# taz.de -- Streit um Brexit-Vertrag: EU droht London mit Klage | |
> Großbritannien will per Gesetz das Nordirland-Protokoll aushebeln. | |
> Brüssel reagiert wütend – und leitet ein Vertragsverletzungsverfahren | |
> ein. | |
Bild: Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič am 15. Juni 2022 in Brüssel | |
Brüssel taz | Im [1][Streit mit Großbritannien um das Nordirland-Protokoll] | |
hat die EU-Kommission eine härtere Gangart eingeschlagen. Sie droht mit | |
einer Klage vor dem höchsten EU-Gericht und hat zwei neue | |
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Regierung in London eingeleitet. Ein | |
altes Verfahren wurde wieder aufgenommen. Man suche aber weiter eine | |
gütliche Lösung und wolle einen Handelskrieg vermeiden, heißt es in | |
Brüssel. | |
„Ich bin davon überzeugt, dass wir das Nordirland-Protokoll umsetzen | |
können, wenn nur der politische Wille vorhanden ist“, sagte der zuständige | |
EU-Kommissar Maroš Šefčovič. Das Vorgehen der britischen Regierung nannte | |
er „illegal“. Es widerspreche dem [2][Protokoll und stelle einen Bruch des | |
Brexit-Vertrags] dar. „Die Verletzung internationaler Verträge ist nicht | |
akzeptabel“, so Šefčovič. | |
Großbritanniens Außenministerin Liz Truss hatte am Montag ein Gesetz | |
vorgestellt, das die umstrittene Regelung zum Grenzverkehr zwischen der | |
britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aushebelt. Dieses | |
Gesetz ist allerdings noch nicht in Kraft. Brüssel und London bleibt also | |
noch etwas Zeit, um doch noch eine Verhandlungslösung zu finden. Die EU | |
setzt dabei auf mehr oder weniger sanften Druck. | |
Die beiden Vertragsverletzungsverfahren drehen sich um den Handel mit | |
Nordirland. Brüssel wirft der Regierung in London vor, für Kontrollen nicht | |
ausreichend Personal und Infrastruktur bereitgestellt zu haben. Außerdem | |
mangele es an aussagekräftigen Daten. Die dritte, zwischenzeitlich | |
ausgesetzte Maßnahme bezieht sich auf die Logistik bei Agrarprodukten und | |
Lebensmitteln. | |
## Kritik aus London, Lob aus Dublin | |
Die Verfahren führen oft zu Geldstrafen, die so lange gezahlt werden | |
müssen, bis der Streit beigelegt ist. Eine Summe habe man noch nicht | |
festgelegt, sagte ein Kommissionsbeamter. London habe zwei Monate Zeit, um | |
sich zur Sache zu äußern. Wenn es gar nicht anders gehe, sei man auch | |
bereit, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Den will London | |
allerdings nicht mehr anerkennen. | |
Irlands Außenminister Simon Coveney begrüßte das Vorgehen der Kommission. | |
Ein Sprecher des britischen Premiers Boris Johnson sagte dagegen, man sei | |
„enttäuscht“. Der von Brüssel gewählte Ansatz erhöhe die Last für die | |
Bürger in Nordirland und sei kontraproduktiv. | |
Die EU-Kommission hätte allerdings noch wesentlich härter reagieren können. | |
Denkbar wäre etwa eine schrittweise Kündigung des Brexit-Handelsabkommens. | |
Damit würde die EU aber einen Handelskrieg auslösen – und genau das will | |
man in Brüssel unbedingt vermeiden. | |
15 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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