der letzten Tage: Beide Male | |
war ein rettendes Schiff vor Ort, beide Male kenterten die heillos | |
überladenen Flüchtlingskähne, wohl gerade weil die Menschen in jenem Moment | |
alle auf eine Seite ihres Schiffs strebten. | |
Und völlig naiv ist schließlich die Forderung, den Menschen schon in | |
Nordafrika Zugang zu Asyl zu gewähren: Angesichts der Situation in Libyen | |
ist dies gegenwärtig völlig unpraktikabel. Statt unrealistische Lösungen zu | |
diskutieren, sollte Europa sich auf das Machbare konzentrieren, gemeinsam | |
und mit der nötigen Energie. Und es sollte sich endlich von der Illusion | |
verabschieden, es könne die Flüchtlinge fernhalten. | |
19 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Küstenwache | |
Italien | |
Mare Nostrum | |
Flüchtlinge | |
Mittelmeer | |
Matteo Renzi | |
Bundeswehr | |
UNHCR | |
Europa | |
Griechenland | |
Malta | |
Günther Jauch | |
Asylrecht | |
Schiffsunglück | |
Triton | |
Initiative | |
Schiffsunglück | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Italien gönnt sich eine Wahlreform: Ein Gesetz ganz nach gusto | |
Klare Mehrheiten wollte Ministerpräsident Matteo Renzi zukünftig im | |
Parlament. Das dürfte ihm mit der Reform in der Tat gelungen sein. | |
Vor dem EU-Flüchtlingsgipfel: Einsatz für Rettungsmissionen | |
EU-Parlamentarier wollen eine Neuauflage von „Mare Nostrum“ erzwingen. Die | |
Bundeswehr zeigt sich bereit, Schiffe ins Mittelmeer zu schicken. | |
UNHCR über Flüchtlinge in Libyen: „Die Lage wird immer prekärer“ | |
Es ist schwer, ein Mindestmaß an Versorgung für die Flüchtlinge in dem | |
zerfallenden Staat zu leisten, sagt die UNHCR-Mitarbeiterin Sarah Kahn. | |
Kommentar Katastrophe im Mittelmeer: Die Pflicht, einzugreifen | |
Es gibt eine völkerrechtliche Verpflichtung zum Handeln im Falle von | |
„großem Verlust an Menschenleben“. Worauf warten wir also? | |
Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Schiff vor Rhodos zerschellt | |
Ein Flüchtlingsboot, das offenbar aus der Türkei kam, ist direkt vor der | |
Touristeninsel Rhodos zerschellt. Mindestens drei Menschen starben, 93 | |
wurden gerettet. | |
Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: Zahl der Toten steigt weiter | |
Bei der erneuten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer werden rund 950 Tote | |
befürchtet. Hilfsorganisationen und Politiker drängen auf Konsequenzen | |
seitens der EU. | |
TV-Talk Günther Jauch: Wenn man keine Ahnung hat, … | |
… einfach mal die Klappe halten. Ihren stärksten Moment hatte die | |
Jauch-Sendung vom Sonntag in der einen Minute, in der absolute Stille | |
herrschte. | |
Seenotrettung im Mittelmeer: Rund 30 Cent pro EU-Bürger | |
Nach der Einstellung der Marinemission Mare Nostrum wird die Zahl der Toten | |
wohl steigen. Wie könnte eine neue Seerettungsmission aussehen? | |
Schiffsunglück vor Libyen: 700 Tote befürchtet | |
Bei einem Schiffsunglück im Mittelmeer könnten bis zu 700 Flüchtlinge ums | |
Leben gekommen sein. Ihr Boot kenterte am Sonntag nördlich der libyschen | |
Küste. | |
Debatte Flüchtlingspolitik: Der Preis der Verrohung | |
Menschenrechte sind nicht billig. Der Preis für eine menschenverachtende | |
Asylpolitik wird aber noch viel höher sein. | |
Hotline für Flüchtlinge in Seenot: Druck für mehr Verantwortung | |
Wohl dank des „Alarm-Phones“ wurden vor kurzem 600 Flüchtlinge vor der | |
libyschen Küste gerettet. Eine Initiative will das Sterben auf See beenden. | |
Flüchtlinge an Europas Außengrenze: Erneut Tote im Mittelmeer | |
40 Menschen sollen beim Untergang eines Flüchtlingsschiffs umgekommen sein. | |
Auf einem anderen Schiff soll ein religiös motivierter Streit Todesopfer | |
gefordert haben. |