# taz.de -- Zukunft der BBC: Thank you from Germany | |
> Der britische Premier Johnson möchte die BBC gern als | |
> öffentlich-rechtliches Medium abwickeln. Den deutschen Verwandten könnte | |
> das eher nutzen. | |
Bild: ARD und ZDF müssen auch reformiert werden, aber anders als die BBC nun f… | |
Die BBC gehört zu Großbritannien wie der Tower zu London, warmes Bier zum | |
Pub und Malzessig auf die Fritten. Sie ist Institution und Klischee in | |
einem und ähnelt so jener anderen großen britischen Marke, über deren | |
Vergänglichkeit immer wieder gerätselt wird – der Queen. | |
Auch wenn die für ihren Premierminister Boris Johnson von den Konservativen | |
nicht sonderlich viel übrig haben soll, [1][steht Elizabeth II.] nicht auf | |
dessen „Kann wegfallen“-Liste, [2][die BBC hingegen schon]. 2027 soll | |
Schluss sein mit der Licence Fee, der Rundfunkgebühr, die den Laden | |
finanziert. Mehr Geld gibt es trotz steigender Kosten in der Pandemie auch | |
nicht. | |
Bis 2024 soll die Licence Fee beim Stand von aktuell 159 Pfund (umgerechnet | |
rund 190 Euro) pro Jahr eingefroren und danach bestenfalls für die letzten | |
drei Jahre marginal erhöht werden. Für die BBC bedeutet das massive | |
Einschnitte im Programm und nach britischen Medienberichten eine | |
Entlassungswelle, die zwei- bis dreitausend der heute gut 22.000 | |
Mitarbeitenden treffen könnte. | |
Dass die Licence Fee nicht mehr zeitgemäß ist, gestehen dabei auch die | |
ärgsten BBC-Freunde ein. Sie ist nämlich immer noch aufs TV-Gerät bezogen, | |
was der BBC in der digitalen Welt die gleichen Probleme bereitet, wie sie | |
die Anstalten hierzulande vor der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag | |
hatten. Doch es geht Johnson nicht um ein zukunftsfähiges | |
Finanzierungsmodell; sondern um die Zerschlagung der BBC als unabhängige, | |
für die Konservativen wie für Labour oft unbequeme Stimme. | |
## Keine Alleingänge in Deutschland | |
Nun ist die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten stets Benchmark | |
und so großes wie unerreichtes Vorbild für all das, was in Deutschland | |
öffentlich-rechtliche Medien ausmacht. Auch ARD, ZDF und Deutschlandradio | |
stehen seit Jahren zur Debatte und sollen grundlegend reformiert werden. | |
Und die am Sonntagabend von Johnsons Kultur- und Medienministerin Nadine | |
Dorries verkündeten Maßnahmen klingen nicht nur ein bisschen nach dem | |
Parteiprogramm der FDP: Das empfiehlt schließlich auch einen auf die Hälfte | |
geschrumpften öffentlich-rechtlichen Rundfunk. | |
Macht Johnsons Kahlschlagpolitik jetzt also der Debatte um die Zukunft der | |
Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland Beine? Die Antwort lautet: Ja, aber | |
vermutlich ganz anders als gedacht. Zwar hat Johnsons Truppe die | |
Austrocknung der BBC lange vorbereitet. Die Anstalt bekam einen der | |
konservativen Partei genehmen Intendanten, der bei der BBC Director General | |
heißt. [3][Tim Davie war für die Partei] selbst mal als Lokalpolitiker | |
aktiv. Doch die jetzt so durchsichtig verkündeten BBC-Pläne, die von | |
Johnsons diversen Skandalen und Fettnäpfchen in Sachen Corona ablenken und | |
vergrätzte Tory-Gemüter beruhigen sollen, dürften im Gegenteil die Position | |
von ARD und ZDF stärken. | |
Die deutschen Anstalten sollen seit Jahren reformiert werden. Sie müssen es | |
auch. Zuständig dafür sind aber keine zentralen Instanzen auf nationaler | |
Ebene wie in Großbritannien, sondern die 16 Bundesländer. Schon das bremst | |
drastische Alleingänge aus, seien sie durchdacht-heroisch oder dumm. Die | |
zuständige Rundfunkkommission der Bundesländer hat für eine solche Reform | |
konkrete Vorschläge gemacht. Letzten Freitag erst endete eine | |
Onlinekonsultation, an der sich alle Menschen beteiligen konnten. | |
Zwar kann von einer wirklich breiten gesellschaftlichen Debatte über Sinn, | |
Zweck und künftigen Zuschnitt der öffentlich-rechtlichen Medien leider | |
keine Rede sein. Doch Johnsons Frontalangriff auf die BBC wird bei den | |
medienpolitischen Entscheidungsträger*innen eher dafür sorgen, dass | |
sie den Anstalten den Rücken stärken. Wohl kein*e Politiker*in möchte | |
in diesen Tagen in einem Atemzug mit Boris Johnson genannt werden. | |
Der zu erwartende Zuspruch zu öffentlich-rechtlichen Medien made in Germany | |
darf nun aber nicht dazu führen, dass die ohnehin schleppend laufende | |
Reformdebatte vollends wieder einschläft. Das wäre auch nicht im Interesse | |
von ARD, ZDF & Co. Sie können sich aus sich heraus nicht reformieren und | |
brauchen einen neuen Konsens, eine Art neuen Gesellschaftsvertrag mit der | |
Gesellschaft. | |
Erste Ansätze dazu gibt es, Initiativen wie [4][#UnsereMedien] gehen mit | |
ihren Vorschlägen auch deutlich weiter als die klassische Medienpolitik. | |
Und die hält sich mit rein parteipolitisch-dogmatischen Volten aus der | |
Debatte – anders als in UK – besser mal raus. | |
17 Jan 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Barbados-schafft-die-Monarchie-ab/!5815712 | |
[2] /BBC-Reform/!5826305 | |
[3] /Britische-Rundfunkanstalt/!5688208 | |
[4] /Reform-der-Oeffentlich-Rechtlichen/!5819319 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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