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# taz.de -- Machtkampf in Burundi: Risiko im Friedensprozess
> Von Burkina Faso bis Burundi stürzen Präsidenten, die sich an der Macht
> verewigen wollen. Aber in Burundi steht auch der Frieden auf dem Spiel.
Bild: Menschen feiern den Sturz des Autokraten, was das aber für die Region be…
BERLIN taz | Der aktuelle Militärputsch in Burundi hat Auswirkungen, die
weit über die Grenzen des kleinen ostafrikanischen Landes hinausgehen.
Einerseits ist er das neueste Glied in der Kette der Demokratieaufstände in
Afrika, die ausgehend vom Arabischen Frühling vor vier Jahren einen
afrikanischen Autokraten nach dem anderen untergraben – andererseits trifft
er eines der schwächeren Glieder in der Kette der Friedensprozesse im
Afrika der Großen Seen, eine der gewaltträchtigsten Konfliktregionen der
Welt. Das gibt dem Geschehen in Burundi eine schwer zu steuernde, brenzlige
Dynamik.
Unmittelbares Vorbild für den derzeitigen Umsturz ist Burkina Faso. Dort
löste Langzeitpräsident Blaise Compaoré im Oktober 2014 mit seinem
Bestreben, im Parlament die Verfassung zu ändern und zu einer dritten
gewählten Amtszeit zu kandidieren, einen Volksaufstand aus. Unter dem Jubel
der protestierenden Massen in der Hauptstadt Ouagadougou zwang die Armee
Compaoré zum Rücktritt und zum Gang ins Exil.
Das Happening von Burkina Faso befeuerte Demokratieaktivisten in ganz
Afrika, vor allem in den sehr eng untereinander vernetzten frankophonen
Ländern. Ihrerseits schon inspiriert von Demokratieprotesten in Senegal
zwei Jahre zuvor, haben die Aktivisten von Burkina Faso Gleichgesinnten in
zahlreichen anderen afrikanischen Ländern Ideen, Visionen und praktische
Ratschläge gegeben. Ein vorrangiges Ziel war die Demokratische Republik
Kongo, wo Proteste im Januar 2015 blutig niedergeschlagen wurden.
Und nun eben Burundi. Präsident Nkurunziza regiert seit 2005, inzwischen
zweimal fünf Jahre, und kann daher nach allgemeiner Auffassung bei den
nächsten Wahlen im Juni 2015 nicht wieder antreten. Er selbst sieht das
anders und ließ sich am 25. April von seiner Partei zum Kandidaten für die
Wahl am 26. Juni aufstellen. Seitdem gehen täglich in der Hauptstadt
Bujumbura Menschen auf die Straße.
## Putsch als Türöffner
Jugend- und Frauengruppen vor allem haben den fantasievollen Protest in
Bujumbura getragen, der die althergebrachten Hutu-Tutsi-Spaltungen Burundis
transzendiert und eine neue Generation mit neuen Ausdrucksformen sichtbar
gemacht hat. Die Regierung reagierte darauf mit Repression und Gewalt durch
die Parteimiliz „Imbonerakure“. Vergeblich: Die Proteste wurden jeden Tag
stärker, und Burundis Armee machte bei der Repression nicht mit, sondern
schützte teilweise die Demonstranten. Als Nkurunziza am Mittwoch zu einem
Krisengipfel nach Tansania reiste, ergriffen seine Gegner ihre Chance.
Ein Militärputsch als Türöffner zum demokratischen Neuanfang ist in Europa
ungewohnt, aber in afrikanischen Augen durchaus vertraut. Vor Burkina Faso
2014 hatten junge Soldaten in Niger 2010 einen sich verewigenden Autokraten
gestürzt und dann das Land zur Demokratie zurückgeführt. Nicht überall
gelingt es – Putsche in Mali 2012 oder in der Elfenbeinküste 1999 führten
zu langen Bürgerkriegen –, aber überall ist es denkbar.
Doch dies ist nur die Hälfte der Geschichte. Burundi ist nicht einfach ein
autokratisch regiertes Land, sondern hat einen Bürgerkrieg mit
Hunderttausenden Toten hinter sich, der erst vor zehn Jahren wirklich
endete. Nkurunziza ist nicht einfach Präsident, sondern er wurde es als
Führer der einstigen burundischen Hutu-Rebellenarmee CNDD-FDD
(Nationalkomitee/Kräfte zur Verteidigung der Demokratie), die in diesem
Bürgerkrieg gegen die früher diktatorisch herrschende Tutsi-Militärelite
kämpfte und per Friedensabkommen im Rahmen einer Machtteilung an die
Staatsspitze gehoben wurde.
## Beträchtliches Gewaltpotenzial
Burundis Armee ist nicht einfach eine Streitkraft, sondern eine fein
ausbalancierte Zusammensetzung der einst verfeindeten Bürgerkriegsparteien,
die jetzt wieder auseinanderzubrechen droht. Die
„Imbonerakure“-Jugendmilizen der burundischen Regierungspartei sind
strukturell identisch mit jenen Milizen, die in Ruanda 1994 den Völkermord
an den Tutsi verübten, und sie könnten auf den Sturz „ihres“ Präsidenten
ähnlich drastisch reagieren: Der Militärputsch wird mit General Niyombare
von einem langjährigen CNDD-FDD-Militärführer angeführt, aber von
Tutsi-Generälen unterstützt, ebenso allerdings von einer zweiten ehemaligen
Hutu-Guerillabewegung.
Das alles ist schwer zu durchschauen. Es macht aber die Vielzahl der
Akteure deutlich, die allesamt über beträchtliches Gewaltpotenzial verfügen
und davon in der Vergangenheit alle bedenkenlos Gebrauch gemacht haben und
von denen man noch nicht genau weiß, wie sie sich verhalten werden.
Deswegen machen die Vorgänge in Burundi nicht nur Hoffnung, sondern auch
Angst. Einen Weg zurück, darüber sind sich Burunder einig, gibt es nicht
mehr. Aber wohin der Weg führt, das wissen sie noch nicht.
14 May 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Niger
Putsch
Burkina Faso
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Zivilgesellschaft
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Präsidentschaftswahl
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