# taz.de -- Günstiger Wohnraum für Arbeitsmigranten: Wohnungen als Problemlö… | |
> In Niedersachsen verlangen Gewerkschafter eine Neuauflage des sozialen | |
> Wohnungsbaus. Grüne setzen dagegen auf höhere Löhne. | |
Bild: Gewerkschaften wollen mehr Sozialwohnungen – aber wohl kein zweites Ihm… | |
HANNOVER taz | Die Gewerkschaftsforderung nach einem staatlichen | |
Wohnungsbauprogramm für Einkommensschwache, ArbeitsmigrantInnen mit | |
Werkverträgen und Flüchtlinge stößt in Niedersachsens rot-grüner | |
Regierungskoalition auf geteiltes Echo. „Das ist ein wichtiger Anstoß“, | |
sagte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Gerd Will, der taz. | |
Für die Grünen verwies deren Fraktionsvize Thomas Schremmer dagegen auf das | |
bereits laufende Wohnungsbau-Förderprogramm, mit dem das Land jährlich | |
Darlehen von rund 40 Millionen Euro zur Verfügung stellt. | |
Zuvor hatte sich der Leiter der vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) | |
getragenen und vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium mitfinanzierten | |
Beratungsstelle „Arbeit und Leben“, Bernd Bischoff, für bezahlbaren | |
Wohnraum starkgemacht: „Es fehlt so etwas wie sozialer Wohnungsbau.“ Der | |
DGB-Mann reagierte damit auf den Brand einer Wohnunterkunft, in der bis zum | |
26. April ein knappes Dutzend aus Rumänien stammende Werkvertragsarbeiter | |
der Fleischindustrie lebten. | |
Zwar wurde niemand schwer verletzt – doch weckt das Feuer Erinnerungen an | |
das verheerende Unglück von Papenburg, bei dem im Sommer 2013 zwei | |
Leiharbeiter der Meyer-Werft verbrannten. | |
Die miserablen Arbeits- und Wohnbedingungen der Werkvertragsarbeiter sind | |
deshalb seit Jahren Thema: „In Rumänien beträgt der Mindestlohn 170 Euro | |
netto im Monat“, sagt Daniela Reim, die für „Arbeit und Leben“ MigrantIn… | |
berät. In manchen Landesteilen liege die Arbeitslosenquote bei 60 Prozent. | |
„Das wird ausgenutzt“, weiß Reim – aus Not, ihre Familien unterstützen … | |
müssen, akzeptieren viele in Deutschland effektive Nettolöhne von vier Euro | |
und weniger. | |
Erst im März hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel die jetzt abgebrannte Unterkunft | |
in der Gemeinde Essen im Kreis Cloppenburg besucht und die | |
Lebensbedingungen als eine „Schande für Deutschland“ bezeichnet. Zwar | |
ermittelt die Polizei wegen Brandstiftung – doch offenbar wurden in der | |
maroden Unterkunft auch simpelste Sicherheitsbestimmungen ignoriert. | |
„Stromkabel lagen blank, an der Gastherme war die offene Flamme sichtbar“, | |
erinnert sich Matthias Brümmer von der Gewerkschaft Nahrung Genuss | |
Gaststätten (NGG), der den Vizekanzler Gabriel begleitet hat. Dabei ist | |
Essen kein Einzelfall: In Oldenburg mussten rumänische Arbeiter sogar in | |
einer Scheune hausen, erzählt DGB-Mann Bischoff. | |
Immerhin: Der Kreis Cloppenburg hat versucht, alle 280 Wohnunterkünfte für | |
Werkvertragsarbeiter in seinem Gebiet zu untersuchen – und stieß in 131 | |
Fällen auf Mängel. „Meistens geht es um Überbelegung oder fehlenden | |
Brandschutz“, sagt Kreissprecher Frank Beumker. Die abgebrannte Unterkunft | |
in Essen sei allerdings nicht kontrolliert worden: Der Eigentümer habe der | |
Bauaufsicht den Zutritt verwehrt. | |
Von „Zuständen, die der Sklaverei ähneln“, spricht deshalb der | |
NGG-Gewerkschafter Brümmer. Wie sein Kollege Bischoff fordert auch er | |
„sozialen Wohnungsbau“ – und bekommt Unterstützung von | |
Flüchtlingsverbänden: „Gerade in Großstädten“, sagt Kai Weber vom | |
Flüchtlingsrat Niedersachsen, „herrscht auf dem Wohnungsmarkt doch schon | |
heute ein heftiger Verdrängungswettbewerb.“ | |
Der grüne Arbeits- und Sozialpolitiker Schremmer setzt dagegen gerade im | |
„Fleischgürtel“ auf eine bessere Beratung der ArbeitsmigrantInnen – rund… | |
Cloppenburg und Vechta herrsche keine Wohnungsnot. „Viele könnten einen | |
Wohnberechtigungsschein oder eine Aufstockung ihres skandalös niedrigen | |
Gehalts beantragen“, glaubt er. Gefordert sei in erster Linie die | |
Fleischindustrie. „Mit den Dumpinglöhnen muss Schluss sein.“ | |
7 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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