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# taz.de -- BBC unter Druck: An Johnsons Leine
> Die britische Regierung versucht, die BBC durch Sparen und Einflussnahme
> unter Druck zu setzen. Immer mehr Journalist*innen verlassen die
> Anstalt.
Bild: Eingang des Hauptgebäudes der „alten Tante“: die BBC in London
Die BBC gilt als beste öffentlich-rechtliche Anstalt der Welt. Noch. Denn
die britische Regierung unter Boris Johnson und das konservative
Establishment arbeiten unerbittlich daran, [1][diese Bastion zu schleifen].
Dabei setzen sie auf drei unterschiedliche Angriffsmethoden. Zum einen
drehen sie der über eine Rundfunkgebühr finanzierten BBC den Geldhahn zu.
Daneben besetzen sie alle Positionen in den Aufsichtsgremien mit „ihren“
Leuten. Doch am problematischsten ist die Masche, jegliche
Berichterstattung durch das Ausgewogenheits-Nadelöhr zu jagen und so
kritische und kontroverse Inhalte auszubremsen.
Trotz Inflation und der Verpflichtung, massiv in den digitalen Ausbau zu
investieren, hat Medienministerin Nadine Dorries die „Licence Fee“ für die
nächsten zwei Jahre eingefroren, was nach BBC-Berechnungen ein Minus von
über einer halbe Milliarde Pfund (umgerechnet rund 640 Millionen Euro)
bedeutet. In den vergangenen 18 Monaten hat die BBC bereits 1.200
Arbeitsplätze abgebaut – davon über 20 Prozent in den Redaktionen. Nach
Ankündigungen von BBC-Chef Tim Davie müssen in den nächsten zwei Jahren
noch mal mindestens 1.000 weitere Jobs folgen.
[2][Sender werden zusammengelegt] – es fusionieren nun BBC World und BBC
News. Andere mutieren zu reinen Online-Angeboten wie BBC Four und die
Kinderkanäle CBBC und CBeebies. Linear „on air“ bleiben nur noch die beiden
Hauptprogramme BBC 1 und BBC 2. Auch dem Jugendkanal BBC 3, der von 2016
bis 2022 schon ins Internet gewandert war und erst seit Februar 2022 wieder
linear am Abend auf dem tagsüber von CBBC bespielten Kanal sendet, steht
vermutlich eine „Online-Only“-Existenz bevor.
## Alles im Zeichen der „Ausgewogenheit“
2027 soll die Rundfunkgebühr gestrichen und ein neues Finanzierungsmodell
eingeführt werden. Zahlreiche einflussreiche Politiker*innen
favorisieren dabei ein Abo-Modell wie bei Netflix, nach dem dann nur die
Menschen für BBC-Angebote zahlen müssten, die sie auch nutzen. Viele
Kritiker*innen sehen darin eine Abkehr vom „Public Value“-Gedanken des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil so Angebote für Minderheiten nicht
mehr zu finanzieren wären.
Seit der Inthronisierung von Davie als BBC Director General im September
2020 hängt die BBC endgültig an der Leine von Premierminister Boris
Johnson. Davie war in einem früheren Leben für die Konservativen in der
Londoner Lokalpolitik aktiv und verkündete brav im Mai vor dem
Medienausschuss des britischen Oberhauses: „Wir haben nie nach einer
deutlichen Erhöhung der Rundfunkgebühr gefragt. Wir wissen, dass wir
Entscheidungen treffen und Kürzungen umsetzen müssen.“ Die BBC ist zwar
kein staatlicher Sender, anders als bei den öffentlich-rechtlichen Medien
in Deutschland hat die Politik aber massiven Einfluss auf die Anstalt. Über
ihre Finanzierung entscheidet das Parlament, ihre Führung und ihre
Aufsichtsgremien werden von der Regierung berufen.
Davie setzt zudem ein sehr formalistisches Programm im Zeichen der
„Ausgewogenheit“ um, dass nach Meinung vieler BBC-Journalist*innen die
redaktionelle Unabhängigkeit beschneidet und zu einseitig auf die Vorwürfe
von konservativer Seite, die BBC berichte zu linksliberal, eingeht.
## Top-Journalist*innen kündigen
Befeuert wird dies noch von einer aktuellen Studie der britischen
Medienaufsichtsbehörde Ofcom, die der BBC Schwierigkeiten mit der
sogenannten „Impartiality“ bescheinigt. Ofcom wird seit Mai von Michael
Grade geleitet, der zuvor für die Konservativen im britischen Oberhaus saß.
„Die BBC kommt ihrer Verpflichtung zur Ausgewogenheit nicht nach“, so die
verkürzte Darstellung der Studie in der konservative Presse. Tatsächlich
heißt es in der Untersuchung, viele Menschen bewerteten alle Inhalte und
Ansichten, die ihrer eigenen Meinung widersprächen, als unausgewogen.
Mehr und mehr Top-Journalist*innen haben die BBC mittlerweile
verlassen. Star-Interviewer Andrew Marr, der lange auch Politik-Chef des
Senders war, arbeitet seit März beim privaten Talk-Radio LBC.
News-Frontfrau Viktoria Derbyshire verhandelt mit Channel Four. Und auch
Lewis Goodhall hat seinen Rückzug angekündigt. Der Redaktionsleiter eines
investigativen Formats nennt dem Guardian als Grund seines Abgangs den
steigenden Druck von außen auf die Berichterstattung.
In einer früheren Version des Textes wurde der TV-Sender BBC 3 als
fälschlich Kulturkanal bezeichnet. Hier lag eine Verwechslung mit der
Kultur-Radiowelle BBC 3 vor.
30 Jun 2022
## LINKS
[1] /Boris-Johnson-vs-BBC/!5712042
[2] /Zukunft-der-BBC/!5826338
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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