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# taz.de -- Votum über britischen Premierminister: Hopp oder top für Johnson
> Großbritanniens konservative Parlamentsfraktion stimmt über Boris Johnson
> als Parteichef ab. Verliert er, ist er auch als Premier Geschichte.
Bild: Muss sich am Abend einem Misstrauensvotum stellen: Großbritanniens konse…
London taz | Das Soll von 54 Anträgen – 15 Prozent der aktuell 359
Abgeordneten zählenden konservativen Fraktion im britischen Unterhaus – zu
einem [1][Misstrauensvotum gegen Boris Johnson] als Parteichef der
britischen Tories ist erreicht. Das verkündete am Montagmorgen Graham
Brady, Vorsitzender des „[2][1922 Committee]“, das alle konservativen
Abgeordneten ohne Regierungsamt vereint. Johnson sei bereits am
Sonntagabend benachrichtigt worden und man habe sich auf eine Abstimmung so
bald wie möglich geeinigt. Dieser Termin ist Montagabend zwischen 18 und 20
Uhr.
In einem Raum im britischen Parlamentsgebäude entscheiden somit die
konservativen Abgeordneten am Abend in geheimer Abstimmung über Boris
Johnsons Zukunft. Sollte die Mehrheit der Fraktion ihm das Misstrauen
aussprechen, müsste die Partei sich einen neuen Chef suchen, und bei dieser
Wahl könnte Johnson nicht mehr antreten. Sollte Johnson das Vertrauen von
mindestens 180 Abgeordneten bewahren, wäre er die nächsten zwölf Monate vor
einem erneuten Abwahlversuch sicher.
Das Misstrauensvotum ist eine direkte Konsequenz des Partygate-Skandals.
Der [3][abschließende Untersuchungsbericht der Spitzenbeamtin Sue Gray]
über Partys während der pandemiebedingten Lockdowns in 10 Downing Street
hatte schwere Mängel in der Führung des Amtes festgestellt. Auch die
Polizei hatte wegen Lockdown-Regelbrüchen ermittelt und Johnson hatte für
eine Veranstaltung gemeinsam mit seiner Frau eine Bußgeldstrafe erhalten.
## Das Votum war nur eine Frage der Zeit
Seit der Veröffentlichung des Gray-Berichts gab es alle paar Tage neue
öffentliche Erklärungen von konservativen Unterhausabgeordneten, die
Johnson schwer für seine Unfähigkeit rügten, nicht dafür zu sorgen, dass
die von ihm selbst verfügten Kontaktbeschränkungen, an die sich alle
Brit:innen halten sollten, auch in 10 Downing Street eingehalten wurden.
Die Medien spekulierten beständig, wann die Anzahl der einzeln bei der
Fraktionsführung einzureichenden Misstrauensanträge schon die magische Zahl
54 erreichen würde. Ein Misstrauensvotum gegen Johnson war eigentlich nur
noch eine Frage der Zeit.
Die Frage ist nun, ob sich ausreichend Abgeordnete gegen Johnson
entscheiden werden. Klar scheint, dass die Gruppe um Theresa May gegen ihn
stimmen wird, denn einst hatte Johnson gegen sie ein solches Votum
angeführt – und verloren. Aber auch andere Abgeordnete quer durch die
politischen Lager innerhalb der Konservativen fürchten inzwischen, dass
Johnson nur noch eine Belastung darstellt. Die Prognosen bezüglich zweier
weiterer Nachwahlen am Ende dieses Monats sind verheerend. Die Tories
könnten da beide Wahlkreise verlieren, die Fraktion, die nach den Wahlen
2019 noch 365 Abgeordnete zählte, schrumpft.
Sollte Johnson das Votum verlieren, müssen sich die Konservativen für eine
Nachfolgerin oder einen Nachfolger entscheiden. Wer das sein könnte, ist
unklar. Lange Zeit galt Finanzminister Rishi Sunak als Favorit, aber durch
Partygate und eine Finanzaffäre seiner Frau ist er selber geschädigt. Ins
Rennen ziehen könnten der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im
Parlament, Tom Tugenhat, der ehemalige Gesundheitsminister Jeremy Hunt, der
2019 bei der letzten Tory-Führungswahl gegen Johnson unterlegen war,
Außenministerin Liz Truss und eventuell Verteidigungsminister Ben Wallace,
der durch sein entschlossenes Auftreten im Ukrainekrieg an Profil und
Respekt gewonnen hat.
Kurioserweise ist gleichzeitig das Schicksal des Labour-Oppositionsführers
Keir Starmer und seiner Stellvertreterin Angela Rayner in der Schwebe.
Beide haben vor wenigen Wochen angekündigt, dass sie zurücktreten würden,
sollte die Polizei einen Corona-Regelbruch bei einem Abendessen vor der
Nachwahl in Hartlepool 2021 feststellen, das Starmer als Arbeitstreffen
deklariert hatte.
Boris Johnson wiederholte in den letzten Wochen, er habe sich entschuldigt,
strengere Regeln in 10 Downing Street eingeführt, und wolle nun weiter die
Politik betreiben, die er 2019 bei der Wahl versprochen hätte. Damals
gewann Johnson mit einer soliden Mehrheit von 80 Abgeordneten. Niemand
hielt es da für möglich, dass seine Regierung keine drei Jahre später so in
Gefahr rutschen könnte.
6 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.bbc.com/news/live/uk-politics-60289386
[2] https://www.parliament.uk/site-information/glossary/1922-committee-the-22/
[3] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/…
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
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