# taz.de -- Machtkampf in Burundi: Putsch mit unklarem Ausgang | |
> Rivalisierende Armee-Einheiten kämpfen um die Macht in Burundi. Ob sich | |
> einer der Generäle schnell durchsetzen kann, ist unklar. | |
Bild: Die dem Präsidenten treue Polizei ging noch am Mittwoch hart gegen Prote… | |
BERLIN taz | Schüsse hallen durch die Straßen, melden Kollegen vor Ort. | |
Über der Hauptstadt verdichten sich die Rußwolken. Putsch-Gegner und | |
Putsch-Befürworter scheinen das letzte Gefecht noch nicht beendet zu haben. | |
Der regierungskritische Radiosender „Bonesha“ wurde von bewaffneten Männern | |
überfallen. Der regierungstreue Sender Radio Rema FM wurde wiederum von | |
Demonstranten angezündet. Journalisten des burundischen Staatssenders RTNB | |
berichten, Putschgegner hätten am frühen Morgen das Gebäude gestürmt und | |
den Staatsstreich live für nichtig erklärt. Daraufhin trafen Raketen die | |
Radiostation. | |
Auch der einflussreiche Sender RPA (African Public Radiostation), der in | |
den Wochen der Proteste aufgrund ihrer kritischen Stimmen vom Äther | |
genommen wurde, hatte wieder zu senden begonnen und die Putschnachricht | |
verbreitet. Auch er wurde von einer Rakete getroffen. Dies zeigt: Die | |
Schlacht um die einflussreichen Medien ist schon voll im Gange und Burundi, | |
das kleinste und ärmste Land Afrikas, steht eventuell kurz vor einem | |
Bürgerkrieg. | |
Noch am Tag zuvor feierten und jubelten abertausende Burundier in der | |
Hauptstadt Bujumbura. Am Mittwoch hatte Godefroid Niyombare Präsident | |
Pierre Nkurunziza für abgesetzt erklärt. „Ich nehme das Schicksal des | |
Landes in die Hand“, hatte der Generalmajor im Radio verkündet. | |
## Präsident außer Landes | |
Burundis umstrittener Präsident Nkurunziza hatte am Morgen das Land | |
verlassen. Er war ins Nachbarland Tansania geflogen. Auf einem | |
Gipfeltreffen der Staatschefs der Ostafrikanischen Union wollten seine | |
Amtskollegen mit ihm besprechen, wie die Krise in Burundi zu lösen sei. | |
Seit Wochen herrscht Chaos im Land. Abertausende Menschen demonstrierten | |
auf den Straßen gegen eine dritte Amtszeit von Nkurunziza. Dieser war von | |
seiner Partei CNDD-FDD Ende April erneut zum Spitzenkandidaten gekürzt | |
worden. Ende Juni sind Wahlen angesetzt. Laut Verfassung darf er aber zu | |
einer dritten Amtszeit nicht antreten. Das Verfassungsgericht ließ ihm dies | |
aber durchgehen. | |
Und so strömten die Massen auf die Straßen. Die Polizei, loyal zu ihrem | |
Befehlshaber Sicherheitsminister Edouard Nduwimana, der wiederum loyal zu | |
Nkurunziza ist, versuchte die Proteste niederzuschlagen. Fast 50 Menschen | |
starben in den vergangenen Wochen. | |
Das Militär hielt sich bedeckt und erklärte, die Armee verteidige die | |
Verfassung und nicht den Präsidenten. Damit war indirekt klar, dass sie | |
Nkurunziza nicht unterstützen. Seine Reise zum Krisengipfel in Tansanias | |
Hauptstadt Dar es Salaam war die Gelegenheit: Generalmajor Niyombare nahm | |
das Zepter in die Hand. | |
## Macht im Schatten | |
Der ehemalige Stabschef der Armee und dann Botschafter in Kenia war zuletzt | |
als Chef des gefürchteten Geheimdienstes aufgetreten. Nkurunziza hatte im | |
Dezember 2014 Schlüsselpositionen im Machtapparat neu besetzt. Damit hatte | |
er rückblickend schon sein Schicksal besiegelt. Der bisherige | |
Geheimdienstchef Generalmajor Adolphe Nshimirimana wurde seines Amtes | |
enthoben und dafür Niyombare eingesetzt. Doch nur für kurze Zeit. Er soll | |
Nkurunziza angeblich geraten haben, nicht erneut anzutreten. Dafür musste | |
auch er im Februar seinen Posten räumen. | |
Ob Niyombare jetzt die Macht haben wird, die Putscherklärung auch in | |
Tatsachen umzusetzen, wird sich zeigen. Das Problem in Burundis | |
Machtzirkeln ist, dass Nkurunziza nur begrenzt das Sagen hatte im Land. Mit | |
seinem Ausscheiden ist es also nicht getan. Hinter ihm regierte schon immer | |
ein Schattenkabinett, mächtige Männer aus der Zeit der Rebellion und des | |
Krieges. | |
Einer davon ist Generalmajor Nshimirimana, der unter seinem Vornamen | |
„Adolphe“ berüchtigt ist. Er ist quasi der Mafia-König der Region der | |
Großen Seen: Ob Drogen-, Gold- oder Waffenhandel- Adolphe macht aus allem | |
richtig viel Geld. Und so galt er lange als der eigentlich mächtigste Mann | |
im korrupten Burundi. In jüngster Zeit soll er die CNDD-FDD-Jugendmiliz | |
„Imbonerakure“ mit Macheten ausgerüstet haben. | |
Der andere: General Alain-Guillaume Bunyoni, einst Polizeichef und Minister | |
für öffentliche Sicherheit, wurde jüngst zum Sekretär des Nationalen | |
Sicherheitsrats ernannt. Er gilt als der reichste Mann im Land. | |
Verschiedene Quellen sagen, Niyombare habe die mächtigen Generäle wie | |
Adolphe und Bunyoni verhaften lassen. | |
## Gespaltene Armee | |
Auch innerhalb der Armee muss sich der selbsternannte Übergangspräsident | |
jetzt erst einmal durchsetzen. General Prime Niyongabo steht als Chef des | |
Stabes nach wie vor auf Seite von Nkurunziza. Seine Einheiten verteidigen | |
den Präsidentenpalast und den Staatssender RTNB. Die Armee ist also in sich | |
tief gespalten. Die Schüsse, die in Bujumbura zu hören sind, stammen wohl | |
von rivalisierenden Fraktionen der Armee. | |
Die Armeeführung hatte sich nach der erklärten Machtübernahme am Mittwoch | |
zu einem Treffen eingefunden. Die Sitzung ging bis in die Morgenstunden. | |
Aber scheinbar wurde keine Einigung erzielt. Die Generäle marschierten in | |
Richtung der verschiedenen Radiostationen um ihre Erklärungen abzugeben. | |
Jetzt muss Niyombare wohl mit Waffengewalt klare Mehrheiten schaffen, um | |
keinen Gegen-Putsch zu riskieren. Er erklärte am Donnerstagmittag, die | |
Hauptstadt sei unter Kontrolle der Putschisten - doch wie es im Rest des | |
Landes aussieht, ist noch unklar. Präsident Nkurunziza war vor allem bei | |
der ländlichen Bevölkerung beliebt. Ob die Putschisten sich bei der | |
Mehrheit der Menschen außerhalb der Hauptstadt durchsetzen können, ist | |
völlig unklar. | |
14 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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