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# taz.de -- „Partygate“-Bericht veröffentlicht: Nochmal davongekommen
> Der britische Premier Boris Johnson hat den Sue-Gray-Bericht zu Feiern im
> Amtssitz während der Pandemie politisch überlebt.
Bild: Boris Johnson in Partylaune, 13. November 2020
London taz | In 10 Downing Street und im Cabinet Office gab es
Führungsmängel bezüglich verschiedener Feiern, die dort trotz der
pandemiebedingten Lockdownregeln stattfanden. So lautete am Mittwoch das
Urteil im lang erwarteten Schlussbericht der britischen Spitzenbeamtin Sue
Gray zum sogenannten „Partygate“-Skandal. Gray forderte, dass für diese
Mängel Verantwortung übernommen werden müsse.
Ihr Bericht war schon am 8. Dezember letzten Jahres in Auftrag gegeben
worden, um potenziellen Regelbrüchen von Mitarbeitern im Amtssitz des
Premierministers in 10 Downing Street sowie dem dazugehörenden
Regierungsquartier nachzugehen.
Obwohl Grays Ergebnisse schon Ende Januar feststanden, konnte damals nur
eine Kurzfassung des Berichts herausgegeben werden. Denn dieser sollte den
inzwischen begonnenen polizeilichen Ermittlungen nicht im Wege stehen.
Premier Boris Johnson hatte wiederholt um Entschuldigung gebeten, etwa als
[1][ihm eine Geldstrafe] von der Polizei für einen Regelbruch aufgebrummt
worden war. Dennoch hatte er monatelang eine ausführlichere Stellungnahme
zu den Partys als Ganzes auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des
kompletten Berichts verschoben.
## Johnson ist der erste im Amt bestrafte britische Premier
Mittwochnachmittag stellte sich der Premier dann als erster Regierungschef
in der Geschichte des Landes, dem im Amt eine Strafe erteilt wurde,
schließlich dem Parlament.
Er gab dabei an, dass er weiterhin um Entschuldigung bitte, aber dass er an
allen Veranstaltungen in seiner beruflichen Funktion teilgenommen habe. Die
einzige Ausnahme sei an seinem [2][Geburtstag] gewesen. Dafür hatte er eine
Strafe bekommen.
Es sei seine Rolle gewesen, so Johnson, die Moral der Angestellten
aufrechtzuerhalten und sich bei ihnen zu bedanken. Von dem, was jeweils
nach seinem Abschied von den Feiern geschah, hätte er nichts gewusst, sagte
er. Er sei später darüber entsetzt gewesen.
Der Bericht schildert auf 37 Seiten mit neun Fotos die Einzelheiten und den
Verlauf zu 16 im Bericht als „Menschenaufläufe“ verzeichneten Feiern. Bei
acht hatte die Metropolitan Police 126 Geldstrafen an 83 Personen
ausgesprochen, an einige Personen sogar zwei- bis viermal.
Gray sagte, die Öffentlichkeit werde über das, was sich in 10 Downing
Street und damit im Herzen der britischen Regierung abgespielt hatte,
bestürzt sein. Denn es habe mit den coronabedingten Regeln, die der Rest
des Landes zu verfolgen hatte, nicht übereingestimmt.
## Saufgelage mit Streit und Erbrechen
Zu einem Dutzend Vorfällen gab es neue Einzelheiten, wie etwa
Auseinandersetzungen zwischen zwei Angestellten zu später Stunde oder das
Erbrechen eines Angestellten am Ende eines Trinkgelages. Gray stellte auch
inakzeptables Verhalten gegenüber Putz- und Sicherheitskräften während der
Feiern fest.
Sie urteilte, dass die 83 Personen, gegen welche die Polizei Bußgelder
verhängt hatte, ganz klar Regeln gebrochen hätten. Bei den Feiern seien
Vorgesetzte aus der Regierung zugegen gewesen. Viele der Treffen hätten
nicht erlaubt werden dürfen. Unerfahrenere Mitarbeiter hätten deshalb
geglaubt, ihre Anwesenheit bei den Feiern sei gestattet.
„Das oberste Führungsgremium, gewählt oder verbeamtet, muss die
Verantwortung für diese Arbeitskultur übernehmen“, schrieb sie. Doch
zugleich erklärte sie, was im Amtssitz des Premiers geschehen sei,
entspreche nicht der Realität eines Großteils der Regierungsmitarbeiter.
Sie sei sehr stolz darauf, während der Pandemie Beamtin gewesen zu sein,
wie sie auch stolz auf „die Leistung des öffentlichen Dienstes zu dieser
Zeit“ sei.
Auch habe die Regierung Reformen eingeführt, etwa eine klarere Führung und
eine direktere Möglichkeit für Angestellte, Beschwerden und Mängel
weiterzugeben.
## Johnson redet Verstöße klein
In seiner Erklärung sagte Johnson im Unterhaus, innerhalb eines Zeitraums
von 600 Tagen und innerhalb eines Regierungskomplexes von 5300
Quadratmetern hätten nur an acht Tagen unter Tausenden von Angestellten nur
hundert widerrechtlich gehandelt.
Da die Mitarbeiterzahl die Höchste in der Geschichte sei, wolle man nun
Reformen einführen. Auch verwies er darauf, dass die Regierungsmitarbeiter
von Vorschriften befreit waren, wenn auch nur zum Zweck der Arbeit.
Oppositionschef Keir Starmer sagte, es könne nicht sein, dass man Regeln
für alle aufstelle, die man dann selbst nicht einhalte. Die konservative
Fraktion hätte den Maßstab für das, was von 10 Downing Street und Johnson
hingenommen werde, „tiefer gesetzt als den Bauch einer Schlange.“
## Starmer gibt sich regeltreu und moralisch korrekt
Starmer verwies darauf, dass er im letzten Jahr erklärt hatte, er werde
zurücktreten, sollte er für ein Bier zum Essen während des Wahlkampfes im
Norden des Landes im vergangenen Jahr ein Bußgeld zahlen müssen. Damit
wolle er beweisen, dass nicht alle Politiker:innen gleich seien.
Nach einer Party am Mai 2020, so enthüllte Sue Grays Bericht, hatte der im
Februar zurückgetretene Privatsekretär Boris Johnsons in einer Nachricht an
einen Angestellten geschrieben, 10 Downing Street sei mit der damaligen
Saufparty [3][nochmal davongekommen]. Eine Stunde nach Johnsons Äußerungen
im Parlament schien es so, als ob der Premier selbst auch noch einmal
davongekommen sei.
Nur ein einziger Tory-Abgeordneter, Tobias Ellwood, sprach sich vehement
gegen Johnson aus. Im Januar waren es noch mehrere Abgeordnete, darunter
die frühere Premierministerin Theresa May. Einzig die konservative Fraktion
kann Johnson durch einen Misstrauensantrag zum Rücktritt fordern. Doch
scheint der Wille dazu verpufft.
25 May 2022
## LINKS
[1] /Partygate-Skandal-in-Grossbritannien/!5848704
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## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
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