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# taz.de -- Rücktritte bei Großbritanniens Tories: Nur noch eine Frage der Ze…
> Die britischen Konservativen beginnen sich von Boris Johnson zu lösen, um
> an der Macht zu bleiben. Nun beginnt der Erbfolgestreit.
Bild: Ob Reden ihn noch mal rettet? Großbritanniens strauchelnder Premier Bori…
War's das für Boris Johnson? Nach allen Gesetzen der politischen Logik
steht Großbritanniens Premierminister vor dem Aus. Zwei seiner wichtigsten
Kabinettsmitglieder – Finanzminister [1][Rishi Sunak] und dessen Vorgänger
und zuletzt Gesundheitsminister Sajid Javid – sind zurückgetreten, mit
brutal kritischen Rücktrittsschreiben. Es folgten in der Nacht und am
Dienstagmorgen zahlreiche weitere Rücktritte von Regierungsmitgliedern ohne
Kabinettsrang, ein Ende war am Dienstagmittag nicht abzusehen.
Sie alle wollen sich von Boris Johnson nicht länger vorführen lassen. Die
neueste Affäre ist bezeichnend für die Art, wie der Premierminister das
Vertrauen seines Umfelds verspielt hat. Er ernannte im Februar mit
Christopher Pincher einen neuen Vizefraktionsvorsitzenden der Konservativen
im Unterhaus, gegen den es seit Jahren Vorwürfe sexueller Übergriffe gab.
Als die öffentlich wurden und Pincher Ende vergangener Woche deswegen
zurücktreten musste, leugnete Johnson, davon jemals gewusst zu haben, und
schickte diverse Regierungsmitglieder mit dieser Verteidigungslinie in die
Öffentlichkeit. Dann wurde ihm nachgewiesen, von den Vorwürfen seit Jahren
informiert gewesen zu sein. Ausreden, er habe das „vergessen“ oder sei
nicht „spezifisch“ informiert gewesen, zogen nicht mehr. Diejenigen, die
sich für ihn geschlagen hatten, standen nun düpiert da – man hatte sie mit
Lügen gefüttert.
Schon Partygate hatte die Geduld der Konservativen mit ihrem Premier
strapaziert. Nun haben sie die Nase voll. Johnsons Absetzung gilt in
konservativen Kreisen nun nur noch als eine Frage der Zeit und der
richtigen Methode. Viele sind davon überzeugt: Großbritannien braucht einen
Neustart mit Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit an der
Spitze. Gerade in Zeiten des Ukrainekrieges (in dem Boris Johnson vom
politischen Instinkt her richtig liegt und international eine gute Figur
macht) ist für das Land eine Führung wichtig, der man nichts vorwerfen kann
und die nicht den Großteil ihrer Zeit damit verbringt, auf unprofessionelle
Art Skandale abzuwehren.
Aber nach allen Gesetzen der politischen Logik wäre [2][Boris Johnson] nie
Großbritanniens Premierminister geworden. Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit
und Geradlinigkeit hatte das Land vorher, mit Theresa May, und wohin führte
das? Eben. Daher bleibt Boris Johnson bis heute davon überzeugt, dass er
auch diese Krise überstehen kann. Und dass es ausreicht, sich für Fehler zu
entschuldigen.
Aber seiner Partei reicht das nicht mehr. Sie hätte lieber einen Chef, der
nicht ständig Fehler macht, der nicht mit immer unglaubwürdigeren Ausreden
die eigenen Versäumnisse kaschiert, der den eigenen Laden im Griff hat, der
Politik nicht nur verkündet, sondern sie auch macht. Boris Johnson ist
nicht dieser Chef. Gerade diejenigen Konservativen, die seine Politik
stützen, gucken sich jetzt nach jemandem um, der sie auch umsetzt. Nur so
vermeiden sie bei den nächsten Wahlen den Untergang.
Boris Johnson kam mit dem Wahlversprechen „Get [3][Brexit] Done“ an die
Macht, und solange dieses Versprechen nicht in trockenen Tüchern war, blieb
seine Macht unangefochten. Aber spätestens der Ukrainekrieg hat andere
Grundsatzfragen in den Mittelpunkt gerückt. Man steht jetzt zusammen gegen
Russland, der Westen definiert seine Werte und Interessen neu, die Nato ist
wichtiger geworden als die EU. Die Rücktritte von Rushi Sunak und Sajid
Javid erfolgen nicht zufällig einen Tag nachdem Labour-Oppositionsführer
Keir Starmer sich in einer Grundsatzrede so klar wie nie zum Brexit bekannt
hat. Johnsons wichtigstes politisches Vermächtnis ist gesichert. Nun
beginnt der Erbfolgestreit.
6 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.spiegel.de/ausland/boris-johnson-generalstaatsanwalt-fuer-engla…
[2] /Nachwahlen-in-Grossbritannien/!5863282
[3] /Neues-Referendum-in-Schottland/!5864549
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
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