# taz.de -- Seenotrettung im Mittelmeer: Rund 30 Cent pro EU-Bürger | |
> Nach der Einstellung der Marinemission Mare Nostrum wird die Zahl der | |
> Toten wohl steigen. Wie könnte eine neue Seerettungsmission aussehen? | |
Bild: Mare Nostrum stellte Beitrag zur Rettung der Schiffbrüchigen dar. Zum No… | |
Nach dem [1][offenbar bislang schlimmsten Unglück im Mittelmeer] haben | |
Politiker und NGOs die Forderung nach einer europäischen Seerettungsmission | |
bekräftigt. „Wer jetzt nicht handelt, macht sich unterlassener | |
Hilfeleistung schuldig“, sagte der SPD-Politiker Frank Schwabe. „Das | |
Schwarze-Peter-Spiel muss jetzt schnell beendet werden.“ | |
Eine Nachfolgemission der [2][italienischen Marinemission „Mare Nostrum“] | |
wäre keineswegs ein Anreiz für weitere Flüchtlinge, „sondern ein Gebot der | |
Menschlichkeit“, so Schwabe. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) | |
müsse eine solche Rettungsmission umgehend europäisch durchzusetzen. De | |
Maizière hatte ein neues Seenotrettungsprogramm kürzlich abgelehnt. | |
Die Grüne EU-Politikerin Barbara Lochbihler sagte, die „Tatenlosigkeit der | |
Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten“ sei „längst nicht mehr | |
hinnehmbar“. Auch sie forderte eine europäische Seenotrettung und legale | |
Einreisemöglichkeiten in die EU. Die Bundeskanzlerin schweige in der Frage | |
„konsequent“, die Union spiele „den Schleusern in die Hände“ und die S… | |
komme „über Worte des Bedauerns nicht hinaus“, so Lochbihler. | |
Es sei „an der Zeit, dass Deutschland seine restriktive Abwarte- und | |
Abwehrhaltung aufgibt und sich in Europa an die Spitze setzt, um | |
umfangreiche Hilfsmaßnahmen schnell und unbürokratisch zu organisieren“, | |
sagte auch der Linken-Fraktionsvize Jan Korte. | |
## „Abschottungsoperation“ Triton | |
Die [3][Initiative Watch the Med] – zu Deutsch etwa: Augen auf's Mittelmeer | |
– die seit Oktober eine [4][Hotline für in Seenot geratene Flüchtlinge] | |
betreibt, sprach davon, dass die EU „Flüchtlinge tötet.“ In einer am | |
Sonntag verbreiteten Erklärung der Initiative heißt es: „Die EU hätte die | |
Mittel und die Möglichkeiten, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. | |
[5][Aber sie lässt die Menschen ertrinken.]“ | |
Die Verantwortung dafür trügen die EU-SpitzenpolitikerInnen, die am 27. | |
August 2014 in Brüssel das Ende der italienischen Mare Nostrum Operation, | |
das Herunterfahren der Rettungsprogramme im Mittelmeer und die | |
„Abschottungsoperation Triton-Frontex vor den italienischen Küsten | |
beschlossen haben“, so die Initiative. | |
Die AktivistInnen seien in den letzten Wochen direkte ZeugInnen geworden, | |
„wenn Flüchtlinge auf Booten um das Überleben kämpften und Angehörige um | |
sie bangten“, heißt es in der Stellungnahme. „Wir wurden zudem ZeugInnen, | |
wie sich die Küstenwachen Italiens und Maltas sowie immer mehr Besatzungen | |
kommerzieller Schiffe um Rettung bemühten, das Sterben aber oftmals nicht | |
verhindern konnten, weil sie zur Rettung nicht ausreichend ausgerüstet | |
waren.“ Die Initiative rief zu „sofortigen direkten Aktionen gegen die | |
mörderische Politik der EU“ auf. | |
## Kaum Unterstützung durch die EU | |
Aber wie könnte eine Seerettungsmission konkret aussehen – und was würde | |
sie kosten? | |
Soweit bekannt hat die seit Herbst 2013 laufende italienische Marinemission | |
Mare Nostrum etwa 9 Millionen Euro im Monat gekostet. Italien hatte im | |
vergangenen Jahr die Einstellung von Mare Nostrum angekündigt, weil die EU | |
nur rund ein Zehntel der Kosten tragen wollte. | |
Mit Mare Nostrum ließ sich ein substanzieller Beitrag zur Rettung der | |
Schiffbrüchigen leisten. Alle Unglücke verhindern konnten die Italiener | |
allerdings nicht: 2014 starben offiziell etwa 3.600 Flüchtlinge im | |
Mittelmeer, über 150.000 erreichten Italien. Eine Dunkelziffer eingerechnet | |
muss mit einer Sterberate von knapp 3 Prozent gerechnet werden – von 30 bis | |
40 Menschen, die die Überfahrt aus Libyen wagen, ertrinkt einer. Soweit | |
bekannt dürfte in diesem Jahr die Sterbequote höher liegen. | |
An der europäischen Flüchtlingsrettung müssten sich alle Mitgliedstaaten | |
gemäß ihrer Wirtschaftskraft finanziell und mit Schiffen, Hubschraubern und | |
Personal beteiligen, die Kapazitäten müssten über die von Mare Nostrum | |
hinausgehen. Die monatlichen Kosten dafür könnten so möglicherweise in | |
einer Größenordnung von rund 15 Millionen Euro liegen – Folgekosten für die | |
Versorgung der Flüchtlinge noch nicht eingerechnet. Auf das Jahr gerechnet | |
würde sich der Aufwand für die Patrouillen vor Libyen auf etwa 180 | |
Millionen Euro summieren. Das wären pro EU-Bürger rund 30 Cent. | |
19 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Schiffsunglueck-vor-Libyen/!158391/ | |
[2] /!145013/ | |
[3] http://www.watchthemed.net/index.php/page/index/12 | |
[4] /!158286/ | |
[5] http://www.facebook.com/watchthemed.alarmphone/posts/1572486993025538?_rdr | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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