| # taz.de -- Ökonom über Wirtschaftsweisen: „Wachstum nicht um jeden Preis“ | |
| > Die Arbeitszeit muss verkürzt werden, sagt Heinz-J. Bontrup von der | |
| > Gruppe Alternative Wirtschaftspolitik, die den Wirtschaftsweisen Kontra | |
| > gibt. | |
| Bild: Der Wirtschaftsminister und seine Kumpel von Thyssen und dem BDI haben gu… | |
| taz: Herr Bontrup, was trieb Sie, Rudolf Hickel, Jörg Huffschmid und andere | |
| Ökonomen 1975 dazu, die „Memorandum-Gruppe“ für alternative | |
| Wirtschaftspolitik zu gründen? | |
| Heinz-Josef Bontrup: Es gab einen Paradigmenwechsel in der Bundesregierung: | |
| Weg von einer nachfrageorientierten, hin zu einer angebotsorientierten, | |
| neoklassischen Politik. Heute sagen wir: neoliberale Politik. Das hat uns | |
| inspiriert, eine „alternative“ Arbeitsgruppe zu gründen. | |
| Mit „Stagflation“ und dem Beginn der Massenarbeitslosigkeit war 1974/75 – | |
| am Ende der Ära Willy Brandt – auch der Keynesianismus in Verruf geraten. | |
| Wir haben dagegen immer einen Linkskeynesianismus betont, der sich nicht | |
| allein auf antizyklische Fiskalpolitik verlässt. Stattdessen haben wir | |
| damit die Verteilungsfrage verbunden – Armut und Reichtum. Ein Problem, das | |
| gerade wieder der französische Ökonom Piketty ins Bewusstsein ruft. Wenn | |
| Gewinne im Verhältnis zu den Löhnen zu stark steigen, gibt es Probleme in | |
| der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Es fehlt an Kaufkraft bei den | |
| abhängig Beschäftigten. | |
| Wie gelang es, Sozialdemokraten, Grüne und Kommunisten, Marxisten und | |
| Keynesianer unter einen Hut zu bringen? | |
| Da ist viel hineininterpretiert worden. Wir hatten immer den gemeinsamen | |
| Nenner einer nachfrageorientierten, linkskeynesianischen Politik. Und: | |
| „Arbeitsmärkte“ wurden von uns nicht wie normale Märkte behandelt. | |
| Ihre Forderungen zielen letztlich immer auf eine Erhöhung der Nachfrage ab. | |
| Wo soll das hinführen – soll es noch mehr Autos geben? | |
| … nein, nein. Wachstum bitte nicht um jeden Preis. Wir wollen ein ökologie- | |
| und sozialorientiertes Wachstum. | |
| Und wo entstehen die neuen Jobs? | |
| Auch in „neuen“ Feldern wie der Altenpflege. Ausreichend neue Jobs wird es | |
| nicht in der „alten“ Wirtschaft geben: Die Produktivität dürfte weiterhin | |
| schneller zulegen als das reale Wachstum. Unser Ansatz ist ganz altmodisch: | |
| Arbeitszeitverkürzung. | |
| Glauben Sie wirklich, Sie könnten den Kapitalismus in seine Schranken | |
| weisen, wenn man Sie nur ließe? | |
| Ja. Mit einer Wirtschaftsdemokratie könnte man den Kapitalismus in seine | |
| Schranken verweisen. Davon ist unsere Gruppe fest überzeugt. | |
| Ist der Spielraum nationaler Wirtschaftspolitik dafür angesichts der | |
| Globalisierung nicht zu klein geworden? | |
| Nein. Da Deutschland das größte und wirtschaftlich potenteste Land in der | |
| EU ist, strahlt seine (falsche) Wirtschaftspolitik aus. Das sehen wir in | |
| Griechenland oder an der wirtschaftlichen Krise in den meisten europäischen | |
| Ländern. | |
| Das „Memo“ gilt zwar als Gegengutachten zum jährlichen Bericht der „Fünf | |
| Weisen“. Doch selbst Wohlgesinnte kritisieren, es würden die immer gleichen | |
| Positionen vertreten: Umverteilung, Steuererhöhungen, staatliche | |
| Investitionsprogramme. | |
| Wenn die gleichen Positionen richtig sind, kann man doch nichts dagegen | |
| haben. Andersherum war etwa die Senkung der Besteuerung von Gewinnen oder | |
| der Abbau des Sozialstaates falsche Politik – vor vier Jahrzehnten genauso | |
| wie heute. | |
| Warum sollte man dann das 40. Memo noch lesen? | |
| Es hat immer Entwicklung gegeben. Beispielsweise in der Ordnungspolitik | |
| unser Modell einer Wirtschaftsdemokratie. Andere Fachbereiche wie Ökologie | |
| oder feministische Ökonomie sind hinzugekommen. Dank Jörg Huffschmid wuchs | |
| aus der nationalen Gruppe eine internationale hervor, die Jahr für Jahr mit | |
| dem „Euro-Memo“ einen Kontrapunkt setzt. Und am Dienstag lassen Sie sich | |
| mal überraschen. | |
| 27 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Hermannus Pfeiffer | |
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