Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- DIE PRAKTIKEN DER FLEISCHBRANCHE: "Selbständige" Akkordarbeiter
> Opposition in Niedersachsen und im Bund möchte schlechte
> Arbeitsbedingungen und Missbrauch von Werkverträgen nicht mehr hinnehmen.
Bild: Oft nur formal selbständig: Beschäftigte eines Schlachthofs.
Das Lohndumping in der niedersächsischen Fleischindustrie ist Teil eines
umfassenden Problems: dem Missbrauch von [1][Werkverträgen] zur Umgehung
des Tarifrechts. So sehen es zumindest die Gewerkschaften, die im Rahmen
des DGB Anfang Oktober ein Positionspapier dazu veröffentlicht haben. Die
Linke im niedersächsischen Landtag und die SPD im Bundestag haben das Thema
mit parlamentarischen Initiativen aufgegriffen.
Die Diskussion über die [2][Arbeits- und Lebensbedingungen] von
Arbeitsmigranten, die mit Werkverträgen ins Land geholt werden, hat in den
vergangenen Tagen an Dynamik gewonnen, nachdem der Prälat von Vechta, Peter
Kossen, die Zustände von der Kanzel herab gegeißelt hatte. Nach seiner
letzten Predigt lag ein Kaninchenfell samt Kopf vor seiner Haustür.
Kossen hatte die Frage gestellt, wie es denn zu rechtfertigen sei, dass
osteuropäische Arbeiter nur die Hälfte oder ein Drittel des Lohns ihrer
deutschen Kollegen bekämen. Möglich wird das nach Einschätzung der
Gewerkschaften dadurch, dass die Schlachtbetriebe ihre Arbeit an Sub- oder
Sub-Sub-Unternehmen vergeben, die die Arbeiter wiederum als Selbständige
oder Honorarkräfte beschäftigen.
In diesem Fall müssten die Leute mit eigenem Werkzeug und eigener
Verantwortung ihr Werk abliefern, sagt Karin Vladimirov von der
Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Das sei aber in vielen
Fällen – gerade in den Schlachthöfen – eine Fiktion. „Die kriegen den
Auftrag, die Tiere nach einem Schnittmuster zu zerlegen“, sagt Vladimirov.
Häufig seien die Beschäftigen nur formal unabhängig, tatsächlich jedoch
unter der Fuchtel eines „Arbeitgebers“.
Nach einer Umfrage der NGG unter 400 Betriebsräten im Frühjahr sind 13
Prozent der Beschäftigten in der Ernährungswirtschaft Leih- oder
Werkvertragsarbeitnehmer. Die Werksverträgler verdienten im Schnitt sechs
Euro weniger als die Stammbelegschaft. Auf Schlachthöfen stellten sie bis
zu 90 Prozent der Mitarbeiter.
„Das ist hier gang und gäbe“, bestätigt Clemens Olberding, der
Landesvorsitzende des Katholischen Arbeitnehmer-Bundes (KAB). Auch der KAB
habe sich in den Betrieben umgehört und versuche das jetzt aufzuarbeiten.
Seine Kollegen vom DGB verlangen, „’echte‘ Werkverträge von
Umgehungswerkverträgen abzugrenzen“. Außerdem müsse verhindert werden, dass
sich Subunternehmen einschalteten, die nichts weiter tun, als den Auftrag
weiter zu reichen. Die SPD im Bundestag fordert einen Mindestlohn von 8,50
Euro.
Die Linksfraktion im Landtag beantragte eine Bundesratsinitiative, um den
Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern. Grünen-Fraktionschef Stefan
Wenzel, verlangte die CDU-FDP-Landesregierung müsse die Fleischbranche
schärfer kontrollieren. „Die billigen Preise an der Fleischtheke sind nur
möglich, weil wir in Deutschland zu einem Billiglohnland verkommen sind“,
schimpft Michael Hettwer vom „Landesnetzwerk Bauernhöfe statt
Agrarfabriken“. Was sich in den Betrieben abspiele, sei „Sklavenarbeit“.
Der Verband der Fleischwirtschaft äußerte sich auf mehrmalige Anfrage hin
nicht.
23 Nov 2012
## LINKS
[1] /!76587/
[2] /1/nord/artikel/
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Wohnungsmarkt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Günstiger Wohnraum für Arbeitsmigranten: Wohnungen als Problemlöser
In Niedersachsen verlangen Gewerkschafter eine Neuauflage des sozialen
Wohnungsbaus. Grüne setzen dagegen auf höhere Löhne.
Dumping mit Subunternehmern: Osteuropa-Löhne im Schlachthof
Ein Betrieb bei Oldenburg plant, einen zentralen Betriebsteil an
Subunternehmer auszugliedern. Die Gewerkschaft NGG nennt befürchtet
Lohndumping.
Drohung in Niedersachsen: Gruß aus der Fleischbranche
Ein Prälat findet ein Kaninchenfell vor seinem Haus. Er hatte die schlechte
Bezahlung ausländischer Beschäftigter in der Fleischproduktion
angeprangert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.